Jedes neue Kita- und Schuljahr bringt in den element-i Einrichtungen viele Veränderungen mit sich: Einige Kinder wechseln in die Grundschule, neue Eingewöhnungen starten. Für einzelne Teammitglieder endet die Zeit im Kinderhaus. Das hat vor allem zu diesem Zeitpunkt häufig strukturelle Gründe: das FSJ endet, die Ausbildung ist geschafft. Parallel dazu starten neue Betreuungspersonen im Team, die gemeinsam mit den neuen Kindern und Familien zu einer veränderten Gruppendynamik beitragen, in der sich Beziehungen neu entwickeln müssen. Angestoßen von den typischen Veränderungsmerkmalen, die jedes Jahr ab September in den Gemeinschaftseinrichtungen entstehen, möchte ich den Schwerpunkt auf diese Fragestellungen lenken: Wie erleben Kinder Phasen der Veränderung und des Abschieds von erwachsenen Bezugspersonen im Kinderhaus? Was können die bestehenden und neuen Teammitglieder tun, um Verlust- und Abschiedsprozesse von Kindern hilfreich zu begleiten?
Abschied und Verlust für Kinder
Während einer Aufenthaltsdauer von durchschnittlich 5 Jahren in Kindertageseinrichtungen bis zum Schuleintritt, erleben Kinder zwangsläufig Verluste, wie den Weggang einer geliebten Betreuungsperson. Dabei ist es sehr unterschiedlich, was das einzelne Kind als schmerzhaften Verlust erlebt und welche Emotionen es zeigt. Hilfreich für eine einfühlsame und stärkende Begleitung von Kindern in solchen Phasen, kann der Perspektivwechsel sein. Begeben Sie sich in Ihre eigene Kindheit und erinnern sich an Situationen, in denen Sie einen Verlust erfahren haben, der für Sie als Kind schmerzhaft war und Ihnen Kummer bereitet hat. Dabei kann es sich um den Verlust des Lieblingsspielzeugs handeln, einen Umzug, auf den Sie sich nicht gefreut haben, die Trennung der Eltern, die Trennung vom besten Freund/ der besten Freundin. Was hat Ihnen dabei geholfen? Wie haben Sie Ihre Eltern und/ oder Ihr näheres Umfeld im Umgang mit Ihren Gefühlen/ Ihrem Verhalten erlebt?
Unterschiedliche Aspekte beeinflussen unser Handeln und die Entscheidungen, die wir treffen, im Umgang mit anderen, die gerade einen Verlust erlitten haben. Wie wir also Kindern in ihren Emotionen und ihren Verarbeitungsprozessen begegnen können, hängt stark davon ab, welche Erfahrungen wir in unserer Kindheit mit Verlusten und deren Bearbeitung gemacht haben (Vgl. Witt-Loers 2016, S. 12ff.). Beachten Sie auch Ihre eigenen Gefühle. Wie geht es Ihnen mit der Veränderung im Team? Welche Gefühle kommen auf? Welche Wünsche haben Sie an das Team und vielleicht auch welche Sorgen?
