Digitalisierung sei Dank: Mehr Zeit für unsere Kinder!

Verträge manuell ausfüllen und ablegen, Beitragsanpassungen händisch zuordnen, Standard E-Mails oder gar Briefe an die Eltern schicken – das ist bei element-i bald Geschichte. Die neue, digitale Komplettlösung smartkita wird aktuell eingeführt. Mit dem Ziel, Prozesse und Abläufe zu automatisieren und damit zu vereinfachen, Papier zu sparen und damit vor allem mehr Zeit und Raum für Arbeit mit den Kindern zu schaffen. Von der digitalen Weiterentwicklung profitieren besonders: die Kita-Teams in den Kinderhäusern, die Kinder und die Eltern.

Vor ihrer endgültigen Einführung wurde die Software auf Herz und Nieren geprüft, um sie maßgeschneidert an die vorhandenen Bedarfe abzustimmen. Im ersten Roll-out arbeiten das Kundenmanagement, die Kita-Teams mit ihren Leitungen und die Buchhaltung mit smartkita. „Wir freuen uns sehr darüber, dass die Erstellung der Verträge nun auf Knopfdruck erfolgt und die Platzvergabe optimiert wird, weil das System mitdenkt: Kommt eine Kündigung, wird automatisch ein Vorschlag für eine neue Platzbelegung erstellt. Das spart Zeit und Nerven der Kolleginnen und Kollegen“, betont Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Trägernetzwerks Konzept-e.  

Weitere Funktionen, die für element-i zum Einsatz kommen, sind unter anderem ein smartes Wartelistenmanagement, die automatische Erstellung und Steuerung von Verträgen und die Berechnung der Forderungen sowie eine digitale Kinderakte, die alle relevanten Dokumente und Informationen zum Kind und dessen Betreuungssituation beinhaltet.

Dokumentations- und Kommunikationshilfe für Erzieher*innen  

Nach Einführung der Verwaltungssoftware von smartkita wird nun die zugehörige KitaApp implementiert: „Für die Erzieherinnen und Erzieher wird der Organisations- und Dokumentationsaufwand weniger, da sie über die App schnell und einfach den Kita-Alltag organisieren können“, ergänzt Weegmann. Per Klick können sie beispielsweise Kinder an- und abmelden, haben für die vereinfachte Bildungsdokumentation jederzeit alle Daten auf einen Blick und können zudem über die App mit den Eltern kommunizieren. „Das Beste daran ist aus meiner Sicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch diese Optimierung viel mehr Zeit für das Wesentliche, nämlich für unsere Kinder, haben.“ Für die Einführung der KitaApp stattete Konzept-e die Kinderhäuser mit neuen Tablets aus. In allen Einrichtungen werden ausreichend mobile Endgeräte eingesetzt.

Optimierung der Elternkommunikation

Zu den täglichen Aufgaben der Erzieher*innen zählt die Elternkommunikation. Für beide Parteien gehört das zu einer funktionierenden Erziehungspartnerschaft. „Nach der KitaApp werden wir auch noch die mehrsprachige ElternApp einführen. Damit haben die Eltern die Möglichkeit, schnell und einfach mit uns zu kommunizieren. Und wir können ihnen ebenso schnell und einfach die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Die ElternApp soll nie den persönlichen Austausch ersetzen. Aber sie unterstützt den Informationsfluss und erlaubt, sich in den Gesprächen auf das Wesentliche zu konzentrieren“, weiß Waltraud Weegmann. Gerade Vertragsthemen, die bisher über die Erzieher*innen und Teamleitungen ans Kundenmanagement oder die Buchhaltung gegeben wurden, können mit der Umstellung direkt im System von den Eltern eingegeben und automatisch bearbeitet werden. „Diese neue Funktion nimmt ein Stück weit auch die Eltern in die Verantwortung, dass beispielsweise die persönlichen Daten stimmen. Zum anderen haben sie dadurch aber auch die Möglichkeit, ihre Daten selbst zu überprüfen, können Einverständnisse erteilen oder Veränderungen mitteilen.“ 

Die Umstellung in den drei Bereichen findet nach und nach statt.

Über smartkita

smartkita ist eine digitale Komplettlösung für Träger, Kommunen, Pädagog*innen und Eltern, die das gesamte System Kita erfasst und vernetzt. Das Stuttgarter Start-up will die wachsenden, kommunikativen, administrativen und organisatorischen Aufgaben des Kita-Alltags vereinfachen, sodass vorhandene (personelle) Ressourcen zielgerichtet – also in Richtung Kind – eingesetzt werden können. 

Mehr von Christian Klar

element-i macht Musik – in Schulen und Kinderhäusern

Im Interview mit den beiden Musikpädagoginnen Monika Sundermann (element-i Schule in Karlsruhe) und Franziska Kleinert (element-i Schule in Stuttgart)

Wissenschaftler*innen erforschen schon lange, inwiefern Musik bzw. das Musizieren unsere kognitiven Fähigkeiten stimuliert, ja sogar verbessert. Es ist auf jeden Fall bewiesen: Wer sich mit Musik befasst, sie hört, fühlt, sich nach ihrem Rhythmus bewegt, vielleicht im Grundschulalter ein Instrument gelernt hat, verfügt über eine bessere Feinmotorik. Musik kann aber noch mehr: Sie fördert neben der Sprachentwicklung und der Koordination auch die Kreativität der Kinder und hilft ihnen, sich Gelerntes besser zu merken. Musik sorgt für emotionale Ausgeglichenheit, fördert das Sprachgefühl und das Zuhören, vermittelt Geborgenheit und Lebensfreude und hilft, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.

Im element-i Bildungshaus Karlsruhe koordiniert Monika Sundermann das Konzept „element-i macht Musik“. Gemeinsam mit vielen musikbegeisterten Kolleg*innen und externen Partner*innen schafft sie kindgerechte Musikangebote. In Stuttgart setzt die Musiktherapeutin, Musikerin und freie Musiklehrerin Franziska Kleinert das Konzept für element-i um. Wir haben beide im Interview dazu befragt.

Aus welcher Motivation heraus ist das Projekt „element-i macht Musik“ entstanden?

Sundermann: Wir wünschen uns, dass alle Kinder Musik entdecken können. In einem element-i Bildungshaus verbringen Kinder von sechs Monaten bis zum jungen Erwachsenenalter ihren Tag. Durch eine Initiative der Geschäftsführung und der element-i Bildungsstiftung profitieren sie nun auch von einem großen musikalischen Angebot.

Warum ist das Erlernen eines Instruments und die professionelle musikpädagogische Begleitung für Kinder so wichtig?

Kleinert: Zum einen natürlich, weil Musik einfach Spaß macht. Wenn man gemeinsam musiziert, stärkt es das Gemeinschaftsgefühl. Zum anderen stimuliert Musizieren auch das Gehirn. Es fördert die Sprachentwicklung und die Koordination, ebenso wie die Konzentrationsfähigkeit und die Motorik.

Sundermann: [nickt] Das stimmt. Musik ist so facettenreich und genau das ist es, was ich als Musikpädagogin vermitteln möchte. Musik kann die Kinder in allen Bildungsbereichen unterstützen und Lerninhalte auf spielerische Weise vermitteln. Notenwerte können zum Beispiel mit der Mathematik verbunden werden: Halb und Viertel werden in der Musik dann erfahr- und hörbar.

Und wenn ein Kind gar keine Lust auf Musik hat?

