Projektarbeit – ein ressourcensparendes Element im pädagogischen Alltag

Vom Bildungsauftrag auf die Bühne: Kita-Projekte können für alle Beteiligten einen großen Mehrwert bieten. Pädagog:innen und Kinder treten dabei eine gemeinsame Reise als Forschungsgruppe an, von der niemand weiß, wohin sie führt, und lassen in den Einrichtungen die verrücktesten Themen die Wände hoch und runter wachsen. Projekte können eine rasante Dynamik entwickeln, die neben dem gesamten Team auch Expert:innen und Eltern miteinbezieht. Ein Einblick in die partizipative Projektarbeit bei element-i als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen in Bezug auf die Betreuung und Bildung von Kindern im Kita-Alter.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kindheit in den westlichen Ländern stark verändert. Kinder verbringen einen Großteil der Zeit in „kindgemäßen Räumen“ – sei es in der Krippe, in der Kita, in der Schule, im Hort oder im Sportverein. All diese Institutionen sind von Erwachsenen organisiert. Auch wenn es sich hier um vielfältige Bildungs- und Entwicklungsangebote handelt, so sind die Möglichkeiten für Kinder, mitzugestalten, meist von den Intentionen der Erwachsenen beeinflusst. In solchen „Sonderumwelten“, in denen die Erwachsenen den Kindern mit der Absicht gegenübertreten, sie zu unterweisen oder ihnen etwas zu vermitteln, bzw. ein Ziel mit ihnen zu erreichen, „haben Kinder immer weniger Möglichkeiten, zwanglos, selbstbestimmt, spontan und kreativ zu handeln, ihren eigenen Interessen zu folgen und momentane Bedürfnisse zu befriedigen“ (Textor, 2020).

In ihren Familien stoßen Kinder häufig auf einen durchgetakteten Tagesablauf, der von ständiger Begleitung der Erwachsenen geprägt ist. Nach dem Aufenthalt in Kita und Co. werden sie von ihren Eltern zu Sporttätigkeiten oder Verabredungen gefahren. Die Bereiche, die sich zwischen den Aktivitätsinseln befinden, werden meist ausschließlich von Erwachsenen belebt und bleiben von den Kindern unerforscht. Textor spricht von einer „Verinselung“, die die Erfahrungsmöglichkeiten der Kinder stark einschränkt. Auch der Medienkonsum und große Mengen an Spielsachen beeinträchtigen die Selbsttätigkeit von Kindern. In vielen Situationen lernen Kinder nicht mehr durch sinnliches Erfahren und Entdecken, sondern nur noch durch „zweite Hand“ (vgl. Textor, 2020).

Herausforderungen in Kitas: Personalmangel und Multiprofessionalität

Auch der Aufenthalt in den Institutionen hat sich verändert: der Personalmangel ist in der Kita-Branche seit mehreren Jahren deutlich spürbar. Fachkräfte fallen weg, die Fluktuation ist hoch. In den meisten Kinderhäusern arbeiten heute neben pädagogischen Fachkräften viele weitere Personengruppen: Aushilfen, Native Speaker, Auszubildende, Quereinsteigende, ausländische Fachkräfte und FSJler:innen ergänzen die pädagogischen Teams. Wo früher fast ausschließlich Erzieher:innen den Tagesablauf gestaltet haben, treffen die Kinder heute auf Multiprofessionelle Teams. Diese wurden „in den letzten Jahren zunehmend als die optimierte Antwort auf die gesellschaftlichen Problemlagen erkannt“ (Sigg, 2023).

