In unserem KiTa-Alltag wünschen wir uns einen wertschätzenden Umgang miteinander. Wir wollen mit dem, was wir sind, was wir machen und geleistet haben, gesehen und anerkannt – wertgeschätzt – werden. Oder wie es Marie von Ebner-Eschenbach (*1830/ †1916) ausdrückt: „Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.“ Was aber ist Wertschätzung? Was verstehe ich selbst als Person darunter, was mein Gegenüber? Wann empfinde ich etwas als wertschätzend? Was muss mein Gegenüber dafür über mich wissen? Wie kann ich meine Wertschätzung zeigen?
Der Begriff „Wertschätzung“ wird oft mit Lob und Anerkennung einer bestimmten Leistung oder Fähigkeit verbunden – das ist eine Perspektive. Wertschätzung jedoch ist mehr: Es ist eine Herzens- und Geisteshaltung, die den Menschen als Ganzes sieht, unabhängig von seinen Leistungen oder Taten. Solch eine aufrichtige Wertschätzung basiert auf Achtung und Respekt gegenüber jedem Menschen und darauf, seine Einzigartigkeit zu erkennen und zu würdigen. Auch die Stärke, anderen Menschen ihre Fehler zu verzeihen, ist eine Form der Wertschätzung.
Selbstwertschätzung – sich selbst als wertvoll erachten
„Ich bin wertvoll, unabhängig von meinem Verhalten oder persönlichen Fehlern.“ In einem solchen Glaubenssatz drückt sich ein positiver Selbstwert aus, der eine wertschätzende Haltung anderen gegenüber beinhalten kann. Gelingt es Menschen, diesen Glaubenssatz in angemessener Form sprachlich oder nonverbal auszudrücken, so lässt sich Kraft daraus schöpfen. Gegebene und entgegengenommene Wertschätzung vergrößern das Selbstwertgefühl – sowohl bei der Geber*in als auch bei der Empfänger*in.
Wer anderen Menschen Wertschätzung schenkt, schafft gleichzeitig die Basis für gute Beziehungen. Und gute Beziehungen können uns im besten Sinne antreiben und motivieren. Und sie sorgen für eine gutes Klima – am Arbeitsplatz oder anderswo. Wenn wir von Menschen umgeben sind, die uns wertschätzen und respektieren, fühlen wir uns wohl, sind locker und belastbar. Das hängt mit der Ausschüttung von Hormonen zusammen, die uns glücklich machen, unsere Konzentration und Beziehungen stärken sowie unsere Leistung steigern. Man kann also behaupten, dass Wertschätzung einen positiven Effekt auf unsere Gesundheit hat.
Wie schätze ich andere wert?
Wertschätzung benennt konkret, was sie schätzt. Es muss klar werden, womit sie „verdient“ wurde. Ein Schulterklopfen im Vorbeigehen ist nicht unbedingt eine Wertschätzung. Dazu wird die Geste erst, wenn der- oder diejenige auch weiß, was der Auslöser für das Schulterklopfen war. Angemessen wertschätzen heißt auch, bei den Fakten zu bleiben, also weder zu übertreiben noch herunterspielen. Niemand möchte für Belanglosigkeiten übermäßig herausgehoben werden. Gleiches gilt für unkonkrete Allgemeinplätze, für das Lob nach dem Gießkannenprinzip. Anerkennende Worte und Gesten sollten an die Person adressiert sein, die es betrifft. Der Empfänger muss spüren: „Ich bin ganz persönlich gemeint.“ Man könnte auch sagen, dass der Wertschätzende dem anderen so auf Augenhöhe begegnet.
Wie kann ich konkret Wertschätzung zeigen?
Begrüßung: Bei der Begrüßung kann man einander viel Respekt entgegenbringen und zugleich die Distanz zwischen sich und dem Gegenüber reduzieren. Ein freundliches Wort nimmt nicht viel Zeit in Anspruch, sollte der Person zeigen, dass sie einem wichtig ist.
Bedürfnisse erkennen: Einen anderen Menschen wert zu schätzen, bedeutet auch, dessen Bedürfnisse zu erkennen und ernst zu nehmen. Auch darin drückt sich ein aufrichtiges Interesse aus. Das Erkennen und Ernstnehmen von Bedürfnissen bedeuten nicht zwingend, sie erfüllen zu müssen oder erfüllen zu können.
