Naturraumpädagogik – viele Ziele und ein Weg?

Naturraumpädagogik ist in aller Munde und auch in der Fachliteratur klar auf dem Vormarsch. Dabei sind die Zugänge und Zielsetzungen jedoch ganz vielfältig. Wozu dient sie nun?

Relativ schnell begegnet man dem Aspekt der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). In ihrem Buch zu Naturraumpädagogik schreibt Anke Wolfram der BNE eine grundlegende und tragende Rolle zu. Sie bilde das Fundament des naturraumpädagogischen Ansatzes. „Alle pädagogischen Überlegungen und Handlungen bauen darauf auf. Das gesamte Bildungsgeschehen wird an nachhaltigen Aspekten reflektiert und durchdringt die Pädagogik“ (Wolfram 2018, S. 16). Dabei werden neben ökonomischen und ökologischen auch sozialen Aspekten berücksichtigt. Ziel ist es, alle Menschen zu befähigen, eine lebenswerte Zukunft zu gestalten und positive gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen (vgl. ebenda, S. 18f.).

Hier schließen sich die Gedanken von Ingrid Miklitz zur Achtsamkeit an. Sie versteht diese explizit nicht im Sinne eines Selbstbezugs, sondern mit Blick auf ein verantwortungsvolles Miteinander von Mensch und Natur. Ein Weg hin zu einer solchen Achtsamkeit kann das Betrachten der Natur sein. Diese Betrachtung benötigt neben Zeit auch wirkliches Interesse am Gegenüber – der Pflanze, dem Baum, der Ameise – und Erwachsene, die die Kinder darin begleiten, achtsam wahrzunehmen. Dabei sind Fragen wie die folgenden leitend: Wie geht es dem Baum bei großer Hitze? Was brauchen Vögel, um über die Winter zu kommen? Was passiert mit den Bienen, wenn sie keine Blumen mehr finden (vgl. Miklitz 2020, S32ff.)?

„Frische Luft tut gut“, das wusste schon unsere Großmutter und hatte – wie so oft – Recht. Viele Studien deuten darauf hin, dass der Aufenthalt in der Natur förderlich für die menschliche Gesundheit ist. Insbesondere das Stressempfinden wird reduziert, wofür deutlich sanftere optische und akustische Sinneseindrücke sorgen (vgl. Dürmüller Frei 2020, S.13). Auch das Immunsystem wird gestärkt. In der Natur kann es lernen, zwischen Krankheitserregern und ungefährlichen Bestandteilen der Umwelt zu unterscheiden. So kann u.a. Allergien vorgebeugt werden. Einen weiteren Beitrag für ein starkes Immunsystem leistet das Vitamin D, welches beim Aufenthalt in der freien Natur gebildet wird. Auch die vielfältigen Bewegungsanreize in der Natur stärken die Gesundheit. Bewegung hat einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel, das Herz-Kreislaufsystem sowie das allgemeine Wohlbefinden. Auch im kognitiven Bereich ergeben sich hierdurch positive Effekte. So erhöhen sportliche Aktivitäten nachweislich die Konzentrationsfähigkeit (vgl. Renz-Polster & Hüther 2019, S. 77ff.)

Die Natur ermöglicht also das Erreichen verschiedener Ziele – gelebte Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Gesundheitsförderung.

Angestammter Entwicklungsraum für Kinder

In der Bedeutung fundamentaler und stärker auf das Kind fokussiert, betrachten Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther in ihrem Buch „Wie Kinder heute wachsen“ die Wichtigkeit des Naturraums für Kinder: „Weil Natur für Kinder eben nicht einfach eine nette Ergänzung zum Alltag ist. Weil sie mehr ist als Erholungsraum, mehr als ein Ort, um seine Batterien aufzuladen oder sich auszutoben. Natur ist für Kinder so essenziell wie gute Ernährung. Sie ist ihr angestammter Entwicklungsraum“ (Renz-Polster & Hüther 2019, S. 9). Tatsächlich bietet die Natur den Kindern Anregungen und Impulse in allen Bildungs- und Entwicklungsbereichen.

