Zwischen Tür und Angel: Kurze Gespräche als ein Baustein für eine gelingende Erziehungspartnerschaft

Stellen Sie sich vor, Sie sind für die Übergabe der Kinder beim Abholen zuständig. Herr Müller kommt, um seinen Sohn Paul abzuholen. Sie begrüßen ihn freundlich, fragen nach, wie sein Tag war und sagen ihm, dass Paul gerade im Bewegungsraum mit den anderen Kindern spielt. Sie informieren den Vater, dass Paul heute einen guten Tag hatte, viel im Garten war und ihm das Essen geschmeckt hat. Er stellt noch eine Frage, die Sie sogleich beantworten. Der Vater holt Paul im Bewegungsraum ab. In dieser Zeit kommen weitere Eltern, um ihre Kinder abzuholen. Als Herr Müller und Paul in der Garderobe fertig sind, fragen Sie nach, ob Paul seine Flasche hat, wünschen den beiden einen schönen Nachmittag und widmen sich dem nächsten Elternteil. Herr Müller geht mit einem guten Gefühl nach Hause, und Paul freut sich sichtlich auf den nächsten Tag im Kinderhaus. Eine alltägliche Situation im Kinderhaus – oder etwa nicht?

Übergang zwischen zwei Welten – Kita und Zuhause

Die Kinder erleben in Bring- und Abholsituationen täglich einen Übergang zwischen der Lebenswelt Kita und der Lebenswelt zu Hause. Sie kommen in der Kita an und bringen bereits mit, wie sie geschlafen haben, wie der Vormittag war. Nach der Kita gehen sie nach Hause uns haben viel erlebt, was ihre Eltern nicht wissen. Der tägliche Übergang ist ebenfalls für die Eltern von Bedeutung, um ihr Kind täglich mit einem guten Gefühl in die Kita zu bringen. Immer wieder werden diese Übergänge jedoch anders erlebt. Es kann ein unangenehmer Druck entstehen, wenn mehrere Eltern auf einmal ihre Kinder abholen möchten. Es kann das Gefühl aufkommen, nicht allen gerecht zu werden. Die Eltern spüren die Unruhe und fragen sich, wie wohl der restliche Tag abgelaufen ist. Vielleicht vermissen Eltern durch die vielen anderen Anwesenden die Aufmerksamkeit, die sie sich wünschen oder benötigen.

Für eine gelingende Erziehungspartnerschaft sind die täglichen Tür- und Angelgespräche ein wesentlicher Baustein. In diesen Übergängen erhalten Eltern einen Einblick in den Kinderhausalltag. Sie sehen Momentaufnahmen, wie z.B. eine Mitarbeiterin mit einem Kind im Dialog ist, wie ein Konflikt geklärt wird oder Kinder in der Garderobe begleitet werden. Sie erleben die Mitarbeitenden im Umgang untereinander, wie Absprachen getroffen werden oder wie mit Eltern kommuniziert wird. Die Eltern nehmen in diesen Momenten die Atmosphäre im Kinderhaus wahr und machen sich ein Bild davon, wie der restliche Tag – aufgrund der erlebten Sequenzen beim Bringen und Abholen – ausgesehen haben könnte.

Ziel der Tür- und Angelgespräche ist es, mit den Eltern niedrigschwellig in Kontakt zu kommen und ein gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. In diesem Rahmen fällt der gemeinsame Blick auf das jeweilige Kind. Dabei werden Informationen ausgetauscht, die aktuell für das Erleben des Kindes relevant sind. Durch die Gespräche wird eine Basis geschaffen, um mit Eltern, auch bei kritischen Themen oder Entwicklungsauffälligkeiten, in einen guten Austausch zu kommen.

Wie kann der Beziehungsaufbau gelingen?

Tür und Angelgespräche eignen sich, um recht ungezwungen eine Beziehung zu den Eltern aufzubauen. Wenn sich Eltern und Kinder im Kinderhaus willkommen und wohl fühlen, sie angesprochen und gesehen werden, entsteht ein erstes Vertrauen in das Kinderhaus und die Mitarbeitenden. Begrüßen Sie die Eltern und das Kind offen und freundlich durch direkte Ansprachen und das an jedem Tag. Zeigen Sie ein echtes Interesse an der Lebenswelt zu Hause, indem Sie die Themen der Eltern wahr- und ernst nehmen. In der Abholsituation benötigen die Eltern von Ihnen einen Einblick darüber, wie der Tag ihres Kindes war. Durch einen guten Austausch wird das Vertrauen gestärkt und den Eltern Sicherheit vermittelt. Da sie nicht jedes Kind den ganzen Tag im Blick haben können, eignet sich hierzu ein Übergabebuch, in welches alle relevanten Informationen von allen Mitarbeiter:innen über die Kinder eingetragen werden. Wenn Eltern nachfragen, nehmen Sie sich dieser Fragen an, auch wenn Sie die Fragen zum wiederholten Male an dem Tag hören. Sollten Sie selbst die Frage, trotz Übergabebuch, nicht beantworten können, ist es hilfreich zu überlegen, ob sie die Eltern an die entsprechende Kolleg:in verweisen oder den Eltern eine Rückmeldung am kommenden Tag in Aussicht stellen. Die Eltern können so spüren, dass Sie für die Kinder und einen guten Tag im Kinderhaus Verantwortung übernehmen.