Sundermann: Die Freiwilligkeit steht bei unseren Angeboten immer im Vordergrund. Jedes Kind kann selbst entscheiden, ob es zum Beispiel lieber am Cello-Schnupper-Kurs teilnehmen möchte oder sich im Rappen oder beim Chorsingen ausprobiert. Alles ist möglich, aber es ist auch möglich, sich nicht dafür zu entscheiden. Wir geben auf der anderen Seite auch notwendige Impulse: Die morgendlichen Konferenzen starten wir mit Gesang und rhythmischen Spielen. So erlernen alle Kinder ein Liedrepertoire. Ausflüge zu Konzerten könnten zum Beispiel ebenfalls ein Anreiz für das Kind sein, sich der Musik – mehr – zu öffnen.

Wie integrieren Sie Ihr Konzept in den Musikunterricht?

Sundermann: Bei uns in Karlsruhe gibt es keinen klassischen Musikunterricht, vielmehr integriert sich die Musik in unser element-i Konzept: In der Konferenz stellen Pädagog*innen und Kinder Impulse vor, die eine Vielzahl schulischer Themen abdecken – so eben auch musikalische Angebote, zum Beispiel: „Ich biete heute an, im Musikraum mit dem Glockenspiel zu musizieren.“ Als Musikpädagogin bereite ich einen roten Faden vor, der ein bestimmtes Lernziel beinhaltet, zum Beispiel ein Stück einzuüben oder die Kinder mit Notenwerten vertraut zu machen. Ich bin aber auch immer offen für die Ideen der Kinder, denn sie gestalten den Impuls mit ihren Fähigkeiten, Fragen und Einfällen.

Welche Kurse werden angeboten?

Kleinert: In Stuttgart gibt es derzeit Angebote fürs Trommeln und Body Percussion. Dabei erzeugen die Kinder Klänge mit dem eigenen Körper unter Zuhilfenahme von Händen, Füßen, Fingern und der Stimme. Außerdem haben wir ein Chor-Projekt und planen weiteren Instrumentenunterricht sowie eine Schulband.

Sundermann: In Kooperation mit der Musikhochschule Karlsruhe bieten wir unter anderem einen Instrumentalkurs-Schnupperkurs an, der vollständig von der element-i Bildungsstiftung finanziert wird. In den höheren Klassen des Bildungshauses gibt es eine Schülerband, die sehr selbstständig probt und spontan Auftritte macht.

Wann und wo finden die Kurse statt?

Kleinert: Vor- und nachmittags in der element-i Schule in der Breitwiesenstraße 8.

Sundermann: Bei uns gibt es die musikalische Früherziehung mit Sabine Grimm wöchentlich in der Kita. Trommeln mit Michael Korb für das Lernhaus 1+2 einmal wöchentlich. Den eben schon genannten Instrumental-Schnupperkurs jeden Mittwochnachmittag. Die Schülerband probt eigenständig unter der Leitung von Jonas Weinfurtner und Chorproben für die verschiedenen Lernhäuser finden freitagvormittags und donnerstagnachmittags statt.

Was bedeutet Ihnen persönlich Musik?

Sundermann: Musik ist ein Teil von mir, das habe ich schon immer gespürt. Musik weckt Erinnerungen und Gefühle, lässt mich tanzen oder träumen. Damit jetzt zu arbeiten, ist ein wahrgewordener Traum!

Kleinert: Ich habe als Dreijährige angefangen, Klavier zu spielen, mit 12 Jahren habe ich mich an ersten eigenen Liedern probiert. Die Leidenschaft zur Musik hat mich nie losgelassen. Musik war und ist eine Sprache, mit der ich mich ausdrücken kann.

Monika Sundermann am Klavier und Franziska Kleinert an der Gitarre.

Das Gespräch führte Christan Klar. Hier finden Sie mehr vom Autor.

Gemeinsam in der Schule fürs Leben lernen

„Was ist eine Herausforderung?“, fragt Lehrerin Christina Bayer ihre Schüler*innen während der Vorbereitung der anstehenden Projektarbeiten. Bei der Antwort sind sich alle einig: Eine Herausforderung ist etwas, das neu bzw. unbekannt ist und dazu auffordert, etwas zu tun, das die Person noch nie gemacht hat. „Wir entwickeln uns durch Herausforderungen im Leben weiter“, resümiert eine Schülerin. „Richtig“, ergänzt Bayer. „Und dabei ist es nebensächlich, ob wir an einer Herausforderung scheitern oder sie bewältigen. Denn das Gelernte zählt.“

Heute lernen, was morgen wichtig ist – unter diesem Motto begleiten die Pädagog*innen das Lernen in den element-i Schulen. Einen wesentlichen Bestandteil des Lernwegs bildet dabei die Projektzeit. Darin entwickeln die Schüler*innen eigene Projekte, zum Beispiel zum Thema Herausforderung. Ziel ist es, sie zu befähigen, die Herausforderungen der Zeit anzupacken und ihnen mit Mut, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität zu begegnen. Auch in der neuen gymnasialen Oberstufe, die im September 2023 startet, werden die Schüler*innen sich Projektarbeiten widmen. „Die Ergebnisse, die uns präsentiert werden, bestätigen uns immer wieder, wie wichtig es ist, dass junge Menschen über den Tellerrand schauen dürfen. Und bereits im Vorfeld sprudeln die Ideen, unter welchem Themendach sie ihr Projekt gestalten wollen. Das macht Spaß – sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch uns Lehrerinnen und Lehrern“, betont Christina Bayer, Teamleitung der element-i Grund- und Gemeinschaftsschule (Lernhaus 7-10).

In der Praxis: Schüler*innen berichten 

Selbstständig wohnen und arbeiten

 

Hallo, ich heiße Emely und besuche die 10. Klasse. Gemeinsam mit Alexi und Malou haben wir uns zwei Herausforderungen gestellt: Zum einen haben wir 10 Tage lang allein in Malous Wohnung (im Haus ihrer Eltern) gewohnt und uns dabei vegan ernährt. Wir waren gemeinsam einkaufen – was ziemlich anstrengend war, weil wir kaum vegane Produkte gefunden haben –, haben uns einen Essensplan gemacht, gemeinsam gekocht, Geschirr gespült, geputzt und meistens noch Gesellschaftsspiele gespielt. Zum anderen haben wir auf einem Gnadenhof gearbeitet. Wir haben ausgemistet, uns um die Tiere gekümmert, das Futter geschnitten und den Pferden beim Inhalieren geholfen.  

Was war das Besondere an deinem Projekt?  

Helfen ist gut, besonders auf dem Gnadenhof.  

Was war deine persönliche Herausforderung? 

Das gemeinsame Wohnen. Wir haben uns hin und wieder in die Haare bekommen, weil jeder etwas anderes wollte.  

Was nimmst du für deine Zukunft mit?  

Ich will niemals in eine WG ziehen!  

Dass vegan sein gar nicht so schwer ist und außerdem viel gesünder. Ich war deutlich fitter, denn man isst einfach mehr Gemüse und Obst.

Ein Elektro-Kettcar bauen 

 

Wir sind Julius, Klasse 9, und Linus, Klasse 8. Unsere Herausforderung: Wir wollten ein normales Kettcar motorisieren und haben das zuvor noch nicht gemacht. Daher sind wir folgendermaßen vorgegangen: Wir haben im Vorfeld mit Experten gesprochen, mit Schweißern und Elektrikern, ob unsere Idee funktionieren kann. Außerdem hatten wir uns im Internet über den Motor und die Batterien informiert, was man dabei beachten muss und wie viel Ampere für wie viel Zeitstunden nötig sind.

