Räume für Kinder gestalten – ein Kinderspiel

Vor einiger Zeit überraschte uns ein Kollege mit der freudigen Nachricht, dass bei ihm zu Hause bald ein Kinderzimmer eingerichtet werden müsse. Aus Spaß witzelten wir, ob es dann ebenfalls – wie in unseren element-i Kinderhäusern – Funktionsräume geben würde. Er lachte nur und antwortete: „So viele Zimmer habe ich nicht.“ Ein Glück für Eltern und Kinder, nicht so viele Räume wie in einer Kita einrichten zu müssen. Und gleichzeitig lassen sich im häuslichen Umfeld kindgerechte Bereiche gestalten. Die Parallelen von Kita und Kinderzimmer liegen nah beieinander. Ich lade Sie zu einem gedanklichen Diskurs ein.

Konzepte von Kinderzimmern sind so vielfältig wie die Kinder bzw. ihre Familien: In einem Haushalt hat jedes Geschwisterkind von Geburt an sein eigenes Reich, andere Familien folgen dem Trend der Familienräume mit Funktionsschwerpunkten, und wieder andere erleben dynamische Veränderungen der gesamten Wohnbereiche über die kindliche und jugendliche Entwicklung hinweg, ohne festgelegtes Konzept. Prinzipien der Raumgestaltung können von der Kita auf den häuslichen Bereich übertragen werden. So bieten sich folgende Beispiele an, um das Kinderzimmer oder die Gestaltung der Lebensräume von Kindern im häuslichen Kontext unter die Lupe zu nehmen.

Freie Zugänglichkeit der (Spiel-)materialien

Auch zu Hause sollten die Kinder Zugang zu Spielmaterialien und Alltagsgegenständen haben – möglichst autonom. Kindern wird so ein hohes Maß an Eigenständigkeit gewährt, sowohl im unbeobachteten Spiel als auch in Übergangssituationen. Ebenso wie in der Kita lässt sich durch zugängliches Material für Kinder erleben, dass Alltagssituationen als stressfreier wahrgenommen werden und somit gelingender als Bildungssituation für das Kind wirken. Wichtig hierbei ist stets die Sicherheit, sollten die Kinder auch unbeobachtet in den Räumlichkeiten spielen bzw. agieren können. Ich denke hierbei vor allem an mit Erwachsenen gemeinschaftlich genutzte Räume, wie die Küche, das Wohnzimmer oder auch den Flur.

Ich verrate Ihnen eine Übung aus der Arbeit mit pädagogischen Fachkräften in der Kita. Nehmen Sie die kindliche Perspektive ein und lassen Sie das Zimmer auf sich wirken. Legen Sie sich auf den Rücken. Drehen Sie sich dann auf den Bauch oder gehen Sie in den Vierfüßler-Stand. Als letzte Perspektive setzen Sie sich in den Schneidersitz oder hocken Sie sich auf Ihre Knie. Damit ermöglichen Sie sich alle kindlichen Sichtweisen – von Kindern im Säuglingsalter bis zu Schulhüpfer:innen. Was sehen Sie? Wohin geht Ihr erster Blick? Welchen Impuls löst das Gesehene aus? Was würden Sie in dem Raum auf Anhieb gerne machen? Gibt es Ecken, die Sie als „Kind“ nicht mehr einsehen können, als erwachsene Person jedoch schon? Diese Übung ermöglicht es Ihnen, blinde Flecken sichtbar zu machen und mit in der Regel wenigen Veränderungen kindgerechte Zimmer zu gestalten.

Spannende und anregende Spielmaterialien

Den Kindern sollten stets ausreichend spannende und anregende Spielmaterialien mit unterschiedlichen Beschäftigungsschwerpunkten zur Verfügung stehen. Sowohl Bücher in einer Art Leseecke, Baumaterialien als auch Materialien zum künstlerischen Austoben, Musikinstrumente oder Verkleidungen können in der Wohnung oder im Kinderzimmer Platz finden. Individuelle Vorlieben oder Wünsche der Kinder sollten selbstverständlich einbezogen werden. Ebenso gilt es die Balance von Anspannung (Konzentration, Ausdauer) und Entspannung (Rückzug, Erholung) abzudecken.

