Potentiale – wie Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen entwickeln

In unterschiedlichen Bereichen kommen wir mit dem Begriff „Potential“ in Berührung. Wie hoch ist das Wachstumspotential von China im Vergleich zu Deutschland Welche Potentiale liegen in Veränderungsprozessen? Wieviel Potential hat Mitarbeiter:in X, um als Führungskraft perspektivisch durchzustarten? Übergeordnet betrachtet stellt sich also die Frage „Was ist noch möglich und wieviel Sinn macht es Energie, Zeit und Geld zu investieren?“ Aus Sicht der Unternehmen ist diese Frage essenziell, um agil und wettbewerbsfähig zu bleiben. Auf Grund der demografischen Entwicklung – rückläufige Geburten und zunehmende Überalterung der Gesellschaft – fehlen in Deutschland kurz- bis mittelfristig sehr viele Arbeitskräfte (Scheele 2022, S. 3). Die verbliebenen Fachkräfte sind mitunter in einer vermeintlich komfortablen Situation: Sie können sich die Unternehmen aussuchen und nicht länger die Unternehmen die Fachkräfte (Vehr 2002, S. 2). Demzufolge müssen sich Unternehmen zwangsläufig die Frage stellen, welche Potentiale im eigenen Unternehmen vorliegen, um die definierten Ziele zu erreichen. Die internen Mitarbeiter:innen haben eine entscheidende Rolle, wenn Strategien für die Zukunft geplant werden. Meinen Blick möchte ich darauf richten, wie die noch unentdeckten Führungskräfte von morgen, sogenannte Potentialträger, zielgerichtet an Führungstätigkeiten herangeführt werden.

Zielgerichtete Förderung

Bezogen auf die element-i Kinderhäuser ist eine der Kernaufgaben der Teamleitungen, die Kompetenzen der Mitarbeiter:innen weiterzuentwickeln, um zum einen die Qualität des Hauses auf der Ergebnisebene zu sichern und zum anderen den Mitarbeiter:innen aktiv die Möglichkeit zu geben, fachlich und persönlich voran zu kommen. Anders ausgedrückt, werden Zeit, Energie und Geld investiert, um einen positiven Effekt in der Zukunft zu generieren. Dabei wird mit Prognosen und Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Ein angestrebter positiver Effekt kann eintreten, er kann aber auch ausbleiben. Dennoch hat Potentialentwicklung wenig mit Zufällen zu tun, vielmehr mit einer zielgerichteten Steuerung, häufig initiiert durch die verantwortlichen Führungskräfte. Ich gehe im Folgenden darauf ein, wie systematisch man den Potentialen innerhalb des Unternehmens auf den Grund gehen kann.

Potentiale wahrnehmen

Potentiale sind beobachtbar und messbar, da es sich um stabile Eigenschaften handelt. Eine „gute“ Mitarbeiterin bleibt eine gute Mitarbeiterin, selbst an einem für sie schlechten Arbeitstag. Warum ist das so? Stellen Sie sich eine Pädagogin vor, die offen für neue Ideen ist, selbst innovativ agiert sowie konstruktiv denkt und kommunikativ ist. Diese Eigenschaften sind ein Teil ihres Selbstkonzeptes. Diese Mitarbeiterin macht sich nicht jeden Morgen Gedanken darüber, ob sie heute kommunikativ oder konstruktiv sein wird. Sie ist, wie sie ist. Diese Eigenschaften spiegeln sich in ihrer Denkweise und ihrem Handeln wider und sind somit, gemessen über einen längeren Zeitraum, beobachtbar und verifizierbar (Eichinger & Lombardo, 2000, S. 321ff.). Die „gute Pädagogin“ dient hierbei als Metapher, um aufzuzeigen, dass Eigenschaften, die beispielweise einer Führungstätigkeit zuträglich sind, durch systematische Beobachtung herausgefiltert werden können. Die Anforderungen, welche an die Führungskräfte gestellt werden, liegen darin, die Facetten der Eigenschaften wahrzunehmen, ihnen mit Neugier nachzugehen, sie in den Gesamtkontext einzuordnen und weiterzuentwickeln.

„Eine «Potenzialeinschätzung», die die bisherige Leistung ausklammert oder nur unzureichend einbezieht, verdient diesen Namen nicht. «Potenzial» kann nicht nur nach dem «Prinzip Hoffnung» zuerkannt werden, sondern muss auf der Grundlage bisheriger Leistungen begründbar und auf die Zukunft extrapolierbar sein“ (Jetter 2009, S. 13).