Was war das Besondere an eurem Projekt?  

Es war sehr umfangreich, sehr komplex und auch etwas gefährlich, weil wir mit Strom gearbeitet haben. 

Was war eure persönliche Herausforderung? 

Linus: Das alles zu organisieren und zu strukturieren, das Bauen war kein Problem. 

Julius: Einen kühlen Kopf zu bewahren und auch manchmal die Unstimmigkeiten zwischen Linus und mir. 

Was nimmst du für deine Zukunft mit?  

Linus: Dass mir „Technisches Werken“ viel Spaß macht.  

Julius: Dass man sich gut auf Projekte vorbereiten muss und nicht auf gut Glück arbeiten kann.

mehr von Christian Klar

Brauchen Kinder Glück in der Schule?

Im Interview Dr. Ernst Fritz-Schubert, der Erfinder des Schulfachs Glück – der neue, etwas andere Seminarkurs in der geplanten Gymnasialen Oberstufe im element-i Bildungshaus Karlsruhe.

Freiheit und Glück werden seit der Antike in der Literatur in ein einander bestimmendes Abhängigkeitsverhältnis gesetzt – das eine kann es ohne das andere nicht geben. Aber welche Freiheit ist tatsächlich gemeint, ohne die der Mensch scheinbar nicht glücklich sein kann? Bin ich glücklich, wenn ich tun und lassen kann, was ich will? Macht Grenzenlosigkeit glücklich?

In der element-i Pädagogik wird (das innere) Glück vielmehr mit Kohärenz in Verbindung gesetzt, dem inneren, stimmigen Zusammenhang zwischen den Gegebenheiten der Welt, den Anforderungen an den Einzelnen und dessen Möglichkeiten, damit umzugehen. Nicht, weil ich frei bin, zu tun, was ich möchte, kann ich glücklich werden, sondern weil ich über Ressourcen verfüge, die die Welt für mich verstehbar, handhabbar und damit sinnhaft machen.

Mit anderen Worten: Als Menschen können wir nicht immer kontrollieren, was und wie geschieht, aber wir können sehr wohl kontrollieren, wie wir damit umgehen und die Konsequenzen unserer Handlung abschätzen. Und diese innere Freiheit kann – im besten Fall – glücklich machen.

Die Frage nach dem Glück haben wir auch Dr. Ernst Fritz-Schubert, Direktor des Fritz-Schubert-Instituts, gestellt. Als Leiter einer Heidelberger Schule führte er im Jahr 2007 erstmals in Deutschland das Schulfach Glück ein. Und mit der geplanten Einführung der Gymnasialen Oberstufe im Bildungshaus Karlsruhe zum Schuljahr 23/24 wird es den Seminarkurs Glück künftig auch für element-i Schüler*innen geben.

Herr Dr. Fritz-Schubert, was ist Glück?

Es gibt drei Arten von Glück: Zufallsglück, Glücksmoment und Lebensglück/Lebenssinn.

Glück fällt nicht nur als Zufall vom Himmel, wir dürfen ihm auch auf die Sprünge helfen. Vielleicht fordert die Natur sogar von uns Menschen, dass wir unser eigenes Glück schmieden und danach streben. Glücksmomente entstehen nämlich auch als Belohnung unseres Tuns. Was wäre aus uns ohne die kleinen und großen Glücksmomente unserer Vorfahren geworden? Nur das Streben nach Glück hat die Menschen dazu bewegt, Werkzeuge zu entwickeln und sich mit Speeren auf die gemeinsame Jagd nach dem Säbelzahntiger zu machen und sich weiterzuentwickeln.

Es gibt ein Sprichwort, das besagt und Sie sagen es ja auch: „Jeder ist seines Glückes Schmied…“ – oder kann es eben sein! Was benötigt man denn zum Glücklichsein? Wie spielen externe Faktoren, auf die ich keinen Einfluss habe, eine Rolle? Können Sie in einfachen Worten sagen, wie ich Glücklichsein lernen kann?

Zum Leben gehören natürlich auch negative Gefühle. Durch sie lernen wir, dass nicht alles im Leben auf Erfolg ausgerichtet sein kann und nicht alles gelingt. Die Fülle des Lebens bleibt daher unberechenbar mit Gegensätzen und Widersprüchen, mit Gelingen und Misslingen und das ist gut so.

Doch woher kommt dieses Talent – das Streben nach Lebensglück – oder „schlechter“ formuliert, die sogenannte Glückskompetenz? Manche Forscher behaupten 50 % sind ererbt, 10 % sind äußere Bedingungen. Sicherlich sind manche Menschen lebenslustiger, von Natur aus offener, zugewandter, verträglicher und gewissenhafter als andere. Und manchmal kommt es auf die äußeren Umstände an. Aber vergessen wir nicht, dass neben den vorgegebenen 60 % noch 40 % übrigbleiben, um sich weiterzuentwickeln, verantwortungsvoll sich selbst und andere zu lieben, Sinn im Leben zu finden und dadurch Lebensfreude zu spüren.

Sie sind der Erfinder des „Schulfachs Glück“, das demnächst auch Teil des Lehrplans der gymnasialen Oberstufe in der weiterführenden element-i Schule in Karlsruhe werden soll. Hätten Sie selbst gern „Glück“ in der Schule gehabt?

Ja, natürlich (lacht). Doch damals war Schule „nur“ eine Einrichtung der Wissensvermittlung, der Sozialisation und Selektion. Die Schule des 21. Jahrhunderts ist mehr. Durch die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist sie zugleich auch Anwalt der Heranwachsenden zur Sicherung deren körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Sie ist als Institution der Gesellschaft verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus unerfahrenen Kindern und Jugendlichen lebenstüchtige, engagierte selbstbestimmte und demokratisch denkende und handelnde Erwachsene werden. Außerdem hat die Schule des 21. Jahrhunderts laut Kultusministerkonferenz einen auf Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung abzielenden Bildungsauftrag, der in besonderer Weise die Potenzialentwicklung von Einzelnen und Gruppen unterstützen soll.

Und Lernen und Potenzialentwicklung passt eben nur zusammen, wenn das Lernen ganz bewusst mit einem Gefühl der Lust als eine tief befriedigende und den eigenen Horizont erweiternde Tätigkeit erlebt werden kann.

Wenn man sich heute bei den Kindern und Jugendlichen so umschaut, wirkt es dank Smartphones, Selfies, Instagram und Co. vielmals so, als seien alle sehr auf sich fokussiert, teilweise isoliert. Welche Rolle spielen das Ich und die Gruppe beim Glücklichsein? Wie kann es gelingen, die Gruppe als Kraftquelle zum eigenen Glück zu erkennen?

Es wirkt zwar so, als seien die Kinder und Jugendlichen auf sich fokussiert, aber in Wirklichkeit geht es mehr um ihre Außenwirkung, die durch digitale Möglichkeiten scheinbar besser gelingen. Wir beobachten insbesondere drei Trends, die uns eine Antwort auf die Frage geben:

  1. Wir erkennen eine zunehmende Selbstverwertung durch die eigene Darstellung im Netz. Alles, was die Außendarstellung, das Fremdbild verbessern könnte, wird „gepostet“. Das kann auf die Dauer sehr anstrengend sein. Außerdem kann der Vergleich mit anderen im Fall der Unterlegenheit sehr unglücklich machen.
  2. Es entsteht eine zunehmende Fragmentierung, d.h., dass die Kinder und Jugendlichen in unterschiedlichen sozialen Netzwerken unterschiedliche Positionen bzw. Haltungen verkünden müssen, um dazuzugehören. Das schränkt die Identitätsfindung ein. Die jungen Menschen wissen am Ende dann nicht mehr, wer sie sind, was sie brauche, was sie können und was sie wollen.
  3. Es ist eine zunehmende Algorithmisierung zu beobachten. Wenn alles digitalen Algorithmen folgt, dann schränkt das die Freiheit der Entscheidung ein. Mangelnde Selbstbestimmung und der Verlust der eigenen Wirksamkeitserwartung kann zu einer Erdulder- oder Opferrolle führen, die die Lebensgestaltung und das Lebensglück verhindern kann. Um das Gegenüber oder die Gruppe als Kraftquelle zu erkennen, bedarf es entsprechend Erfahrung durch gute Erlebnisse. Dazu gehören zum Beispiel die wahrgenommene Hilfe, die Wertschätzung oder die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Die Philosophie hinter der element-i Pädagogik und Ihr Wunsch, die Persönlichkeit und das ganzheitliche Wohlbefinden zu stärken, harmonieren sehr gut miteinander. Schon immer lernen unsere Schüler*innen mehr als der staatliche Bildungsplan vorgibt. Wie kann „Glück“ sie auf ihrem Lebensweg zusätzlich unterstützen?

Das Schulfach Glück kann durch die vielfältigen Übungen und Methoden einen wichtigen Beitrag leisten und auf dem Lebensweg unterstützen. Die Sinnsuche, das Gefühl von Freiheit und das Gefühl von Geborgenheit gehören zu den Grundbedürfnissen von uns Menschen. Bleiben einzelne Bedürfnisse unerfüllt, verdüstern sich unsere Emotionen z.B. durch Wut, Angst oder Trauer. Umgekehrt können wir wahre Glückgefühle erleben, wenn wir das tun, was uns wichtig und wertvoll ist, selbstbestimmt handeln oder in der Gruppe Sicherheit und Geborgenheit erleben.

Menschen sind individuelle und soziale Wesen, die frei sein wollen. Zugleich streben sie aber auch nach Verbundenheit, Wertschätzung und Anerkennung. Die element-i Philosophie bringt die beiden Aspekte zusammen und sagt zugleich: Freiheit ist, dass man tut, was man will, weil man darüber nachgedacht hat, was das in der Folge bedeuten könnte. Und für diese Konsequenzen auch die Verantwortung übernimmt. Im Grunde bedeutet Freiheit, dass wir auch bejahen, was aufgrund unseres Handelns passieren wird. Wie würden Sie (innere) „Freiheit“ definieren? Hat Freiheit etwas mit Glück zu tun?

Das Gefühl von innerer Freiheit, also seine zur Verfügung stehenden persönlichen Fähigkeiten ohne Zwang oder Druck zu nutzen, hat, wie gesagt, sehr viel mit Glück und Zufriedenheit zu tun. Menschen, die nur von unreflektierten Impulsen getrieben werden oder auf Grund von Manipulation oder als Mitläufer eines allgemeinen Trends handeln, können sehr schnell das Gefühl von Sinnlosigkeit des Daseins verspüren, das zu depressiven Stimmungen bis hin zu psychischen Erkrankungen führen kann. Die Fähigkeit, seine eigenen Fähigkeiten zu nutzen und einzusetzen und selbstbestimmt handeln zu können, wird durch den ressourcenorientierten und logotherapeutischen Ansatz im Glücksunterricht gefördert.

Wir von element-i danken Herrn Dr. Fritz-Schubert herzlichst für das inspirierende und sehr interessante Gespräch!

Bildquelle Uwe Anspach/DPA

Den Kinderrechten auf der Spur

Kinder haben Rechte. Schon seit über 30 Jahren. Wussten Sie nicht? Viele Menschen in Deutschland wissen das leider auch (noch) nicht. Aber: Kinderrechte sind Menschenrechte. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes gehört zu den internationalen Menschenrechtsverträgen der Vereinten Nationen (UN). Die Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von der Generalversammlung der UN verabschiedet.

Und weil viele es nicht wissen, ist es der element-i Bildungsstiftung eine Herzensangelegenheit, die Kinderrechte bekannter zu machen und deren Einhaltung zu fördern. Wir sind der Meinung, dass demokratisch handeln eben auch heißt, Kinder – wo immer es möglich und ihrer Entwicklung angemessen ist – teilhaben zu lassen. Als Erwachsene müssen wir anerkennen, dass Kinder in alle Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, einbezogen werden sollten. Wir müssen aber noch mehr tun, als Kindern ihre Rechte zuzugestehen – wir müssen diese auch wahren und dafür einstehen.

Für element-i Pädagog*innen gehört es bereits seit vielen Jahren zum Selbstverständnis, für Kinderrechte einzustehen. Und da Kinder viel Zeit in pädagogischen Einrichtungen wie Kita, Schule oder Hort verbringen, möchten wir auch Einrichtungen außerhalb unseres Trägernetzwerks und deren Fachkräfte dabei unterstützen, die Kinderrechte im Alltag umzusetzen und dafür einzustehen.

Mitmach-Aktion: Den Kinderrechten auf der Spur

Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner „Kinderpartizipation Württemberg“ haben wir ein Projekt angestoßen, in welchem Sie als pädagogische Fachkraft die Chance haben, sich gemeinsam mit den Kindern den Kinderrechten zuzuwenden und darüber auszutauschen.

Schlüpfen Sie mit den Kindern in die Rolle von Detektiv*innen und sammeln Sie dort „Spuren“, wo ein Kinderrecht besonders gut gewahrt wird oder wo es vielleicht Aufholbedarf gibt. Das kann innerhalb der eigenen Einrichtung passieren oder auch im sozialen Umfeld der Kinder sein. Worum es genau in dem Projekt „Der Kinderrechte-Check: Kinderrechten auf der Spur“ geht und was Sie damit tun können, erklären wir Ihnen auf unserer Webseite.

Mit Kindern über ihre Rechte sprechen

In Begleitung zur Aktion, aber auch zum späteren, dauerhaften Einsatz, haben wir das Reflexionspapier „Kinder haben Rechte – lasst uns darüber reden!“ entwickelt. Es enthält neben kindgerechten Erklärungen zu den zehn wichtigsten Kinderrechten eine Sammlung von Fragen, über die Sie mit den Kindern – sowie untereinander – ins Gespräch kommen können.

Wir sind uns sicher, wenn wir Kinder im Bewusstsein auf ihre Rechte auf ihrem Bildungs- und Entwicklungsweg begleiten, können sie ihre Potenziale voll ausschöpfen und zu starken, ausdauernden, kreativen und liebevollen Persönlichkeiten heranwachsen, die sich und die Welt reflektieren und Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.

Hier geht’s zum Kinderrechte-Check!

 

Mehr von Christian Klar

Mehr von Franziska Pranghofer

Nachhaltigkeit: BNE in der frühkindlichen Bildung 

Für uns und die nachfolgenden Generationen müssen wir uns die Frage stellen, wie wir in Zukunft leben wollen. Weltweite Herausforderungen, wie Armut, Pandemien oder der steigende Meeresspiegel, betreffen uns alle und können nur von allen gemeinsam gelöst werden. Dieser Gedanke einer weltweit vereinten und gemeinsamen Herangehensweise zur Lösung steckt damit auch hinter der Formulierung der so genannten Global Goals.  