Das Prinzip von Wechselmaterial lässt sich auch im Kinderzimmer ermöglichen. Erfahrungsberichte von Eltern formulieren im Wesentlichen zwei Prinzipien. Entweder wird nach einem festgelegten Zeitraum das ein oder andere Regal gezielt umgeräumt oder nicht mehr bespieltes Material findet einen Tauschgegenstand aus einer Art Tauschbörse.

Überlegen Sie, was Ihr Kind gerne und ausdauernd spielt, und beobachten Sie, wie sich das Spielverhalten ändert. Sollte ein Spielzeug an Wert verlieren, lohnt es sich möglicherweise, neues oder unbekanntes Material einzusetzen. Und „neu“ bedeutet nicht zwingend neu gekauft – es kann auch Freude bereiten, mit Freund:innen zu tauschen oder einen Flohmarkt zu besuchen. Manche Familien bedienen sich auch einer Spielbibliothek im Keller, die sie immer wieder besuchen und aus der die Kinder sich Material aussuchen und verspieltes Material verstauen können.

Reizreduzierung

Nicht nur in der Kita, sondern auch im Kinderzimmer gilt: weniger ist mehr. Aber schließt das den vorhergegangenen Punkt nicht aus? Nein, keineswegs. Die Anregung eines einzelnen Materials gewinnt vielmehr an Intensität, wenn andere Materialien nicht davon ablenken. Hierzu ein kurzer Gedankenausflug: Stellen Sie sich ein wunderschönes, neues Ferienhaus in den österreichischen Bergen vor. Die Wände sind aus frischem Kieferholz, der Boden bezaubert mit dunklen Echtholz-Eichendielen. Die Türen, extra angefertigt, bestechen mit einer unbehandelten Naturholzoptik. Als letzter Eyecatcher rundet die Nussbaumküche den Wohnbereich ab. Jedes der einzelnen Holzelemente ist beachtungsvoll und eindrücklich. Und doch geschieht in diesem Ferienhaus Folgendes: jede Holzart besticht mit einer eigenen Besonderheit. Durch den direkten Bezug eines jeden Holzelements zu einem anderen beginnt sich der Wert eines jeden einzelnen zu reduzieren. Stellen Sie sich hingegen die Eichendielen in Kombination mit weißen Wänden oder die Kieferwände mit einem gefliesten Boden vor. Hebt diese Vorstellung nicht die Wertigkeit des einzelnen Holzelements? Dieses Beispiel rückt die Attraktivität eines jeden Spielzeugs für Kinder in Kombination mit anderen Spielmaterialien in ein neues Licht und kann bei einer bewussten Auswahl der Materialien sowie der Präsentation im Kinderzimmer unterstützend sein.

Hohe Qualität des Spielmaterials

In unseren Kinderhäusern legen wir großen Wert auf eine gute und nachhaltige Qualität der Spielmaterialien. Auch im Kinderzimmer sollten die Kinder die Möglichkeit haben, mit echten Gegenständen oder Spielmaterialien aus wertvollen Rohstoffen zu spielen. Holz statt Plastik, Baumwolle statt Polyester – es klingt so einfach und ist doch so schwer. Spielwarenläden bieten uns viele bunte multifunktionale Kinderspielzeuge aus Plastik und Co. Ein Kinderset Küchenutensilien in pink, gelb und blau ist schnell gekauft. Mindestens ebenfalls so schnell können wertige und nachhaltige Materialien gesucht werden. Alte Töpfe eignen sich ab einem gewissen Alter der Kinder sehr gut in der Kinderküche (oder dem Sandkasten). Ausrangierte Kellen, Geschirrtücher oder Waschlappen sind lebensecht und ersetzen gekauftes Spielzeug im Kinderzimmer.

Unabhängig davon, welches räumliche Konzept Sie für sich und Ihre Familie in den eigenen vier Wänden leben – kind- und familiengerecht können alle sein. Und ergänzend zu der Lebenswelt zu Hause schließt sich die Kita als wertvolle räumliche Ergänzung zum Kinderzimmer an.

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