Welche Informationen werden ausgetauscht?

Tür und Angelgespräche dienen einem Austausch von grundlegenden Informationen. Zeigen Sie aktives Interesse an der Lebenswelt der Familie, indem Sie beispielsweise nachfragen, wie der Morgen war oder ob es etwas gibt, was sie wissen sollten, sodass Sie einen Einblick bekommen, wie das Kind im Kinderhaus ankommt oder was das Kind beschäftigen könnte. In der Abholsituation ist es Ihre Aufgabe, die Eltern in einem kurzen Gespräch proaktiv darüber zu informieren, wie der Tag ihres Kindes war, beispielsweise wie das Kind geschlafen hat, ob es gut ins Spielen gekommen ist, welchen Interessen es nachgegangen ist. Sollten besondere Ereignisse – kleinere Verletzungen, Streitereien unter den Kindern – vorgefallen sein, helfen Ihre Informationen den Eltern, die Situation gut einzuschätzen und zu wissen, dass Sie transparent sein möchten. Holen Sie die Eltern ab, indem sie Ihnen die notwendigen Informationen zum Tag proaktiv mitteilen. Gerade bei jüngeren Kindern bekommen die Eltern so einen Einblick in das Geschehen im Kinderhaus und die Erlebnisse ihres Kindes. Besonders die jüngeren Kinder können sich noch nicht selbst verbal mitteilen; ältere Kinder können Erlebnisse u.U. missverständlich wiedergeben. Sie beugen mit einem guten Austausch vor, dass aus zu kargen Informationen Vermutungen oder Befürchtungen entstehen.

Welche Haltung nehme ich ein?

Wenn Eltern ihre Kinder in das Kinderhaus bringen oder sie abholen, begegnen Sie Ihnen mit einer professionellen Haltung. Zu dieser gehört es, den Eltern authentisch gegenüberzutreten und eine Sicherheit auszustrahlen. Hierbei sind eine offene Körperhaltung und Blickkontakt ausschlaggebend. Indem Sie ansprechbar für die Eltern sind und Interesse für die Themen zeigen, können sie mit den Eltern in einen wertvollen Dialog über das Kind kommen. Wenn Sie selbst optimistisch sind und diese Haltung ausstrahlen, kommen Sie in einen guten Kontakt mit den Eltern. Holen Sie sich bei Fragen und Unsicherheiten Unterstützung von Kolleg:innen. Auch dies gehört zu einer professionellen Haltung. Vermitteln Sie den Eltern, dass Sie mit Ihrer vollen Aufmerksamkeit bei ihnen sein möchten, indem Sie sie bitten zu warten, wenn mehrere Eltern gleichzeitig ihr Kind abholen möchten. Sollten Themen aufkommen oder Rückmeldungen notwendig sein, die über ein Tür- und Angelgespräch hinausgehen, bieten Sie einen passenden Rahmen an oder vereinbaren Sie einen separaten Gesprächstermin mit den Eltern. Durch eine gute Organisation der Bring- und Abholsituation erleben die Eltern, dass das Team einen guten Überblick sowie einen guten Blick auf jedes einzelne Kind hat. Dies schafft Vertrauen und zeigt die Professionalität, mit welcher Sie Eltern begegnen.

Eltern möchten jeden Tag das gute Gefühl haben, dass ihr Kind einen guten Tag im Kinderhaus erlebt hat. Wenn Eltern dann noch erfahren, was ihr Kind gebaut, im Atelier kreiert hat, mit wem es gestritten und wie hoch es geklettert ist, was sie als Pädagog:innen mit Kindern erlebt und gestaltet haben, zaubern diese Informationen möglicherweise ein Lächeln aufs Gesicht der Eltern. Indem Sie den Eltern diese Einblicke verschaffen, tragen Sie zu einem Vertrauensaufbau der Eltern in ihre tägliche Arbeit und eine gute Atmosphäre im Kinderhaus bei.

Mehr von Svenja Korber

Literatur

Huppertz, Norbert. (2021): Das Tür-Angel-Gespräch im Rahmen der Elternarbeit
aufgerufen am 03.06.2024: https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/elternarbeit/formen-der-elternarbeit/das-tuer-angel-gespraech-im-rahmen-der-elternarbeit/

Roth, Xenia (2022): Handbuch Elternarbeit. Freiburg: Herder

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