Baumstämme, Hänge, Mulden, Felsen und Wurzeln – die Natur ist eine grenzenlose Bewegungslandschaft und regt die Kinder ganz vielfältig an.
Anders als man es im ersten Moment denken mag, ist auch der Aspekt Sprache ganz vielfältig vertreten. So müssen die Kinder, ohne vorgefertigtes Spielmaterial, viel mehr in den Austausch und die Aushandlung miteinander gehen. Ist der Stock nun ein Ruder oder ein Zauberstab? Und auch die Schriftsprache findet sich wieder und hat Bedeutung – ob auf Wegweisern, Hinweisschildern oder in Bestimmungsbüchern.

Der Duft von Tannennadeln, das Rascheln der Bäume im Wind, das Farbspiel der Blätter im Herbst, die raue Rinde des Baumes, die frische Süße selbst geernteter Äpfel … Die Natur spricht alle Sinne der Kinder an. Durch die vielseitigen, natürlichen Empfindungen wird die Sensitivität der Sinne ausgeprägt.

Auch das körperliche Wohlbefinden wird auf verschiedenen Ebenen gefördert, sowohl hinsichtlich der physischen als auch der psychischen Gesundheit.

Der Natur und ihren Materialien liegt eine ganz eigene Schönheit zugrunde. Zugleich regen diese Materialien, durch ihre vielfältigen Formen und Farben, die Kreativität der Kinder ganz besonders an und vermitteln einen Sinn für Ästhetik. Darüber hinaus ist die Natur voller Klänge, die gehört, eingeordnet und nachgeahmt werden können. Und auch Musikinstrumente lassen sich aus Naturmaterialien gestalten.

Mathematische Grunderfahrungen können in der Natur gemacht werden – beim Sammeln, Sortieren und Klassifizieren von Stöcken und Steinen. Welcher Stock ist länger? Welcher Stein schwerer? Welche Form von Stein wird benötigt, um die Burg fertig zu stellen? Und so findet sich auch das Bauen und Konstruieren wieder – beim Bau von Höhlen, Hütten, Brücken oder Staudämmen.

Insgesamt regt die Natur zum Nachdenken, Fragen und Erforschen an. Denn wo sonst als in der Natur lassen sich naturwissenschaftliche Phänomene beobachten, werden erleb- und begreifbar?

Auch Sinnfragen und Fragen zum Kreislauf des Lebens ergeben sich nahezu beiläufig. Der Naturraum bietet analoge Erfahrungen, die für den nächsten Lernschritt nützlich sind. So erfahren Kinder Stück für Stück die Welt und binden jede neue Wahrnehmung in einen persönlichen Bedeutungskontext ein. Im Ergebnis entsteht für jedes Kind eine individuelle Beziehung zur Welt. Es erlebt sich als Mensch in der Welt.

Gemeinschaft spielt eine große Rolle

Vieles lässt sich nur gemeinsam meistern – die Pflege eines Beetes, die Steighilfe für den rutschigen Hang … Die Kinder erleben sich als Gruppe – agieren im sozialen Miteinander.

Für Kindern entstehen so vielfältige Anregungen und unzählige Möglichkeiten, den eigenen Interessen nachzugehen, Fragen zu entwickeln und Hypothesen zu formulieren und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Der Naturraum wirkt als 3. Erzieher. Die Fachkräfte schaffen hierfür den geeigneten Rahmen. Sie nehmen sich zunächst zurück, beobachten genau und greifen dann gezielt Themen der Kinder auf, um diese gemeinsam mit den Kindern zu entwickeln und zu reflektieren.

Als Ganzes betrachtet zeigt sich damit: Naturraumpädagogik ist weder Ergänzung noch Zusatz noch neuer Schwerpunkt. Naturraumpädagogik ist eine wundervolle Möglichkeit, unser element-i Konzeption umzusetzen. Dies zeigt sich auch beim Blick auf die Leitlinien – alle werden in der naturraumpädagogischen Arbeit gestärkt.

Der Aspekt der Gesundheit wurde bereits thematisiert. Kinder können fernab von Straßen- und sonstigem Lärm die Ruhe ganz bewusst erleben. Dies trägt wesentlich zur Ausgeglichenheit und zum Wohlbefinden der Kinder bei. Dabei können sie in ihrem Tun verlieren und Kohärenz erleben.

Die Kinder verfügen außerdem über eine besondere, scheinbar angeborene Verbundenheit zu Tieren und Pflanzen. Diese faszinieren sie von Anfang an.

