Von Nudeln und Werkstätten –
Alltagsmotorik im Fokus

Durch die Kita zieht der appetitliche Geruch frisch gekochter Tomatensoße. Auf dem gedeckten Tisch dampfen Soße und Nudeln. Alle hungrigen Kinder finden sich auf dem Marktplatz des Kinderhauses ein. Die Mahlzeit kann beginnen. Wenn da nicht eine Frage offen wäre: Wie kommen eigentlich Nudeln auf den Teller, dann auf die Gabel und schließlich in den Mund?

Der Vormittag im Kinderhaus hat begonnen, die Kinderkonferenz ist beendet. Unter anderem findet ein spannendes Projekt in der Werkstatt des Kinderhauses statt. Viele Kinder haben sich dafür entschieden, ins obere Stockwerk in die Werkstatt zu gehen. Doch auch hier ist die Frage: Wie kommt ein Kind hinauf zur Werkstatt und vor allem wie hinein?

Alltagsmotorik: Passiert das alles von selbst?

Einfache Fragen zu alltäglichen Situationen, die jede*r kennt und regelmäßig selbst erlebt. Doch wer hat sich schon einmal damit beschäftigt, wie solch alltägliche Fragen beantwortet werden können?

Hinter der Begrifflichkeit Alltagsmotorik verbergen sich nahezu alle Antworten auf die obenstehenden alltäglichen Fragen. Während sich die inhaltliche Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit oftmals mit der Entwicklung der Sportmotorik beschäftigt, fristet der Begriff der Alltagsmotorik oftmals ein Schattendasein. Deswegen werden die Scheinwerfer nun bewusst auf die Alltagsmotorik gerichtet.

Als Alltagsmotorik wird die Gesamtheit aller nötigen Bewegungen bezeichnet, die der Mensch täglich verrichten soll oder muss, um seinen Alltag bewältigen zu können – somit auch das Aufrollen von leckeren Spagetti auf eine Gabel. Alltagsmotorik kann daher als Grundlage für alle weiteren Entwicklungsschritte des Menschen angesehen werden, beispielsweise die oben angesprochene Sportmotorik.

Alltagmotorische Fähigkeiten entwickelt der Mensch im Tun und den individuell anstehenden nächsten Entwicklungsschritten entsprechend. Dabei sind zwei Aspekte von Relevanz:

  1. Die Entwicklung der Alltagsmotorik trifft eine Aussage zum Reife- und Entwicklungsstand eines Menschen.
  2. Die Qualität der genutzten Alltagsmotorik trifft außerdem Aussagen über die individuelle Bewegungsfreude sowie den Entwicklungsgrad des Bewegungsapparats eines Menschen.

Förderung: Kindern einen Rahmen geben

Welche Förderung braucht nun der Mensch zur Entwicklung alltagsmotorischer Fähigkeiten – wenn doch, wie oben beschrieben, eine allmähliche und selbstständige Entwicklung in diesem Bereich stattfindet? Kommt also die Spagetti – mehr oder weniger – von allein in den Mund? Gelangt der Mensch von selbst ins obere Stockwerk in den spannenden Funktionsraum?

Grundsätzlich benötigen Kinder einen begleitenden und unterstützenden Rahmen zur Entwicklung aller motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Je vielfältiger die Materialauswahl, je vielfältiger die Nutzung der räumlichen Möglichkeiten ist, desto mehr Raum bekommt auch die nahezu selbstständig ablaufende Entwicklung der alltagsmotorischen Fähigkeiten. Dabei gilt es den Entwicklungsstand der jeweiligen Kinder im Blick zu behalten. Der Weg führt also vom nicht angeleiteten impliziten Rahmen hin zu komplexeren Bewegungsabläufen.

Die Begleitung der alltagsmotorischen Entwicklung von Kindern setzt also kein didaktisches, wissenschaftliches Wissen voraus, sondern gründet vor allen Dingen auf der Beobachtungsgabe der beteiligten pädagogischen Fachkräfte. Wenn ich Kindern einen impliziten Rahmen gebe, um Auge-Hand-Koordination oder die Feinmotorik der eigenen Hände zu entwickeln, wird auch das Mittagessen mit den schmackhaftesten Nudeln zu einem ebenso sinnlichen wie motorischen Erlebnis für alle Kinder in unseren Kinderhäusern. Diese Beobachtung wiederum schließt alle Wege der Nudel in den Mund ein. So macht auch die Nudel eine Entwicklung durch, die sich gut beobachten lässt. Von den geschnittenen Spagetti, die vielleicht mit der Hand auf den Löffel geschoben werden, hin zu aufgerollten Spagetti, die in Spindelform und mit Soße getränkt den Weg in den Mund finden.

Diese Abläufe spielerisch zu begleiten und im Alltag zu verorten, das war auch die Idee zur Entwicklung der Dibbla-Bewegungskarten durch den VSK. Sie können vielfältig im Alltag eingesetzt werden und geben Kindern die Möglichkeit, auch in Übergängen spannende Bewegungsanreize zu erhalten. Damit kann auch der Weg der Spagetti in den Mund oder der Weg hin in die Werkstatt bereits zu einem Lernraum für Kinder werden, der intuitiv am einzelnen Kind ansetzt.

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