Ungeteilte Aufmerksamkeit: In der Kommunikation mit anderen Menschen ist es wesentlich, bei der Sache zu sein. Wer sich auf den Augenblick konzentriert, lässt sich auf sein Gegenüber ein. Dazu gehört es, genau zuzuhören und das Anliegen der Mitmenschen zu erfassen und darauf einzugehen.
Lächeln: Ein Lächeln vermittelt Sympathie und Zuneigung. Es ist ein einfacher Weg, jemanden Anerkennung und Wertschätzung zu vermitteln. Ein Sprichwort aus China besagt, dass der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ein Lächeln ist.
Auf Augenhöhe: Seinen Mitmenschen zeigt man Wertschätzung, indem man sich mit ihnen auf Augenhöhe (psychisch und physisch) begibt und sich selbst zurücknehmen kann. Wenn man bereit ist, Fähigkeiten oder Eigenschaften von anderen zu schätzen, die man selbst vielleicht (noch) nicht entwickelt hat oder entwickeln möchte, ist das eine gute Basis. Man könnte es auch so ausdrücken: „Begegne deinen Mitmenschen mit dem gleichen Respekt, den du dir selbst auch wünschst.“
Respektvoll kommunizieren: Spätestens an diesem Punkt erkennen wir, ob die Wertschätzung wirklich eine Haltung oder nur ein Lippenbekenntnis ist. Am Umgang mit Fehler lässt sich der Gedanke gut erläutern. Fehler gehören zu unserem Alltag. Und sie müssen benannt werden, damit die Chance, daraus zu lernen, nicht vergeben wird. Leicht sagen sich Sätze wie: „Frau/Herr Maier, das geht so gar nicht, was haben Sie sich bloß dabei gedacht?“ Ein Vertrauen in die Kompetenz des anderen drückt sich aus in einer Rückmeldung wie dieser: „Frau/Herr Maier, Ihre Idee hat aus diesen Gründen … nicht funktioniert. Wie kann es beim nächsten Mal gelingen?“
Dankbarkeit: Was passiert, wenn man sich angewöhnt, bei jedem Menschen Dinge zu finden, die er oder sie gut macht? Erkenne ich auch Kleinigkeiten im Alltag an? Ein aufrichtiges „Danke“ zeigt, dass man es schätzt, was die Person geleistet hat. Wenn man also versucht, stets die guten Seiten der Mitmenschen in den Fokus zu rücken, drückt man damit Dankbarkeit aus.
Um Rat bitten: Kaum jemand wird sich weigern, sein Können und Wissen weiterzugeben, wenn er darum gebeten wird. Zum einen wird die Kompetenz des anderen anerkannt, zum anderen hat diese Kompetenz eine Chance, von anderen übernommen zu werden. Das kann zu besseren Leistungen einer Gruppe führen. Es ist ein sehr erhebendes Gefühl, der Welt etwas Gutes von sich hinterlassen zu haben.
Bitte beachten: Oft wird Wertschätzung nicht verbalisiert. Ein schwäbisches Sprichwort zeugt davon: „Ed bruddelt isch globt gnug.“ Das spürt die Empfänger*in. Wertschätzung sollte gezeigt, ausgesprochen und vermittelt werden – in geeigneten Kontexten. Wer glaubt, dass das Gegenüber von selbst weiß, dass es wertgeschätzt wird, sitzt einem Irrglauben auf. Wir alle wollen hören, sehen, fühlen und nicht bloß ahnen, dass wir wertgeschätzt werden!
Fazit
Einer anderen Person wertschätzend gegenüberzutreten ist durch verbale, aber auch nonverbale Kommunikation möglich. Wie und was wir kommunizieren, wie wir uns verhalten und wie wir handeln, ist auch von unserem Charakter und unserer Persönlichkeit abhängig. Inwieweit Menschen anderen Wertschätzung und Respekt zeigen, ist somit auch eine „Charaktersache“. Ein wertschätzender Umgang mit anderen Menschen macht sich bezahlt, denn die Freundlichkeit und Anerkennung, mit der man andere behandelt, wird oft genug zurückgegeben. Wer andere mit Respekt behandelt, wird in den meisten Fällen ebenfalls mit Respekt behandelt. Die Wertschätzung eines anderen Menschen hat also wiederum eine Rückwirkung auf die eigene Persönlichkeit – und damit auch den eigenen Selbstwert.
Literatur
Wlodarek, Eva (2019): Die Kraft der Wertschätzung – Sich selbst und anderen positiv begegnen. dtv