Zugleich erleben Kinder besonderer Weise Freiheit und Autonomie. Dies liegt in dem nicht vorstrukturiertem Charakter von Naturräumen begründet. Die Kinder haben die Möglichkeit, sich frei im Gelände zu bewegen und eigene Lernerfahrungen zu machen. So erleben sie ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit, welches ihnen hilft, ein positives Selbstkonzept zu entwickeln. Hier können sie ihre Grenzen austesten und lernen diese auch einzuhalten. Dabei gelingt nicht alles sofort, die Resilienz wird gestärkt.

Durch die große Freiheit, die Möglichkeit sich den eigenen Interessen zu widmen und sich ohne störende Reize vollständig im Tun zu verlieren, entsteht wahre Freude am Lernen.

Kommen wir nun zur Eingangsfrage zurück: wozu dient Naturraumpädagogik nun? Welcher dieser vielen Zugänge ist der richtige? Die Antwort ist einfach: keiner allein für sich und alle gleichzeitig! Gerade das Zusammenspiel der vielen Aspekte und Faktoren macht die Naturraumpädagogik mit ihren unendlichen Möglichkeiten aus. So findet jede*r – ob groß, ob klein – einen individuellen Zugang und einen ganz persönlichen Mehrwert.

Literatur:

Renz-Polster, H.; Hüther, G. (2019): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Weinheim: Beltz.

Wolfram, A. (2018): Naturraumpädagogik in Theorie und Praxis. Freiburg im Breisgau: Herder.

Dürmüller Frei, A. (2020): Staunend unterm Regenbogen. In: TPS. Raus in die Natur. Heft 08/2020, S. 12-15

Miklitz, I. (2020): Hallo Baum, wie fühlst du dich? In: TPS. Raus in die Natur. Heft 08/2020. S. 32-35

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Natur(raum) erfahren

»Natur ist kein Ort, der besucht wird, sie ist Heimat.« Gary Snyder  

Reisen wir in unseren Gedanken zurück zu glücklichen Kindheitstagen, zu den schönsten Erinnerungen, zu unserer inneren Heimat, landen wir zwangsläufig in der Natur. Der selbst errichtete Staudamm am Bach, das neue Zuhause für den Tausendfüßler, die selbstgebaute Hütte im Wald Die Natur hat zweifelsohne eine nahezu magische Anziehungskraft auf Kinder. So ist es nicht der neu angelegte Abenteuerspielplatz, sondern der dahinterliegende Wald, der die Kinder zum Spielen einlädt. Doch worin liegt diese Anziehungskraft begründet? Warum zieht es die Kinder in die Natur?  

Die Natur als Entwicklungsraum

Für uns Erwachsene ist die Natur meist ein Ort zum Entspannen, Entschleunigen und Erholen. Für Kinder jedoch ist sie weit mehr, sie ist Entwicklungsraum. Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther beschreiben dies folgendermaßen: „Natur ist für Kinder so essenziell wie gute Ernährung. Sie ist ihr angestammter Entwicklungsraum. Hier stoßen die Kinder auf vier für ihre Entwicklung unverhandelbare Quellen: Freiheit, Unmittelbarkeit, Widerstandsfähigkeit, Bezogenheit“ (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 9) 

Den größten Teil der Menschheitsgeschichte verbrachten wir draußen in der Natur. Auch die Kinder machten ihre essenziellen Lebenserfahrungen dort. Und heute? Heute wachsen Kinder nicht mehr in der Natur auf. Vielmehr findet diese kaum noch einen Platz in unserer modernen, strukturierten Welt. Und doch ist sie da, in den Spielen der Kinder – beim Bau von Höhlen und Hütten, beim Sammeln von Kastanien oder auch bei Urmotiven im kindlichen Spiel, wie der Jagd. Auch die vier Elemente sind immer wiederkehrende, beliebte Spielmotive insbesondere Feuer und Wasser haben eine unfassbar starke Wirkung auf Kinder. Man denke nur an ein Kleinkind, welches mit einem Wasserstrahl spielt. Vollkommen vertieft und hochkonzentriert, wieder und wieder versucht es, das Wasser aufzufangen, von seiner Bahn abzulenken, in einen Becher zu füllen (vgl. ebenda, S. 38f). 