Mit der Vision, eine friedliche und nachhaltige Gesellschaft zu gestalten, haben die Vereinten Nationen daher im Herbst 2015 die globale Nachhaltigkeitsagenda verabschiedet. 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss.  

Um diese Ziele zunächst einmal zu verstehen und in den eigenen Kontext einzuordnen, muss jeder Einzelne nachvollziehen können, welche Auswirkungen das eigene Handeln auf die Welt hat. So entstehen aus den Nachhaltigkeitszielen wiederum Lernziele, durch die Menschen zu einem zukunftsfähigen Denken und Handeln befähigt werden sollen. In dem Zusammenhang steht das Kürzel „BNE“ für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung. „Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft, würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. Eine solche gesellschaftliche Transformation erfordert starke Institutionen, partizipative Entscheidungen und Konfliktlösungen, Wissen, Technologien sowie neue Verhaltensmuster.“ (bne-portal.de, Bundesministerium für Bildung und Forschung) 

In der element-i Pädagogik wird jedes Kind individuell nach dessen Interessen und Fähigkeiten gefördert und gefordert, damit es sich zu einem selbstständigen, mündigen und starken Erwachsenen entwickelt, der sich und die Welt reflektiert und Verantwortung für sein Handeln übernimmt. 

Früh übt sich

Wer sein Handeln und dessen Auswirkungen auf die Welt versteht, der ist auch in der Lage, verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Der Grundstein dafür sollte also bereits bei den Kleinsten gelegt werden. Bereits in der frühkindlichen Bildung können Kindern zukunftsrelevante Fragestellungen auf eine spielerische, altersgerechte Art angeboten werden, um sie so für BNE-Themen zu sensibilisieren.  

Konzept-e macht sich als Trägernetzwerk seit Jahren stark für Themen wie Globales Lernen, BNE, die Umsetzung der Global Goals und eine sinnstiftende Naturraumpädagogik. Aus diesem Grund haben die element-i Bildungsstiftung und die Freie Duale Fachakademie für Pädagogik, die Global Goals Aktionstage ins Leben gerufen. 

Verschiedene Kinderhäuser, wie beispielsweise die element-i Betriebskindertagesstätte der Firma Weleda in Schwäbisch Gmünd, sind ebenfalls bereits auf einem guten Weg. Das Kinderhaus Weleda ist einer von vielen Akteur*innen des Netzwerks Kita-weltbewusst 2030 und setzt sich für mehr Sichtbarkeit von BNE in der frühkindlichen Bildung ein.  

Warum eigentlich Bildung?

Ja, warum? Könnten nicht Gesetze die Voraussetzungen für nachhaltige Entwicklung viel besser durchsetzen? Nein, denn gute Bildung geht über reines Faktenwissen hinaus. Gute Bildung ermöglicht es Menschen, Fähigkeiten zu entwickeln wie etwa: 

  • vorausschauendes Denken, 
  • interdisziplinäres Wissen, 
  • autonomes Handeln, 
  • und die Teilnahme an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. 

BNE dient also nicht nur dazu, Nachhaltigkeitsthemen, wie Klimaschutz und Biodiversität zu thematisieren, sondern gestaltet Lernen auf interaktive Weise, um forschendes, aktionsorientiertes und transformatives Lernen zu ermöglichen. Mitmachen fördert kritisches Denken, Teamfähigkeit und weitere Fähigkeiten. Ganz nach dem element-i Motto #eskommtaufmichan. 

Mehr von Christian Klar

„Ich wünsche mir mehr Mut und Experimentierfreude an den Schulen“

Schule der Zukunft muss sich auf dauernden Wandel und dauernde Veränderung vorbereiten. Sich selbst und andere, insbesondere in Zeiten und für Zeiten der Krise. Eine Krise ist immer die Chance zur Veränderung. Die Coronapandemie könnte als große, gesellschaftliche Krise nicht nur die einzelnen Schulen, sondern das gesamte Schulsystem hin zu besseren Wegen des Lernens leiten. Nach drei Lockdowns, Homeschooling und einer quasi Zwangsdigitalisierung sämtlicher Schulen hat die Pandemie in den Fokus gerückt, was in unserem Bildungssystem funktioniert und wo dessen Schwachstellen liegen.

In Deutschland haben autarke Schulen freier Träger wie die element-i Grund- und Gemeinschaftsschulen bewiesen, dass sie auch in Krisenzeiten sehr gut funktionieren. Eva Lang ist die Bereichsleiterin Schulpädagogik bei Konzept-e, dem Trägernetzwerk für Bildung und Betreuung. Während der Pandemie war und ist Homeoffice für sie nur eine bedingte Option. Denn ob und wie der teilweise kurzfristig notwendige Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht in den element-i Einrichtungen umgesetzt wird, muss sie auch vor Ort überprüfen.

Frau Lang, wie haben Sie die Situation in den Schulen erlebt?

Unsere Schulpädagoginnen und -pädagogen haben den Umstieg auf digitales Lernen sehr schnell vollzogen. Dabei kam uns zu Hilfe, dass wir im Unternehmen bereits mit einer digitalen Lernplattform gearbeitet haben, in die wir übers Wochenende alle Schülerinnen und Schüler der element-i Schulen einbeziehen konnten. Die Arbeit am Laptop gehört in unseren Schulen zum Alltag, ebenso wie selbstständiges Lernen. Dadurch hatten auch die allermeisten Schülerinnen und Schüler keine Schwierigkeiten, sich auf das digitale und selbstständige Fernlernen umzustellen.

Wie sieht der Tagesablauf einer element-i Schule aus und was hat sich verändert in Zeiten von Lockdowns und Notbetreuung?

Jeder Tag bei uns startet mit der so genannten Lernkonferenz. Hier kommen alle Kinder, die Pädagoginnen und Pädagogen zusammen und besprechen den Tag. Die Kinder können im vorgegebenen Rahmen selbst mitbestimmen, was und bei wem sie lernen wollen. Dafür steht das „i“ in element-i: individuell, interessenorientiert und interaktiv. Das ist unser grundlegendes Verständnis von Bildung und Erziehung. Im Anschluss an die Konferenz geht es allein oder in Gruppen in die verschiedenen Arbeitsphasen. Dabei wird jedes Kind individuell von den Pädagoginnen und Pädagogen betreut. Während der Pandemie waren einige Schülerinnen und Schüler, wenn es von den Behörden erlaubt war, vor Ort, andere im Homeschooling zuhause. Trotzdem kamen alle jeden Morgen zur Konferenz zusammen. Der Laptop stand auf dem Tisch, die Kinder zuhause waren per Videokonferenz zugeschaltet, die Kinder vor Ort saßen um oder auf dem Tisch gemeinsam mit den anwesenden Pädagoginnen und Pädagogen. In den anschließenden Arbeitsphasen wurden die anwesenden Kinder von einer Kollegin vor Ort betreut, eine andere zog sich mit dem Laptop zurück und betreute die Kinder, die daheim geblieben waren. Das hat sehr gut funktioniert.

Die Schülerinnen und Schüler werden also schon früh an Themen wie Internet und Digitalisierung herangeführt?

Der MINT-Schwerpunkt an unseren Schulen nimmt Zukunftsthemen wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz in den Blick. Wir sind uns bewusst, dass die fortschreitende Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert und die Heranwachsenden vor ganz neue Herausforderungen stellen wird. Darauf müssen wir sie vorbereiten, denn viele werden einmal in Berufen arbeiten, die es so heute noch gar nicht gibt. Daher steht für uns die Vermittlung von Zukunftskompetenzen im Zentrum – wie der Einsatz digitaler Medien als Werkzeug zum Lernen und für die Bearbeitung von Projektaufgaben oder der Umgang mit unsicheren Situationen sowie die Fähigkeit, selbstständig Probleme zu lösen. Für Grundschulkinder sorgen wir für einen ausgewogenen, altersangemessenen Mix aus haptischem, sinnlichem Lernen, kognitiver Auseinandersetzung, sozialem Lernen und Umgang mit digitalen Medien.

Ein Vorteil in der Pandemie?

Was ich während Corona vor Ort in den Schulen beobachtet habe, ist, dass die einzelnen Lehrkräfte, aber auch die meisten Eltern mit ihren Kindern, sehr gut klargekommen sind. Sicher gab es hin und wieder auch einmal Probleme, wo beispielsweise der Internetanschluss zuhause nicht so gut ist, aber grundsätzlich hat das Homeschooling, dort im Umfeld, wo das Kind schon vor Corona von den Eltern gefördert und unterstützt wurde, ebenfalls sehr gut funktioniert.

Vergrößern Privatschulen nicht die Kluft zwischen Kindern aus sozial bessergestellten sowie bildungsnahen Haushalten und Kindern, deren Eltern sich das Schulgeld nicht leisten können?

Es ist an der Zeit, Kitas und Schulen neu zu denken. Es wird eine gesellschaftliche Aufgabe sein, Zukunftskompetenzen einschließlich der digitalen Technologien allen Kindern – auch denen aus bildungsfernen Haushalten – gleichermaßen zugänglich zu machen, um dem Ungleichgewicht der Bildungschancen wirkungsvoll zu begegnen. Dafür müssen Schulen von der Politik mehr Freiheiten bekommen, und wir müssen das, was wir über gutes Lernen wissen, auch in die Breite der öffentlichen Schulen hineintragen. Derzeit haben wir immer noch staatliche Schulen, wie zu Zeiten, als ich zur Schule gegangen bin: mit großen Klassenverbänden, nicht altersgemischt und Frontalunterricht. In der element-i Gemeinschaftsschule ermutigen wir unsere Schülerinnen und Schüler, ihren persönlichen Interessen nachzugehen und diese in den Unterricht einzubringen. Wir schaffen einen verbindlichen Rahmen, in dem wir ihnen möglichst große Freiheiten geben können, und setzen ebenso die notwendigen Grenzen, die sie für eine optimale Entwicklung brauchen. Außerdem sind wir der festen Überzeugung, dass Bildung und Bildungserfolge nicht von der sozialen Herkunft abhängen dürfen, daher gibt es bei uns unter anderem auch Stipendien.

„Wo“ Kinder für die Zukunft lernen, wird dann gar nicht mehr entscheidend sein?

Richtig. Selbstverständlich ist Lernen ein sozialer Prozess, der im Austausch, im Diskurs, im persönlichen Miteinander stattfindet. Gleichzeitig haben wir Schülerinnen und Schüler erlebt, die sehr davon profitiert haben, dass sie während der Schulschließung zuhause ohne Ablenkung und in ihrem vertrauten Umfeld lernen konnten. Wir haben da ähnliche Erfahrungen wie bei den Erwachsenen im Homeoffice gemacht. Ein neuer Ansatz von uns soll den Kindern auch weiterhin ermöglichen, einen Teil ihrer schulischen Lernzeit zuhause zu verbringen. Das passt zu unserem zentralen Anliegen, lernen für die Kinder zu gestalten – die klassische Schule gestaltet Lehren für die Lehrer. Wenn wir den Fokus konsequent auf die Lernenden und die besten Voraussetzungen und Bedingungen für deren Lernen verschieben würden, würde sich im Schulsystem viel verändern.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft unseres Bildungssystems? Was können wir aus der Krise mitnehmen?

Ich wünsche mir mehr Mut und Experimentierfreude an den Schulen – an allen Schulen. Dieser Gedanke bewegt mich schon lange. Wie muss Schule aufgestellt sein, wenn man Kinder und Jugendliche für eine digital transformierte Gesellschaft vorbereiten will? Wenn wir Schülerinnen und Schüler in eine Gesellschaft entlassen wollen, die sich in rasender Geschwindigkeit digital transformiert? Diesen Blick auf das gesellschaftliche Handeln müssen wir wieder öffnen.

Das Interview führte Christian Klar.

Kita und Schule 2.0: Welche Skills brauchen unsere Kids für die Zukunft? 

Weltweit verändern sich Institutionen und das Verständnis von Bildung rapide – das war auch vor Corona schon so. Allerdings hat die Pandemie gnadenlos aufgedeckt, was in unserem Bildungssystem funktioniert und was nicht. In der Krise hat sich gezeigt, dass vor allem die autarken Schulen freier Träger gut funktionieren, weil sie in der Bildung andere Wege des Lernens beschreiten. 

In freien Schulen, so wie auch in den element-i Grund- und Gemeinschaftsschulen, wird Bildung individualisiert. Sie hat nicht mehr die Anpassung an gesellschaftliche Gegebenheiten zum Ziel, sondern fördert die individuellen Talente der Schüler*innen, sodass sie sich zu selbstbewussten, mündigen und starken Menschen entwickeln können, die sich und die Welt reflektieren sowie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Sicher auch ein Grund, warum private Schulen seit Jahren wachsende Schüler*innenzahlen verzeichnen.  

Naturwissenschaften im Fokus

In Europa und Nordamerika erwerben zudem immer mehr Menschen eine akademische Ausbildung, werden immer mehr zu Arbeitnehmern in den Bereichen Forschung, Technik und Entwicklung. In einer solchen Wissensgesellschaft wird es für eine alternde Bevölkerung wie in Deutschland immer schwerer, mit der Konkurrenz aufstrebender Länder wie China oder Indien mitzuhalten.  

Freie Kindertagesstätten und Schulen setzen in ihren Lehrplänen oft einen MINT-Schwerpunkt, konzentrieren sich früh auf die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Viele element-i Kinderhäuser wurden bereits als „Haus der kleinen Forscher“ zertifiziert. Darüber hinaus erfolgt die Betreuung häufig bi- oder trilingual durch den Einsatz von Muttersprachlern. In den Kitas sicherlich noch, um die Kinder durch Sprachimmersion an andere Sprachen heranzuführen, später in den Schulen dann für den sicheren Spracherwerb. 

Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings für die Erzieher*innen: Je stärker sich die Wissensgesellschaft ausprägt, je größer die Konkurrenz durch Schwellenländer wird und je höher die Leistungserwartungen an erwerbstätige Eltern werden, umso mehr wachsen die Ansprüche an Betreuung. Erzieher*innen müssen nicht nur die Bildung von Kleinkindern intensivieren, sondern auch den abnehmenden Einfluss der Familienerziehung kompensieren. Das wird nur mit einer qualitativ guten Ausbildung, einer intensiveren Fortbildung sowie besseren Rahmenbedingungen möglich sein.  

Vorbereitet sein auf die Welt von morgen

Bildung wird immer digitaler und eröffnet damit ganz neue Chancen. „Warum sollten Schüler beim Durchführen eines Experiments nur zuschauen, wenn sie das im virtuellen Laboratorium selber durchführen können?“, fragt OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, Chef der Pisa-Studie. Gleichzeitig sei die Technologie in der Lage, das Lernen der Schüler*innen feinkörnig zu erfassen. Sie könne sehr genau erkennen, wo eine Schülerin oder ein Schüler Probleme habe – und die Aufgaben passgenau adaptieren. „Als Lehrkraft von heute und morgen müssen Sie ein guter Coach sein, ein guter Mentor“, sagt Schleicher. „Sie müssen Ihre Schüler als Personen kennen, nicht nur Ihr Unterrichtsfach.“  

Es geht längst nicht mehr darum, alles zu wissen. Durch den täglichen Informationszuwachs wird Wissen ständig mehr, veraltet aber auch schneller. Der Vorteil von heute: Es ist leichter zu finden als früher – dank des Internets als flexibler, schier unerschöpflicher Wissensquelle. In Zukunft werden deshalb Menschen gefragt sein, die mit Wissen und Nichtwissen souverän umgehen können. Anstatt eines „Universalwissens“ benötigen sie vielmehr Kreativität und die Fähigkeit, Kontexte herzustellen. Fähigkeiten, die auf der Erfahrungsebene entstehen – etwas, das Maschinen (noch) nicht nachvollziehen können.  

Schüler*innen zu ganzheitlichen Persönlichkeiten bilden

In freien Einrichtungen bedeutet „Lernen“ nicht „Auswendiglernen“ von Wissen, sondern Kompetenzerwerb. Und die beste Voraussetzung, die ein Bildungssystem seinen Schüler*innen dafür geben kann, ist eine ganzheitlich gebildete Persönlichkeit. Die Schule der Zukunft vermittelt ihren Schüler*innen Selbstwirksamkeitserfahrungen, die ihnen helfen, auch unter schwierigen Umständen optimistisch zu bleiben und eigene Lösungen und Wege zu suchen. So wie aktuell in Zeiten einer gesamtgesellschaftlichen Krise. Selbstständiges Lernen gehört element-i Einrichtungen zum Alltag. Die meisten Schüler*innen hatten keine Schwierigkeiten, sich auf das digitale und selbstständige Fernlernen umzustellen.  

Fazit

Kreativität und eine ganzheitliche Persönlichkeit sind die Ziele des Humboldt’schen Bildungsideals, das insbesondere in freien Einrichtungen ein Revival erfährt. Schulen und Kindertagesstätten, die sich zudem die Vermittlung von Neugierde, Freude, Forschergeist auf die Fahnen geschrieben haben, geben dem Nachwuchs alles an die Hand, was der für die Herausforderungen des Lebens benötigt. 

„Die Schule der Zukunft muss digitaler, sozialer, individueller und stärker kompetenzorientiert sein“, bestätigt auch Lehrergewerkschafter Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung. In einer Welt, in der es nicht mehr nur um Wissen geht, das in Zeiten des Internets schneller verfügbar ist als zuvor, sondern darum, mit dem verfügbaren Wissen kreativ Probleme zu lösen.

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„Ich hab dich lieb!“ – Neun Sätze, die Kinder fürs Erwachsenwerden brauchen

Viele Elternratgeber behaupten, dass ein Kind mit zwei Jahren rund 250 Wörter verstehen und 20 bis 50 Wörter selbst sprechen können sollte. Laut dem amerikanischen Erziehungsexperten Jim Taylor sind die Sätze, die Eltern aus diesen Worten formen, allerdings viel wichtiger. Neun davon beschreibt er in seinem Buch „Your children are listening“. Sie wirken sich sogar besonders positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus.

1. Ich hab dich lieb, egal, was du tust

Selbst Kleinstkinder, die noch nicht sprechen können, haben laut einer Studie bereits ein Verständnis für bestimmte Wörter und Wortgruppen. So ist „Ich hab dich lieb“ bei ihnen die unmittelbare Beantwortung ihres Bedürfnisses nach Zuwendung. Hinzu kommen Mimik und Tonlage der Eltern, die tatsächlichen Worte versteht das Kleinkind natürlich noch nicht. Aber es erfährt, dass jemand kommt, wenn es weint und lernt dabei: „Ich bedeute etwas. Ich werde geliebt.“ Dieses Wissen ist der sichere Hafen (s. Punkt 6), von dem aus das Kind vertrauensvoll seine Welt entdecken kann.

2. Du schaffst das! Ich trau dir das zu!

Sobald ein Kind an den regulären Mahlzeiten mit der Familie teilnimmt, zeigt sich meist schnell, wenn es selbstständiger werden möchte. Auch wenn es anfangs gar nicht so einfach ist, macht doch das Gefühl, zum ersten Mal selbst etwas vom Teller mit Besteck in den Mund befördert zu haben, Kinder glücklich. Sprechen Sie Ihrem Kind Mut zu. „Die Aufgabe von Eltern ist es […], Ziele so zu setzen, dass sie erreichbar sind“, so Taylor. Und so ein Familienalltag hält jede Menge „Erfolgsaufgaben“ wie Anziehen, Tisch decken oder beim Aufräumen der Einkäufe bereit.

3. Du darfst Fehler machen

Wer Fehler macht, lernt, Probleme zu lösen. Machen Sie es sich daher zum Ziel, Fehler bei Ihren Kindern als das zu sehen, was sie sind: eine Information, mit der das Kind arbeiten kann. Was Kinder für ihre Entwicklung brauchen, sagt Taylor, sei nicht die Fähigkeit, sofort perfekt ohne Stützräder Fahrrad zu fahren oder exakt ausmalen zu können, sondern der Wille, Neues auszuprobieren, ohne Angst vor einem Misserfolg.

4. Schau, was du gemacht hast

Wer sein Kind oft nur mit einem „Gut gemacht“ abspeist, tut ihm im Grunde keinen Gefallen. Ein so pauschales Lob sagt nichts darüber aus, was dem Kind gut gelungen ist, und kann es sogar demotivieren, wenn sich die Leistung oder das Ergebnis nicht wiederholen lassen. Denn oft weiß das Kind gar nicht, wie es dazu gekommen ist – und daher auch nicht, was es tun kann, damit der zufällig geglückte Purzelbaum beim nächsten Mal wieder funktioniert. Um in den Augen der Eltern nicht zu „versagen“, probieren sie es deshalb oft nicht mehr. Nach Taylor sei es wichtiger, „hervor[zu]heben, was das Kind gerade getan hat“, zum Beispiel: „Wow, du bist ganz allein auf die Schaukel geklettert.“

5. Es ist gut, wie du es machst

Kinder machen Dinge anders als Erwachsene. Ihr Zugang ist noch kein gelernter und damit noch nicht begrenzt. Sie sind offen und freier, auch wenn ihnen vielleicht noch die feinmotorischen Fähigkeiten fehlen. Werden sie aufgrund ihrer, in den Augen von Erwachsenen, „falschen Herangehensweise“ permanent korrigiert, verstehen sie mit der Zeit nur noch: „Egal, wie du dich anstrengst, es reicht nicht.“ Aber wie lernen Kinder, es richtig zu machen? Taylor: „Ganz automatisch. Durch Praxis und Beobachtung.“

6. Ich bin dein sicherer Hafen

Wie schon beschrieben, brauchen Kinder das Gefühl, dass die Welt ein sicherer Platz ist. Anfangs ist das ein „Ich hab dich lieb“ und die Geborgenheit Ihrer Umarmung. Später, wenn Kinder mobiler werden, bedeuten Eltern, die wachsam sind und trotzdem Raum für Selbstständigkeit lassen, den sicheren Hafen. Ein aufgeschürftes Knie ist oftmals gar nicht so schlimm, wenn kein bestürzter Erwachsener sofort zum Kind rennt, um es zu trösten. Meistens rappelt es sich von selbst wieder auf und spielt weiter, als wäre nichts geschehen. Wenn es dann aber doch mal mehr weh tut und das Kind Trost bei Ihnen sucht, bagatellisieren Sie seinen Schmerz nicht. Sätze wie „Das ist doch nicht so schlimm.“ sollten Sie in jedem Fall vermeiden.