Eine „Zukunftsweisende Multiprofessionalität“ beschreibt jedoch nicht nur die Summe diverser pädagogiknaher Qualifikationen, von in der Kita anwesenden Personen, sondern deren vielfältiges Expertentum: „Bildende Künstler:innen, Ingenieur:innen, Naturwissenschaftler:innen, Sportler:innen, Schauspieler:innen, Informatiker:innen, Handwerker:innen, Musiker:innen, Gärtner:innen“ etc. bilden in den pädagogischen Teams die „Diversität unserer Gesellschaft“ ab und eröffnen Kindern den Zugang zur „Verschiedenartigkeit unserer Lebenswelt“. Außerdem lernen sie „praktische Fähigkeiten von Expert:innen“ und „erkennen unterschiedliche Werte“ (Sigg, 2023).

Um auf diese Entwicklungen zu reagieren, wird in element-i Kinderhäusern verstärkt auf die partizipative Projektarbeit gesetzt, die es pädagogischem Personal ermöglicht, den Kita-Alltag ressourcensparend und auf Augenhöhe zu gestalten. In Forschungsgruppen untersuchen die Kinder und Pädagog:innen ein Thema, das entweder durch eine gemeinsam erlebte Situation, die Idee eines Kindes oder durch einen ausgearbeiteten Vorschlag eine:r Pädagog:in ins Kinderhaus getragen wurde. Das Thema kann theoretisch jedes sein, das mit der Lebenswelt der Kinder in Verbindung steht und für das sich die Kinder begeistern und interessieren können. Genauso wichtig wie das Thema an sich und die damit verbundenen Erfahrungen und Lernerfolge sind die Prozesse, die sich dahinter abspielen. Ein bei jedem Projekt nahezu gleichbleibender Kreislauf bestimmt den Fortlauf des Projektes, die Weiterentwicklung der Thematik, die Arbeitsaufteilung, den Einbezug interner und externer Expert:innen … Eigentlich alles, was im Rahmen des Projekts passiert.

Abbildung zur Projektarbeit

Abbildung 1: Projektkreislauf aus dem Booklet „Kitaprojekte spielerisch gestalten“

Demokratische Prozesse und flexible Strukturen

Wird dieser Kreislauf (siehe Abbildung 1) als Forschungsgruppe durchlaufen, so übernimmt die pädagogische Fachkraft zwar die Moderation und übergreifend auch die Leitung, sie ist jedoch auf die gemeinsame Verantwortungsübernahme sowie gleichberechtigte Entscheidungsprozesse bedacht. Kita-Projekte sind demokratische Gefüge, die es Kindern nicht nur ermöglichen, sich als verantwortungsbewusste und (selbst-)wirksame Menschen, sondern auch als Teil einer Gemeinschaft zu erleben, in der die eigene Meinung zählt und Ideen und Vorschläge wahr- und ernstgenommen werden. Die partizipative Projektarbeit trägt dementsprechend dazu bei, dass sich Kinder zu frei denkenden und selbstbestimmten Persönlichkeiten entwickeln.

Im Rahmen der Projektarbeit, also dem Lernen in einer Forschungsgemeinschaft, können pädagogische Fachkräfte in einem kleineren Rahmen erproben, was sie den Kindern zutrauen und auch zumuten können. Was soll schon passieren, wenn Sie die Verantwortung über Teilbereiche einmal abgeben? Im schlimmsten Fall entspricht das Ergebnis nicht Ihren Erwartungen. Dann ist es an Ihnen, Ihre Erwartung zu überdenken, denn Prozesse dürfen auch einmal für uns Erwachsene unvorhersehbar ablaufen. Wenn wir die Kinder die Einladung zum Elternabend schreiben und gestalten lassen, wird sie bestimmt anders aussehen als aus der eigenen Feder bzw. dem Computer – was sie nicht besser oder schlechter macht. Wenn wir die Kinder darüber entscheiden lassen, wie wir in Bezug auf das bearbeitete Thema weiterverfahren, und es in eine Richtung geht, die wir nicht haben kommen sehen, warum nicht mal die Position als allwissende:r Erwachsene:r an den Haken hängen und sich von den Kindern unter dem Motto „Go with the Flow“ leiten lassen? Denn Flow steht für Interesse, Leidenschaft und Begeisterung – die Motoren der intrinsischen Motivation.