Faszination Natur

Worin liegt dieser Reiz begründet? Welche besonderen Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich in der Natur? Sie bietet eine besondere Vielfalt an verschiedenen Reizen für das Kind, ohne dass dies jedoch zu einer Reizüberflutung führt. Die Natur bietet durch ihre reiche Auswahl jedem Kind die angemessene Umgebung, um sich seiner jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung zu stellen. Dabei müssen sie mit den Unwegsamkeiten der Natur umgehen – diese passt sich nicht den Bedürfnissen der Kinder an, sondern umgekehrt müssen sich die Kinder der Natur anpassen sie werden widerstandsfähig, resilient. Ich denke hier besonders an die Glücksmomente, die Kinder (und auch Erwachsene) empfinden, wenn eine Herausforderung nach zahlreichen Fehlschlägen gelingt und sich das befriedigende und prägende Gefühl der Selbstwirksamkeit einstellt. Im Umgang mit der Natur wird dabei in besonderer Weise ein ganzheitliches Lernen ermöglicht. Hier ist der, besonders für jüngere Kinder bedeutsame, sinnliche Zugang gegeben. Im Zentrum steht die Unmittelbarkeit der Erfahrungen. Ingrid Miklitz fasst dies folgendermaßen zusammen: „Der Naturraum bietet ideale Voraussetzungen für Erfahrungen an realen Objekten, Sinneserfahrungen aus erster Hand. Und diese Objekte verströmen je nach Tages- und Jahreszeit spezifische Düfte und Laute. Sie verändern ihr Aussehen im Tages- und Jahreslauf, erscheinen in wechselnden Lichtqualitäten immer wieder aufregend und anregend anders“ (Miklitz 2019, S. 33). Die Natur und ihre Phänomene regen die Kinder zum Forschen, Entdecken und Nachdenken an. Sie bieten den Kindern einen nicht vorstrukturierten Rahmen. Dadurch haben sie die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, eigene Lernerfahrungen zu machen und somit in besonderer Weise Freiheit, Autonomie, aber auch, wie bereits erwähnt, Selbstwirksamkeit zu erleben. Sie können sich vollständig in ihrem Tun verlieren und mitunter sehr stimmige Situationen erleben. Situationen, die für die Kinder verstehbar, handhabbar und bedeutsam sind – kurz gesagt: kohärent. 

Eine besondere Bedeutung kommt der Kindergruppe selbst zu. Viele Herausforderungen, wie der Bau einer Hütte oder eines Lagers, lassen sich nur gemeinsam meistern. Die Kinder müssen als Gruppe agieren und erleben so Verbundenheit zu anderen Menschen. Dürfen oder sollen Kinder daher nur noch draußen sein? Nein, Außen- wie Innenräume haben ihre Daseinsberechtigung. „Manche Erfahrungen können am besten draußen gemacht werden, manche am besten drinnen. Manche drinnen und draußen. Es gilt also nicht die Welt draußen gegen die Welt drinnen in Stellung zu bringen (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 64).  

Überträgt man dies auf die Bildungsbereiche, zeigt sich, dass einige Bildungsbereiche besonders von der Umsetzung „draußen“ profitieren. Wo lässt sich besser forschen und entdecken als in der Natur? Die Kinder stolpern hier nahezu über Naturphänomene, wollen diese ergründen und verstehen. Oder auch Bewegung? Keine noch so durchdachte Bewegungslandschaft kann jemals den Anreiz und die Vielfalt bieten, die die Kinder in der Natur vorfinden. Und auch die großen Fragen des Kreislaufes von Leben und Tod, Werden und Vergehen, stellen sich den Kindern vornehmlich draußen – wenn sie ganz einfach Menschen in der Welt sind. 

Blicken wir auf das Eingangszitat zurück: Bietet die Natur den Kindern eine Heimat? Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther beantworten dies mit einem klaren Ja. „Wir haben gesehen, dass Kinder, wenn sie Zugang zu natürlichen Orten haben, daraus tatsächlich so etwas wie Heimat bauen können. Sie gehen Bindungen ein. Und die entstehen oft durch ganz einfache, unmittelbare Erfahrungen – Körpererfahrungen, Gerüche, über elementare Naturerfahrungen. Und das, was sie da spüren, macht es ihnen leichter, die Welt als einen Ort zu erleben, der es gut mit ihnen meint. Wann würden wir das mehr brauchen als heute?“ (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 70). 