7. Der Andere ist uns nicht egal

Kinder sind geborene Egoisten. Um teilen zu können (zu wollen), müssen sie nämlich erst lernen, wie man die Emotionen von anderen richtig deutet und darauf reagiert. Und das schauen sie sich bei uns Erwachsenen ab. Wenn Eltern die Gefühle z. B. von Geschwistern oder Spielpartnern in der Situation benennen, bleiben Kummer, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Freude, Glück nicht unbemerkt und werden irgendwann zum Begriff.

8. Hast du Danke gesagt?

Die Grundformen von Höflichkeit können auch Kleinkinder lernen – am besten auch in diesem Fall durch Anschauungsunterricht. Sie finden es übertrieben, Ihrem Mann zu danken, weil er freiwillig den Abwasch übernommen hat? Ihrer Frau fürs Bügeln der Hemden? Warum sollten Ihre Kinder dann Danke sagen, wenn sie etwas geschenkt bekommen? Taylor: „Das einzige Wort, das sich auch bei inflationärem Gebrauch nicht abnützt, ist das Wort Danke.“

9. Nein heißt Nein

Zur gesunden Entwicklung von Kindern gehört, dass sie ausprobieren, wie weit sie gehen können, um herauszufinden, wann und ob ihnen Grenzen gesetzt werden. Im Alter von drei oder vier Jahren lernen sie zudem, wie man jemanden anschwindelt oder täuscht, um die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen. Das funktioniert besonders gut, wenn Eltern müde sind, abgelenkt oder jemand zusieht. Bleiben Sie konsequent und seien Sie sich vor allem einig: Wenn es bei Mama kein Stückchen Schokolade mehr gibt, dann gibt es auch bei Papa keines mehr. Da sollte auch kein Schreien, Quengeln oder Bocken an der Supermarktkasse helfen. Besser ist, Ihr Kind macht diese wichtige Erfahrung schon früh in der Familie mit einem sachlichen, standhaften Nein und lernt sie nicht schmerzvoll später in der Zukunft.

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Sommerschule statt Sommerferien – eine Option? 

Ausgefallener Unterricht, dürftige Digitalisierung, monatelanger Distanz- und Wechselunterricht und für die älteren Schüler*innen zusätzlich die Unsicherheit, ob und wie die Abschlussprüfungen stattfinden – es gab in den vergangenen Jahrzehnten wohl kein Schuljahr, das für die Schüler*innen mit so viel Stress verbunden war, wie Unterricht in Zeiten der Pandemie.

Wer den verpassten Stoff wieder aufholen muss, könnte die Sommerferien auch im Klassenzimmer oder vor dem Computer sitzen, anstatt die Zeit am Meer oder in den Bergen verbringen. So zumindest stellt sich das Dario Schramm, der Vorsitzende der Bundesschülerkonferenz, vor. „Dieses Corona-Schuljahr ist so ungewöhnlich, dass jeder die Chance haben muss, in einer Sommerschule Lerndefizite aufzuarbeiten“, sagt er. Da hat er nicht unrecht, aber ob dieser Vorstoß bei allen Schüler*innen gut ankommt, darf bezweifelt werden. Rückenwind verschaffen ihm die Ergebnisse mehrerer Studien, die wenig überraschend belegen: Je ärmer eine Familie und je schlechter die Ausstattung der Schule, desto größer die Defizite bei den Schüler*innen.

Einige Bundesländer bieten bereits Sommerschulen an, darunter Berlin, Bayern und Baden-Württemberg. Vor allem schwächere Schüler*innen sollen so Versäumtes nachholen können. Diese freiwilligen Kurse gehen in der Regel über zwei Wochen, unterrichtet werden vor allem die Kernfächer Deutsch und Mathematik, zum Teil auch Englisch.

Und der Blick über den Teich oder zu unseren Nachbarn auf der Insel bestätigt den positiven Effekt. Dort gibt es das Angebot an Sommerschulen schon lange, insbesondere bei Privatschulen. In Deutschland sollen diese nun Corona-bedingte Ausfälle kompensieren. „Es ist sehr wichtig, dass etwas unternommen wird, um die Lernlücken zu schließen“, sagt Mareike Kunter vom DIPF Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt. „Alles ist besser als nichts.“

Aber funktioniert das so pauschal? Können ein paar Wochen Sommerunterricht die Defizite der vergangenen Monate ausgleichen? Wohl kaum – zumindest nicht im Gießkannenprinzip ohne Berücksichtigung von individuellen Stärken und Schwächen bei den Schüler*innen. Denn im Unterschied zu herkömmlichen Schulen unterrichten in den Sommerschulen Honorarkräfte wie Lehramtsstudenten oder pensionierte Lehrer, zum Teil auch Quereinsteiger*innen mit Uniabschluss. Denn die regulären Lehrer*innen, die ihre Schüler*innen genau kennen, haben in den Sommerferien auch frei. „Es ist nachgewiesen, dass Nachhilfe nur dann funktioniert, wenn der externe Lehrer qualifiziert ist und sich mit dem regulären Lehrer über die Bedürfnisse des [einzelnen] Schülers austauscht“, bestätigt der Bildungsforscher Olaf Köller von der Universität Kiel. Und das sei so sicherlich nicht immer gegeben.

Was Sommerschulen gut leisten können, ist die Vermittlung grundlegender Kenntnisse, wie man sie braucht, um in den Kernfächern weiter dem Unterricht folgen zu können. Dazu gehört z. B. wie das Addieren von Brüchen funktioniert oder worin sich die Vergangenheitsformen im Englischen unterscheiden. In der Schule geht es aber selten nur um reinen Wissenserwerb. Grundschüler*innen beispielsweise müssen erst lernen, wie man sich Wissen überhaupt aneignet, wie man Inhalte erfasst oder wie man sich helfen kann, wenn man nicht weiterkommt. Dieses so genannte selbstregulierte Lernen lernen die Kinder nicht nebenbei in zwei Wochen Sommerkurs, dafür braucht es Zeit und Fachleute, die es gezielt fördern. Und wie heißt es so schön: Gut Ding will Weile haben! Gerade Grundschüler*innen brauchen anfangs mehr Zeit, um Vertrauen aufzubauen und sich auf eine Lehrkraft einzulassen.

Größtes Hemmnis ist und bleibt aber die Motivation. Wie motiviert man Kinder und Jugendliche, weiter in die Schule zu gehen, während ihre Freunde am See oder im Urlaub sind? Ein Lösungsansatz sind erlebnispädagogische Maßnahmen aus den Bereichen Kunst, Musik und Sport, die manche Schule zusätzlich anbieten. Das kann aber nicht jede Schule leisten. Manchem Schüler und mancher Schülerin wäre vielleicht mit einer gezielten Nachhilfe, die individuell auf seine oder ihre Bedürfnisse und Defizite eingeht, mehr gedient. Positiv lässt sich das Angebot an Sommerschulen aber auch als erster Hinweis der Politik deuten, dass sich die Verantwortlichen wirklich um die Folgen der Pandemie an den Schulen kümmern wollen.