Die Bundestagswahl ist entschieden. Themen wie Migration, die strukturelle Wirtschaftskrise, die marode Infrastruktur oder das Erstarken der „Alternative für Deutschland“ erhitzten die Gemüter. Von Brandmauern war die Rede. Am Beispiel Migration erlebten wir, wie emotionalisiert die Stimmung in Teilen von Deutschland ist. Warum ist das so? Einer dieser Gründe ist, dass in der Bevölkerung unterschiedlichste Wertevorstellungen aufeinandertreffen. Dabei geht es um Werte wie Freiheit, Sicherheit, Schutz, Frieden oder Hilfsbereitschaft. Umso wichtiger ist, einem inneren Wertekompass folgen zu können, der uns Sicherheit und Orientierung gibt und handlungsleitend für unsere Entscheidungen ist. In diesem Newsletter soll beleuchtet werden, wie Werte bei Kindern entstehen und welche Bedeutung der Begriff „Wertekompetenz“ hat, der es Erwachsenen ermöglicht, auf einer kognitiven Ebene über unterschiedliche Wertevorstellungen in den Diskurs zu gehen.
Gerade in unserem Berufsfeld, in dem es darum geht, Kinder zu gesellschaftsfähigen Menschen zu erziehen, ist eine Auseinandersetzung mit Werten zwingend erforderlich. Jederzeit suchen die Kinder durch ihre vielen Fragen nach Orientierung und Antworten. Sie eignen sich so die Welt an, möchten Abläufe und Entscheidungen verstehen und hinterfragen diese auch gern.
Welche Werteprioritäten haben Kinder, und unterscheiden sich die Wertevorstellungen von Kindern und Erwachsenen?
Die Studienlage ist recht eindeutig. Unabhängig von Alter, Geschlecht und Kultur sind den Menschen so genannte „Humanistische Werte“ am wichtigsten (Döring et al. 2018, S. 44). Dennoch gibt es kulturspezifische Unterschiede. Die Wertepräferenzen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland zeigen ein hohes Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Sicherheit (Offenheit für Wandel, Werte der Bewahrung). Darüber hinaus gibt es Geschlechterunterschiede, die besagen, dass Mädchen Werte rund um den Humanismus (Selbsttranszendenz) wichtiger sind als Jungen. Den Jungen wiederum ist es wichtiger, sich selbst zu verwirklichen (Offenheit für Wandel). Diese Entwicklungen sind bis in Jugendalter zu beobachten (Döring et al. 2018, S. 44ff.). Neben den interindividuellen Wertepräferenzen ist die Frage der Sozialisation der Kinder zu klären.
In welchem Wertesystem wachsen die Kinder auf?
Hierbei ist erwähnenswert, dass nicht etwa die Kultur den größten Einfluss auf die Werteentwicklung der Kinder hat, sondern die Familie. Nehmen wir an, der Wert „Selbstbestimmung“ ist für das Elternhaus ein sehr wichtiger. Es liegt nahe, dass dieser Wert in die Erziehung miteinfließt und die Kinder in Folge häufig mit diesem Wert durch Verhaltensweisen der Eltern konfrontiert werden: indem sie beispielweise häufig an Entscheidungen partizipieren können, um ihre Meinung gefragt werden oder sie bereits in frühen Jahren lernen, Entscheidungen zu treffen. Der Wert „Selbstbestimmung“ ist eine Art Leitlinie für das Verhalten, dass sich in unzähligen Situationen und Interaktionen dem Kind offenbart. Man spricht von der so genannten Eltern-Kind-Wertetransmission (Döring et al. 2018, S. 48f.).
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Kinder ihre eigenen Werte, die nicht ausschließlich auf den Werten der Eltern beruhen, auch an die Eltern vermitteln. Es ist demnach eine Wechselseitigkeit zwischen den gelebten Werten der Eltern und der Kinder zu beobachten. Im Alltag, in der Kita, im Verein, im Sozialraum, werden Kinder mit unterschiedlichen Werten konfrontiert. Und unsere Aufgabe als verantwortliche Bildungs- und Erziehungspartner:innen besteht darin, den Kindern als Interaktionspartner:innen und Rahmengeber:innen zur Verfügung zu stehen, um ihnen zu ermöglichen, Wertekompetenzen zu entwickeln. Darüber hinaus geben wir Erwachsenen ihnen Orientierungen, welche Werte in einer funktionierenden Demokratie von Bedeutung sind. Bei der Entwicklung von Wertekompetenzen geht es auch darum, mit Werten, die einem zunächst fremd oder vielleicht sogar „falsch“ erscheinen, reflektiert umzugehen und den Dialog zu suchen (Tegeler & Märtin 2017, S. 11ff.).
Der innere Motor der Kinder, wissen zu wollen, wie die Welt funktioniert, und verstehen zu wollen, warum Dinge so sind, wie sie sind, wird Ihnen Anreize für gezielte Angebote, Projekte, Tischgespräche oder ähnliches geben.
- Wie bewusst ist es Ihnen, dass Sie in Ihrer täglichen Arbeit Werte vermitteln?
- Welche Werte sind Ihnen wichtig?
- Welche Werte sind es wert, weitergetragen zu werden?
- Wie vermitteln Sie Werte und in welchen Situationen im Tagesverlauf?
Unabhängig von der Zukunft, die die Kinder erwartet, ist es wichtig, dass sie einen inneren Kompass und eigene Leitlinien entwickeln, um in der Gesellschaft von morgen handlungsfähig zu sein und Entscheidungen zu treffen, die auch das Schicksal anderer Menschen mitberücksichtigt.
Literatur:
Döring, A., Cieciuch, J., Boehnke, K., Makarova, E., Liedtke, G., Najderska, M., Frommelt, M. (2018). Werteentwicklung im Kindes- und Jugendalter. Zürich: Liber Libri.
Tegeler, J., & Märtin, R. (2017). Leitlinien für die Wertebildung von Kindern und Jugendlichen. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.