Eine weitere Komponente, die es zu beachten gilt, ist der Wunsch Erwachsener, Kinder vor leidvollen Erfahrungen zu bewahren. Dafür tun Eltern und andere Bezugspersonen fast alles, um Kindern eine schöne und möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Beispielsweise richten es Eltern eines Kindes mit Trennungsangst häufig so ein, dass das Kind nie allein ist, um es vor dem Kummer des “Alleinseins” zu bewahren und verzichten gänzlich auf eigene Unternehmungen (Beispiel aus: Walper 2024, S.6). So paradox es auch klingen mag, es behindert die gesunde Entwicklung eines Kindes, wenn wir nicht zulassen, dass Kinder Abschiede, Trauer und andere, eher als negativ bewertete Gefühle erleben können. Das heißt konkret, nicht die Lieblingserzieherin, die gegangen ist, schnellstmöglich emotional zu ersetzen, sondern dem betroffenen Kind die Möglichkeit bieten, zu lernen mit Veränderungen und anderen schmerzhaften Erfahrungen umzugehen. So können Kinder fühlen und erleben, welche Strategien ihnen im Umgang mit kleineren und größeren Verlusten helfen. Mit zunehmendem Alter des Kindes entwickelt es aufgrund der eigenen Erfahrungen, Sensibilität und empathisches Verständnis für andere Menschen und deren Trauer. Auch der Entwicklungsstand des Kindes spielt eine große Rolle, bei der Wahrnehmung von Verlusten. Ein zweijähriges Kind beispielsweise ist kognitiv noch nicht dazu in der Lage, Trennungen oder große Veränderungen einzuordnen und empfindet diese, aufgrund seiner emotionalen Abhängigkeit von erwachsenen Bezugspersonen, als existenzielle Bedrohung (vgl. Witt-Loers 2016, S. 69). Ein vierjähriges Kind wiederum hat aufgrund seiner erweiterten Wahrnehmungsfähigkeiten, zunehmende Möglichkeiten, mit Informationen umzugehen. Schmerzhafte Abschiede und Veränderungen werden als solche wahrgenommen. In dieser Entwicklungsphase entwickeln sich häufig neue Verlustängste, da Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter ihre existenzielle Abhängigkeit von Bezugspersonen verstehen und somit auch immer wieder Anzeichen des „Klammerns“ sichtbar werden können.
Reflexionsfragen zur Bearbeitung im Team
Kinder orientieren sich im Umgang mit Verlusten, wie auch in allen anderen Lern- und Entwicklungsfeldern, an Vorbildern. Dabei nehmen Kinder sehr deutlich wahr, ob diese Vorbilder ihr Leben selbstständig gestalten und ihre vorhandenen Potentiale nutzen und wie sie Herausforderungen lösen: Bleiben sie handlungsfähig oder reagieren sie hilflos und mit Überforderung. Vor allem in Zeiten, die eine stabile Basis, also ein starkes und autonom agierendes Team benötigen, kann sich das Bewusstmachen der eigenen Vorbildfunktion, als wichtige Handlungsoption für das erzieherische Handeln erweisen. Denn insbesondere in dynamischeren Zeiten benötigen Kinder einen klaren und zuverlässigen Erziehungsrahmen, der sich daraus ergibt, wenn die Erwachsenen sich ihrer Verantwortung vollumfassend bewusst werden.
Hilfreich kann es sein, sich mit Fragen dem Thema „Verlust und Abschied“ zu nähern, um ganz individuell passende Umgangsformen für die jeweiligen Situationen und Themen des Hauses zu finden:
- Wie gut sorgen Sie für sich in Krisen/ herausfordernden Lebensumständen (die eigene körperliche und seelische Gesundheit im Blick behalten; Gefühle ausdrücken können; Ressourcen aktivieren; vernetztes Arbeiten im Team, um sich Unterstützung holen zu können)?
- Wie gehen Sie mit Verlusten, die ein Kind für sich erlebt, um? Welche Formen und Ausdrücke der Trauer können/ konnten Sie bisher bei Kindern wahrnehmen und wie sind Sie damit umgegangen?
- Wie gestalten Sie bisher Verabschiedungsprozesse von Kolleg:innen? Sowohl im Team als auch mit den Kindern?
- Welche Willkommenskultur gibt es bei Ihnen im Kinderhaus für neue Kolleg:innen?
- Was bedeutet es für Sie, eine verlässliche und belastbare Bezugsperson für Kinder zu sein? Wodurch werden diese Eigenschaften in Ihrem Handeln täglich sichtbar?
- Welche kreativen Angebote/ Impulse fallen Ihnen ein, um Themen wie Verlust und Abschied kindgerecht zu bearbeiten?
Weitere Fragestellungen können in Anlehnung an die element-i Leitlinien erarbeitet werden. Insbesondere die Leitlinien „Gesundheit“ und Resilienz“ können Ihnen hier nachhaltig in Ihrem Handeln zur Seite stehen, wenn es um Verluste für Kinder geht.
Literatur:
Walper, Sabine (2024): Seelische Gesundheit von Beginn an stärken. Erschienen in: DJI Impulse. Psychisch stark werden. Wie sich die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen besser fördern lässt. Mainburg: Pinkser Druck & Medien GmbH
Witt-Loers, Stephanie (2016): Wie Kinder Verlust erleben… und wie wir hilfreich begleiten können. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht