Gute Kita-Qualität: Von Erwachsenen für Kinder

Qualitätsmanagement – ein Begriff, welcher sicherlich häufig “denen da oben” oder “dem Träger” zugeschrieben wird. Aber: Wo findet Qualität statt? – Sicher nicht im Leitungsbüro oder ausschließlich in den Köpfen und auf Papieren der Fachberatungen. Nein, Qualität setzt dort an, wo mehr als 800.000 Mitarbeitende (Stand Ende 2022) in unseren Kitas täglich mit Kindern zusammenarbeiten.

Qualität umgibt uns, unser Alltag ist voll von Hinweisen darauf. Bei Produkten werden diese häufig durch DIN-Normen ersichtlich: das Blatt Papier in DIN-A4, die einheitliche Schuhgröße 40 oder die Steckdose mit zwei Löchern. Auch wenn die Begriffe “Normen und Richtlinien” bei dem ein oder anderen Gänsehaut, wenn nicht gar Desinteresse hervorrufen, bietet die DIN ISO 9000:2015-11 über die Normung von Gegenständen hinaus wertvolle Impulse für die Arbeit in Kindertageseinrichtung mit einem Qualitätsanspruch. Denn sie beschreibt Grundsätze für die erfolgreiche Zusammenarbeit in Organisationen vor dem Hintergrund von gelungenem Qualitätsmanagement.

Um Ihnen die Freude am Lesen zu erhalten, möchten wir im Folgenden versuchen, eine Übersetzung der Grundsätze aus der DIN EN ISO 9000:2015 auf die Gedanken rund um gelungene Leitungs- und Führungsfunktionen in Trägernetzwerken von Kindertagesstätten zu schaffen.

Wie gelingt eine erfolgreiche Zusammenarbeit?

Die Diskussion über gute Qualität in Kindertagesstätten kam vor einigen Jahren auf und findet sich mittlerweile zunehmend dynamischer auch in politischen Diskussionen und Gesetzgebungen wieder. Sie hat seit der Entwicklung von Messinstrumenten von Kita-Qualität die Aufgabe, nicht nur die Ist-Stand Erhebungen in den Kindertagesstätten durchzuführen, sondern auch die Qualitätsentwicklung der pädagogischen Arbeit in den Blick zu nehmen.

Der auf den Grundpfeilern Bildung, Erziehung und Betreuung stehende Förderauftrag von Kindertageseinrichtungen (§22 Abs. 3 SGB VIII) legt die Basisanforderungen an die Qualität von Kindertageseinrichtungen. So weit so gut. Nun reicht ein inhaltlich formulierter Anspruch an frühe Bildung jedoch nicht aus, um gelingende Prozesse von der Orientierungs- zur Ergebnisqualität sicherzustellen. Es bedarf vielmehr einer engen Zusammenarbeit von Mitarbeitenden, Leitungen und Fachberatungen mit unterschiedlichen Perspektiven auf unterschiedlichen Ebenen. Diese Zusammenarbeit sollte eine Kultur fördern, welche zu Verhaltensweisen, Einstellungen, Tätigkeiten und Prozessen führt, die Wert schaffen. Einen Wert im Sinne eines Mehrwertes für die Kinder.

Es können noch einige Schrauben gedreht werden. Fangen wir damit an!

Orientierung an Mitarbeitenden, Eltern und Kindern: Die Kund:innen im Fokus

Damit eine Kita beziehungsweise ein Träger nachhaltig als erfolgreich gilt, bedarf es des Vertrauens von Kund:innen. Der Begriff des Kundens beschreibt in diesem Kontext vor allem die Mitarbeitenden, Eltern und Kinder im direkten Kontakt zum Alltagsgeschehen in der Kita. Das angesprochene Vertrauen wird dadurch erlangt, dass die unterschiedlichen Anforderungen erfüllt und im besten Falle die damit einhergehenden Erwartungen übertroffen werden. Der Kernaspekt, der hieraus hervorgeht, ist die vernetzte, transparente und gelingende Zusammenarbeit mit dem Fokus auf ein gutes Ergebnis für das Kind – wie auch immer dies im individuellen Fall aussehen mag.

Die Multiperspektivität, welche sich aus der Mehrzahl an Parteien ergibt, bietet in der Kita immer wieder kleine und große Herausforderungen. Es sollte ein regelmäßiger und intensiver Abgleich von den Interessen der Eltern, der Kinder als auch der fachlichen Perspektive der Mitarbeitenden stattfinden. Das Wollen und das Können (Anforderung und Leistbarkeit) schwingen in solchen Gesprächen stets mit. Unterschiedliche Ideen und Anforderungen als bereichernde Auseinandersetzung wahrzunehmen hilft, eine solide Basis zu schaffen, die höchstmögliche Qualität für jedes einzelne Kind zu schaffen.

Ein Beispiel: Der Wunsch nach längst möglichen Betreuungszeiten durch die Eltern steht den Teilzeitbeschäftigungen oder Stundenreduzierungen der Mitarbeitenden konkurrierend gegenüber. Und dann ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Betreuungszeit und -qualität für das Kind noch nicht gestellt. Weitere beispielhafte Themen wie Ernährungskonzepte, Ansichten zu Mehrsprachigkeit oder gelungenen Eingewöhnungen finden Sie sicherlich auch in Ihrer Einrichtung wieder.

Vom Leiten und Lenken: Die Führung

Die Herausforderungen, denen sich Kitaleitungen gegenübersehen, sind nicht zu unterschätzen: ein zu langsam wachsender Fachkräftemarkt, lange Öffnungszeiten der Einrichtungen, eine hohe Fluktuation und andauernde Krankheitsstände der Mitarbeitenden. Und dennoch steht und fällt die Qualität mit der Führungskraft.

Eine gute Führung baut auf eine einheitliche Sichtweise von Zweck und Ausrichtung der Einrichtung und des Trägers. Wird dort eine Übereinstimmung erreicht, so stärkt dies das Engagement aller Beteiligten zur Erreichung der (Qualitäts-)Ziele der gesamten Organisation. Gemeinsame Strategien, eine gelebte Unternehmenskultur, die sinnvolle Umsetzung von Prozessen und ein bewusster Umgang mit vorhandenen Ressourcen stärkt die Kindertageseinrichtung und die Trägerschaft durch die enge Verzahnung. Eine erfolgreiche Führung wirkt positiv auf die Kommunikation im Team, mit den Eltern, mit anderen Kindertageseinrichtungen und Akteuren des Sozialraums.

Häufig wird die Leitungsposition als Sandwich beschrieben – aber ist dies das richtige Bild? Wir denken nicht. Eine gute Leitung ist aktive Impulsgeber:in, hält die Fäden in der Hand und übernimmt Verantwortung. Als Vernetzer:in verschiedenster Parteien vermittelt, übersetzt, diskutiert und wägt eine erfolgreiche Leitung Anforderungen, Fragestellungen und Lösungsmöglichkeiten ab und steuert so gezielt die Entwicklung der Kita.

Das Allerwichtigste dabei ist, dass am Ende Führung den womöglich größten Effekt auf die Qualität der Kindertageseinrichtung hat. Das heißt: Schlussendlich profitiert jedes einzelne uns anvertraute Kind von einer guten Leitung.

Eins, Vier, Viele: Das Beziehungsmanagement

Ein gutes Beziehungsmanagement führt die Kita und schlussendlich auch den Träger zu nachhaltigem Erfolg. Die Gesamtleistung einer Kita in Bezug zur Qualität wird durch die Leistung der Einzelnen maßgeblich beeinflusst. Gute Netzwerkarbeit und intensive Bindungen haben eine positive Auswirkung auf die Verbesserung dieser. Ein gemeinsames Qualitätsverständnis und das Nutzen von Ressourcen und Kompetenzen steigern zudem die Gesamtqualität der Organisation. Die folgende Aufzählung benennt beispielhaft einige Kompetenzen, welche Kitaleitungen für ein gelungenes Beziehungsmanagement mitbringen sollten:

Personale Kompetenzen:
Offenheit für Neues, Optimismus, Gewissenhaftigkeit, Belastbarkeit (mentale Stabilität), Leistungsbereitschaft, Selbstführung, usw.

Soziale Kompetenzen:
Durchsetzungsfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, emotionale Intelligenz, Kommunikationsfähigkeit, usw.

Methodische Kompetenzen:
Lösungsorientierung, Kreativität, analytisches Denken, Visionen, Gesprächsführung usw.

Doch im gesamten Team, unter Eltern, dem Verwaltungsorgan des Trägers und nicht zuletzt in den Kindern stecken Kompetenzen, welche es gilt, zielführend und stärkenorientiert zu verzahnen. Es kommt dabei auf einen Jeden und ein*e Jede* an – nur viele ineinandergreifende Puzzlestücke ergeben letztendlich ein Bild.

Es kommt auf Alle an: Das Engagement von Personen

Um die Fähigkeit der Organisation zu verbessern, Werte zu schaffen und zu erbringen, bedarf es kompetenter und engagierter Personen in allen Bereichen. Schlüsselbegriffe wie Respekt, Partizipation, Anerkennung und Befähigung erhalten ein großes Gewicht. Durch die Beteiligung der Menschen werden die Qualitätsziele verständlich, greifbar und sinnhaft. Die Eigenmotivation zur gemeinsamen Zielerreichung stärkt die Zusammenarbeit im Team und wirkt sich letztlich auf die positive Entwicklung pädagogischen Handelns aus. Insgesamt lässt sich durch Partizipation ebenfalls eine gesteigerte Zufriedenheit der beteiligten Personen ausmachen, welche wiederum zu größerem Vertrauen und einer verbesserten Zusammenarbeit in der gesamten Trägerorganisation führt.

Der Weg ist das Ziel: Der Prozessorientierte Ansatz

Die Prozessqualität bezieht sich im Wesentlichen auf die Umsetzung pädagogischer Prozesse. Im Umgang mit Kindern umfasst dies die „entwicklungsangemessene, bildungsfördernde und kindbezogene Interaktion“ (Schmidt 2013, S. 57). Ergänzt wird dies durch den bewussten und rücksichtsvollen Umgang mit personellen, sachlichen und finanziellen Ressourcen. Ebenso beschreibt diese Dimension der Qualität die Beherrschung aller relevanten Prozesse in der Leistungserbringung, sprich der Arbeit am und mit dem Kind. In der Praxis bedeutet dies die Planung von Bildungsinhalten sowie die Auswahl der entwicklungsgerechten Materialien in einer geeigneten und der gestalteten Umgebung. Ein kohärentes System von zusammenhängenden Prozessen ergibt beständige und vorhersehbare Ergebnisse, welche dadurch wirksamer und effizienter erzielt werden können. Es gilt, sich an rechtlichen Vorgaben zu orientieren, die Konzeption der Einrichtung als Leitlinie unterstützend zu nutzen und als Leitung einen Rahmen zu schaffen, der vielfältige Prozesse ermöglicht und zielgerichtet vereint.

Der Weg zum Besseren: Die stetige Veränderung

Die fortlaufende Verbesserung wird als Schlüsselaspekt der Qualitätssteigerung betrachtet. Das gegenwärtige Leistungsniveau muss dafür aufrechterhalten und im besten Falle kontinuierlich gesteigert werden. Eine fortlaufende Veränderung bietet unzählige Möglichkeiten, das eigene Handeln selbstreflexiv zu betrachten und dadurch zu einem besseren Gelingen beizutragen. Dynamisches pädagogisches Handeln bedeutet Anstrengung – es lassen sich jedoch zügig Früchte ernten. Die schnell ersichtlich gesteigerte Zufriedenheit von Eltern, Mitarbeitenden und dem Team ist die Belohnung dafür. Durch adäquate Reaktionen auf Änderungen der internen sowie externen Bedingungen werden konsequent neue Chancen geschaffen.

Die folgenden vier Komponenten sollen nach Tietze und Lee (2009) Qualitätssteuerung handhabbar machen:

  1. ein Modell mit den wichtigsten Qualitätsfaktoren (z.B. standardisierte Prozessbeschreibungen)
  2. eine Evaluationsstrategie, um die pädagogische Qualität in Einrichtungen routine-mäßig und mit vertretbarem Aufwand zuverlässig zu evaluieren (z.B. interne und externe Audits im regelmäßigen Rhythmus)
  3. systematische Qualitätsentwicklungsprogramme, die das gegebene Qualitätsprofil der Einrichtungen mit ihren Stärken und Schwächen zum Ausgangspunkt nehmen und die Qualität verbessern (z.B. Fortbildungspläne für alle Mitarbeitenden)
  4. ein pädagogisches Gütesiegel, mit dem erreichte gute Qualität einer Einrichtung zertifiziert und nach außen ausgewiesen wird (z.B. Paedquis, TopKita, DIN EN ISO)

Zahlen, Daten, Fakten: Die Entscheidungsfindung

Kommen wir zuletzt noch auf wenig beachtete Aspekte des Qualitätsmanagements in der Kita zu sprechen: Zahlen, Daten, Fakten. Auch wenn uns unser Bauchgefühl in vielen Situationen sicher die richtige Richtung weist, so ist eine Entscheidungsfindung mit objektiven Maßstäben auch – oder vor allem – im pädagogischen Kontext von Vorteil. Qualitätsstandards anhand von messbaren Kennzahlen festzulegen, bietet einen verlässlichen und überprüfbaren Rahmen für alle Beteiligten. 

Beispielsweise bieten Beobachtung und Dokumentation der Tätigkeiten der Kinder eine vielversprechende Entscheidungsgrundlage für gelingendes pädagogisches Handeln. Möglichst objektive und umfassende Daten zu erheben und daraufhin Entscheidungen zu treffen, stellen Sicherheiten im Entscheidungsprozess und Rückhalt bei der Argumentation und Kommunikation dar. Hierzu benötigt es ausreichende und verlässliche Daten sowie die entsprechende Auswertungskompetenz der Mitarbeitenden.

Die Verantwortung liegt bei uns – packen wir es an

Sowohl die Befunde von Studien zur Einrichtungsqualität in deutschen Kindertagesstätten (Bsp. NUBBEK-I) als auch die befragten Trägervertreter:innen beschreiben ein ähnliches Ziel der Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen. Als oberstes Bestreben werden eine positive kindliche Entwicklung und die Orientierung des pädagogischen Handelns an den Bedürfnissen der Kinder vorausgesetzt.

Wie sich die Qualität in deutschen Kindertageseinrichtungen in den kommenden Jahren verändern wird, lässt sich nur erahnen. Die Ergebnisse der NUBBEK-II-Studie lassen umfassende Erkenntnisse und aktuelle Aussagen zum Qualitätsstand erwarten.

Auch wenn dies unter den aktuellen strukturellen Umständen möglicherweise mit viel Anstrengung verbunden ist, es wird sich auszahlen und den zukünftigen Generationen ein großer Gewinn sein. Die Bildung, Betreuung und Erziehung aller Kinder, die Tag für Tag in unseren Kitas stattfindet, ist das größte Investment in die Zukunft – in unsere Gesellschaft.

Es kommt auf uns an!

Mehr von Barbara Schmieder und Lina Stärz

Literatur

Amerein, Bärbel; Amerein, Kurt (2011): Qualitätsmanagement in Arbeitsfeldern der Frühen Bildung. Köln: Bildungsverlag EINS

Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (Hrsg.) (2016): Qualitätsmanagement in der sozialen Dienstleistung. Nützlich – lebendig – unterstützend. Weinheim Basel: Beltz Verlag

Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.) (2015): Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe (ISO 9000:2015); Deutsche und Englische Fassung EN ISO 9000:2015. Berlin Beuth Verlag

Hackman, J. Richard; Wageman, Ruth (1995): Total Quality Management: Empirical, Conceptual and Practical Issues. Administrative Science Quarterly, Jg. 40, S. 309-342

Roßbach, Hans-Günther (Hrsg.); Tietze, Wolfgang; Nattefort, Rebecca; Grenner, Katja (2017): Kindergarten-Skala (KES-RZ). Revidierte Fassung mit Zusatzmerkmalen. Weimar, Berlin: verlag das netz

Schmidt, Michael (2013): Zum Stand der Qualität elementarpädagogischer Arbeit aus wissenschaftlicher Sicht. In: Schmidt, Michael (Hrsg.): Qualitätsmanagement in Kinder-tagesstätten. Wiesbaden: Kommunal- und Schul-Verlag, S. 61-101

Tietze, Wolfgang (2008): Qualitätssicherung im Elementarbereich. In: Klieme, Eckhard; Tippelt, Rudolf (Hrsg.): Qualitätssicherung im Bildungswesen. Weinheim: Beltz, S. 16-35

Tietze, Wolfgang; Lee, Hee-Jeong (2009): Ein System der Evaluation, Verbesserung und Zertifizierung pädagogischer Qualität von Kindertageseinrichtungen in Deutschland. In: Altgeld, Karin; Stöbe-Blossey, Sybille (Hrsg.): Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 43-62

Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2022): Beschäftigte in Kindertagesbetreuung. Stand 10/2022. Online abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/Tabellen/beschaeftigte-merkmale.html (zuletzt abgerufen am 23.02.24)

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