Wie Dankbarkeit zur psychischen Gesundheit beiträgt

Können Sie sich daran erinnern, wie es war, als Kind zur Dankbarkeit aufgefordert zu werden? Wenn Erwachsene nachdrücklich verlangten „Nun sag schön danke!“, fühlte sich das gar nicht gut an. Kein Wunder – Gefühle stellen sich nicht auf Befehl ein. Wenn man Dankbarkeit jedoch empfindet, kann man erleben, dass sie ein körperliches Phänomen der Freude ist. Es wird wohlig warm im Bauch, die Augen beginnen zu strahlen, das Gesicht entspannt sich. Und meist möchte man den Dank und die Freude mit anderen teilen. Es ist eine positive Emotion, die uns hilft, die guten Dinge in unserem Leben zu schätzen und zu würdigen. Häufig fokussieren wir uns in Bezug auf Dankbarkeit nur auf die vermeintlich großen Dinge, die in unserem Leben passieren, und vernachlässigen die kleinen Dinge, die wir jeden Tag als selbstverständlich annehmen. Ist das eine gute Idee?

Was sagt die Forschung?

Seit einigen Jahren ist Dankbarkeit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Wissenschaftler:innen und Mediziner:innen haben herausgefunden, dass Dankbarkeit zur psychischen Gesundheit und zu einem größeren Wohlbefinden beiträgt. Sie nehmen an, dass positive Emotionen wie Dankbarkeit nicht zeitgleich mit negativen Gefühlen gefühlt werden können. Dankbarkeit ist deshalb ein effektives Gegenmittel für negative Gefühle wie Ärger, Neid, Feindseligkeit, Groll und Sorge. Wer mehr Gelegenheiten für das Gefühl der Dankbarkeit im Alltag finden kann, der wird weniger Gelegenheit haben, diese negativen Gefühle zu erleben.

Dankbarkeit tut uns gut, unabhängig davon, woher sie kommt. Ob wir einem anderen Menschen dankbar sind, dem Schicksal oder einer höheren Macht – die Wirkung ist in jedem Fall positiv: Dankbare Menschen sind glücklicher, optimistischer, hilfsbereiter und einfühlsamer. Das Selbstwertgefühl steigt und man kann leichter mit Belastungen umgehen.

Eine der bekanntesten Studien zum Thema Dankbarkeit wurde von den Psychologen Robert Emmons und Michael McCullough durchgeführt. Sie implementierten ein Experiment, bei dem sie drei Gruppen von Teilnehmern:innen baten, wöchentlich ein Tagebuch zu führen. Die erste Gruppe sollte fünf Dinge aufschreiben, für die sie dankbar waren. Die zweite Gruppe sollte fünf Dinge aufschreiben, die sie geärgert oder gestört hatten. Die dritte Gruppe sollte fünf neutrale Ereignisse aufschreiben, die ihnen passiert waren. Nach zehn Wochen stellten die Forscher fest, dass die Dankbarkeitsgruppe signifikant über mehr positive Emotionen, mehr Optimismus, mehr Lebensfreude und mehr Selbstachtung berichtete als die anderen beiden Gruppen. Außerdem waren sie hilfsbereiter und mitfühlender gegenüber anderen und hatten weniger gesundheitliche Beschwerden. Was können wir aus dieser Studie lernen?