An Herausforderungen wachsen

Ein Unternehmen braucht eine klare Vorstellung davon, wie und wohin sich Potentialträger entwickeln sollen. Auf diesem Weg müssen die Potentialträger aktiv und transparent „mitgenommen“ werden. Beispielsweise indem sie Chancen erhalten, sich aktiv mit ihren Kompetenzen auseinandersetzen und zu wachsen. Es werden ihnen Aufgaben übertragen, die sie herausfordern. Die Ergebnisse werden wiederum reflektiert und analysiert, sodass eine Weiterentwicklung sichergestellt und der weitere Weg geebnet werden kann. Dies wird die sie zusätzlich motivieren, da ihre Fähigkeiten wahrgenommen werden und sie zudem die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten anzuwenden. In der Folge werden ihre Handlungen sicherer und das Wissen verfestigt sich durch die erlebte Praxis. „Wer wäre besser dafür geeignet als diejenigen, die darauf brennen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und nichts lieber tun, als an neuen Herausforderungen zu wachsen“ (Jetter 2009, S. 26).

Klare Erwartungen

Klare Erwartungen sind unabdingbar, um sowohl den Potentialträgern eine Orientierung zu bieten und gleichzeitig den „Entwicklern“ einen Ansatzpunkt zu geben, woran mit den potenziellen Führungskräften gearbeitet werden muss. Im Fokus stehen personale, soziale und methodische Kompetenzen, die im ersten Schritt gesichtet werden müssen. Nach Feststellung eines Ist-Standes beginnt die eigentliche Arbeit der Potentialentwicklung; entsprechende Maßnahmen werden hierzu entwickelt. Aufgaben werden übertragen, Ziele werden umgesetzt und Reflexionsprozesse angestoßen. Nach einer Umsetzungsphase werden die Veränderungen begutachtet und bewertet. Anders ausgedrückt: Der Erfolg wird gemessen; und damit beginnt der Prozess von vorn. Hierbei handelt es sich um Kompetenzmodelle, die unternehmensspezifisch ausgearbeitet werden, um zielgenau und systematisch die Talententwicklung passend zum jeweiligen Unternehmen sicherzustellen (Bergner et al. 2016, S. 329). In diesen Kompetenzmodellen ist die Unternehmensphilosophie und Führungskultur mit eingearbeitet, sodass elementare Werte des Unternehmens von Führungsgeneration zu Führungsgeneration weitergetragen und verinnerlicht werden. Bei KONZEPT-E spielt beispielweise der Slogan #eskommtaufmichan eine gewichtige Rolle und zeigt auf, dass Selbstführung und Verantwortungsbewusstsein wichtige Werte sind, mit denen sich die Mitarbeiter:innen identifizieren.

Beidseitiger Gewinn

Gelingt die Entwicklung von personellen Ressourcen oder Potentialen, ist das ein Gewinn für beide Seiten – eine so genannte win-win-Situation: das Unternehmen wie auch die Mitarbeiter:innen haben Vorteile davon.
Das Ziel, Führungskraft zu werden, kann ein Weg sein, es muss aber nicht zwingend angestrebt werden. Bei der Potentialentwicklung geht es primär um Entwicklung. Die Entwicklung von Mitarbeiter:innen verläuft selten linear, Ziele verändern sich, ebenso die Situationen in den Unternehmen und somit auch die internen Stellen, welche perspektivisch zu besetzen sind. Somit handelt es sich um einen agilen Prozess, bei welchem es aus Sicht der Unternehmen darum geht, unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Ambitionen unterschiedliche Tätigkeitsfelder anzubieten, um innerhalb des Unternehmens auf lange Sicht Fuß zu fassen. Zielführend ist daher eine breit angelegte Strategie, um Talenten im Unternehmen Chancen zu eröffnen. Ebenso haben die Potentialträger die Verantwortung, sich zu positionieren, um dem Unternehmen zu signalisieren, dass sie sich mit den Werten und Inhalten identifizieren und sich weiterentwickeln möchten.

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Literatur

Bergner, S., Kreuzthaler, A., & Rybnicek, R. (2016). Kompetenzgeleitete Entwicklung von Führungskräften. In J. Felfe, & R. van Dick, Wirtschaftspsychologisches Praxiswissen für Fach- und Führungskräfte (S. 329-330)). Berlin Heidelberg: Springer Reference Psychology.

Eichinger, R., & Lombardo, M. (2000). Human Resource Management. High potentials as high learnes, S. 321 – 329.

Jetter, W. (2009). Abschied vom Assessment Center. In U. Pekruhl, Jahrbuch 2009 (S. 13). Zürich: Weka Verlag.

Scheele, D. (17. Juli 2022). Die Arbeit wird uns nicht ausgehen – aber… WirtschaftsWoche (Ausgabe 28), S. 3.

Vehr, V. (August 2002). Ich bin dann mal weg – Von der Bedeutung der Führung und Mehr. OMNIdirekt (Ausgabe 13), S. 1-3.

 

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