Wenn wir uns von diesen Motoren antreiben lassen, kann es passieren, dass wir ein Thema so lustvoll und neugierig untersuchen, dass sich uns der Tagesablauf in den Weg stellt. Hier gilt es zu hinterfragen: Können sich die Kinder jetzt auf einen Singkreis o.ä. einlassen, oder sind sie so ins Thema vertieft, dass es schon fast unachtsam wäre, sie in diesem Moment aus ihrer Beschäftigung zu reißen? Wer leidet darunter, wenn die am Projekt beteiligten Kinder an diesem Tag zehn Minuten später zum Mittagessen kommen? Leidet überhaupt jemand darunter? Sich im Austausch mit dem Team die Freiheit und Flexibilität im Alltag zu bewahren, macht es sowohl pädagogischen Fachkräften als auch Kindern leichter, intensiv, situativ und partizipativ an einem Thema zu arbeiten.

Verantwortung und Gemeinschaft: Kinder als aktive Gestalter

Verantwortung abgeben heißt in keinem Fall, die Kinder sich selbst zu überlassen. Und doch können wir ihnen einiges mehr zutrauen, als bisher gewagt. Wenn wir sie in die Planung eines Impulses miteinbeziehen und Verantwortung übertragen, fühlen sich die Kinder wertgeschätzt. Und wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkommen und andere deshalb warten müssen, dann dürfen sie auch Enttäuschung und sich als Gefüge einer Gemeinschaft spüren. Wenn sich Kinder überwiegend in kindgerechten „Sonderumwelten“ bewegen, in denen alles vorbereitet ist und zuhause in vielen Familien nahezu keine Verantwortungsübernahme mehr stattfindet – wo sollen sie dann lernen, Verantwortung zu übernehmen?

Pädagog:innen sind dafür verantwortlich, solche gesellschaftlichen Veränderungen in ihrer pädagogischen Arbeit zu berücksichtigen. Viele Themen, die heute im familiären Kontext in den Hintergrund gerückt sind, müssen durch das pädagogische Fachpersonal aufgefangen werden, um die kindliche Entwicklung – auch im Sinne der Chancengleichheit – zu fördern. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, bedarf es eines Bewusstseins über die gesellschaftlichen und institutionellen Veränderungen in Bezug auf die Kindheit im Kitaalter sowie eine aktive Verantwortungsübernahme und eine damit einhergehende zutrauende, neugierige und sich hinterfragende Haltung.

Übrigens sind Projekte in Hinblick auf die erwachsenen Teilnehmer:innen der Forschungsgruppe keine One-Man- bzw. One-Woman-Show. Wird ein Thema intensiv untersucht, kann es sich durch die gesamte Kita entwickeln, interne und externe Expert:innen miteinbeziehen und eine gute Möglichkeit für Eltern bieten, sich aktiv einzubringen. Die Arbeit mit dem Team steht hier an oberster Stelle: wenn klar ist, welches Thema im Moment bearbeitet wird, kann jedes Teammitglied seinen Beitrag leisten, Impulse geben und so Verknüpfungen zu allen Bildungsbereichen herstellen. Vor allem pädagogische Mitarbeiter:innen, die über eine Expertise aus einem anderen Bereich verfügen, gehen in dieser Art der Projektarbeit auf! Fünf bis zehn Minuten in der wöchentlichen Teamsitzung reichen für den Austausch und die Abfrage der Projektverantwortlichen, wer im Laufe der Woche etwas zum Projekt beitragen möchte.

Mehr von Jana Dengler 

Literatur 

Textor, Martin R. (2020): Projektarbeit im Kindergarten: Planung, Durchführung, Nachbereitung. Books on Demand. 

Sigg, Patricia (2023): Multiprofessionelle Teams als Faktor für Qualitätssicherung. Kita Aktuell Spezial, Nr. 6. 

Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * gekennzeichnet.