Quelle
Renz-Polster, Herbert; Hüther, Gerald (2019): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. 5. Auflage. Weinheim, Beltz  
Miklitz, Ingrid (2019): Naturraum-Pädagogik in der Kita. Freiburg im Breisgau, Herder  
Anmerkung: Zitat von Gary Snyder, Umweltaktivist und Autor, gefunden bei Hartmut Krinitz. Abrufbar unter: https://www.hartmut-krinitz.de/gedanken-zitate.html (zuletzt aufgerufen am 26.7.2020) 

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Zusammenarbeit mit Eltern – auf Distanz

Die Corona-Pandemie stellt Familien mit Kindern vor einer noch nie da gewesenen Herausforderung – Kitas und Schulen bleiben geschlossen und auch die Spielplätze dürfen trotz schönstem Sonnenschein nicht mehr besucht werden. Großeltern fallen als Unterstützung aus und auch der Besuch anderer Kinder sollte aufgrund der Ansteckungsgefahr vermieden werden. Das bedeutet für viele Familien, die Betreuung ihrer Kinder mit office at home zu verbinden. Ein Spagat, der kaum gelingen kann – da fällt es schwer, die eigentlich so wertvolle, intensive Zeit mit den Kindern zu genießen. Kinderprogramm von 7:00-20:00 Uhr, dazwischen noch schnell ein paar Mails, Telefonate und Telefonkonferenzen. Häufig sogar noch im Wechsel mit dem/der Partner*in – oder noch schwerer, ganz alleine. Wenn die dann Kinder im Bett sind, heißt es nicht „Füße hoch legen“, sondern „ran an den Schreibtisch“. Das schlaucht und führt unweigerlich zu Spannungen. Familien, die ihren Jobs noch ganz regulär außer Haus nachgehen müssen, stehen häufig vor noch größeren Herausforderungen.

Wer versteht eigentlich, was gerade vor sich geht?

Sowohl Privat- als auch Berufsleben stehen Kopf. Der bisherige Arbeitsalltag muss häufig komplett umgestaltet werden. Da zieht der Balkontisch kurzerhand ins Schlafzimmer und wird zum Arbeitsplatz upgegradet. Auf einmal sind alle Familienmitglieder fast permanent Zuhause. Doch anders als im Urlaub oder in den Ferien haben Mama und Papa keine Zeit – denn sie müssen weiter arbeiten. Dazu kommt die Unsicherheit bei Eltern und Kinder – wenn schon wir Erwachsene kaum verstehen, was gerade vor sich geht, wie sollen das Kinder verstehen? Auch für sie ist die Situation nicht leicht, sie brauchen und fordern Beschäftigung – ist es in den ersten Tagen noch lustig, bis mittags im Schlafanzug zu bleiben und in aller Ruhe die eigenen Spielsachen zu erkunden, so kommt schnell auch Langeweile auf. Es fehlen der Trubel und die Angebote in der Kita, die Freunde und Mitarbeiter*innen. Wenn dann auch noch jedwedes weitere Angebot, wie das Tanzen, Turnen, der Spielplatz, ein Besuch um Schwimmbad oder Museum wegfällt, ist der Lagerkoller vorprogrammiert.

Wie können wir den Eltern helfen?

Wie kann die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft aufrecht gehalten werden? In Kontakt bleiben – zeigen Sie den Eltern, dass Sie noch da sind, dass Sie an die Eltern und Kinder denken.
Berichten Sie, was Sie im Haus machen, welche spannenden neuen Dinge auf die Kinder warten, wenn sie zurückkommen. Für Kinder ist es oft hilfreich, den üblichen Tagesablauf bei zu behalten – erzählen Sie, wie Ihre Kiko abläuft, welche Lieder Sie mit den Kindern singen und welche anderen wichtigen Ankerpunkte die Kinder im Alltag haben. Dann können die Eltern diese auch Zuhause umsetzen. Teddy, Puppe und Co. spielen sicher gerne die anderen Kinder im Singkreis.

Geben Sie den Eltern Ideen mit, was sie mit den Kindern machen können – ganz einfach und Zuhause ohne großen Aufwand, aber mit viel Spaß. Bastelideen, kleine Bewegunglandschaften für Zuhause, Ratespiele,… Geben Sie Tipps für Bücher oder Brettspiele. Vielleicht will der Koch oder die Köchin ja auch ein paar Rezepttipps verraten.

Hilfreich sind für Eltern sicher auch Hinweise, wie sie ihren Kindern die aktuelle Lage angemessen erklären können. So können Sie auf ganz vielfältige Weise mit den Eltern in Kontakt bleiben und Ihren Beratungsauftrag weiter oder vielleicht mehr denn je erfüllen. Die Eltern werden dies mit Sicherheit dankend annehmen.

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