Wie Sie Ihre Dankbarkeit steigern können

Um häufiger Dankbarkeit zu empfinden, können wir – sehr einfach – regelmäßig ein Dankbarkeitstagebuch führen. Indem wir uns bewusst machen, was wir in unserem Leben haben und wofür wir dankbar sind, können wir unsere Stimmung verbessern und unsere Perspektive erweitern. Oder Sie schreiben einen Dankesbrief an jemanden, der Ihnen etwas Gutes getan hat oder der Ihnen wichtig ist. Sie können den Brief persönlich übergeben oder per Post oder E-Mail schicken. Oder Sie können ihn einfach für sich behalten und ihn lesen, wenn Sie sich an diese Person erinnern wollen. Vielleicht drücken Sie Ihre Dankbarkeit verbal aus: Sagen Sie „Danke“ zu den Menschen in Ihrem Leben, die Ihnen helfen oder Ihnen Freude bereiten. Seien Sie dabei spezifisch und aufrichtig. Zum Beispiel: „Danke, dass du mir heute bei der Präsentation geholfen hast. Du hast mir viel Stress erspart.“ Oder: „Danke, dass du für mich da bist. Du bist ein toller Freund.“ Sie können sich auch auf eine Dankbarkeitswanderung begeben: Gehen Sie spazieren und achten Sie auf alles, was Ihnen gefällt oder was Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Das können Blumen sein, Vögel, Kinder, Wolken oder andere Dinge. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um diese Dinge zu würdigen und zu genießen.

Vielleicht haben Sie Lust, eine Dankbarkeitscollage anzufertigen. Sammeln Sie Bilder von Dingen oder Menschen, für die Sie dankbar sind. Das können Fotos sein, Zeitschriftenausschnitte oder andere Bilder. Kleben Sie sie auf ein großes Blatt Papier oder eine Pappe und hängen Sie sie an einen Ort, wo Sie sie oft sehen können.

Diese Übungen können Ihnen helfen, Ihre Dankbarkeit zu steigern und die positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zu spüren. Probieren Sie sie aus und finden Sie heraus, was für Sie am besten funktioniert. Dankbarkeit ist eine Haltung, die man jeden Tag üben und pflegen kann.

Wie trägt Dankbarkeit zur psychischen Gesundheit bei?

Dankbarkeit fördert positive Emotionen wie Freude, Optimismus, Zufriedenheit und Selbstachtung. Positive Emotionen können uns helfen, Stress abzubauen, Herausforderungen zu bewältigen und unsere Resilienz zu stärken. Sie verbessert unsere körperliche Gesundheit. Studien haben gezeigt, dass dankbare Menschen weniger Schmerzen und ein stärkeres Immunsystem haben, besser schlafen und weniger anfällig für chronische Krankheiten sind. Dankbarkeit stärkt unsere sozialen Beziehungen: dankbare Menschen sind freundlicher, hilfsbereiter und mitfühlender gegenüber anderen. Sie haben auch mehr soziale Unterstützung, mehr Vertrauen und weniger Konflikte in ihren Beziehungen. Dankbarkeit erhöht unsere Leistungsfähigkeit: dankbare Menschen sind motivierter, engagierter und produktiver in ihrem Beruf oder ihrer Ausbildung. Sie haben auch mehr Kreativität, Problemlösungskompetenz und Lernfähigkeit.

Wie kann ich Dankbarkeit bei Kindern fördern?

Es ist wichtig zu beachten, dass die Entwicklung von Dankbarkeit bei Kindern Zeit und Geduld erfordert. Mit Einfühlsamkeit und Ermutigung kann man sie auf diesem Weg begleiten. Die Förderung von Dankbarkeit in der KiTa kann dazu beitragen, positive Einstellungen und soziale Fähigkeiten zu entwickeln, die den Kindern im späteren Leben von Nutzen sein werden:

1. Vorbild sein: Kinder lernen viel durch Beobachtung. Wenn Kinder sehen, wie man sich über Alltagsmomente freut und Dankbarkeit zeigt, werden sie eher dazu ermutigt, das Gleiche zu tun.

2. Reflexion über positive Erlebnisse: Sprechen Sie über positive Erlebnisse, die im Laufe des Tages aufgetreten sind. Fragen Sie das Kind, was es an diesem Tag glücklich gemacht hat, und ermutigen es, die Quellen der Freude zu erkennen.

3. Dankbarkeit in schwierigen Zeiten: Ermutigen Sie das Kind, auch in schwierigen Zeiten nach positiven Aspekten zu suchen. Dies kann helfen, eine positive Einstellung zu entwickeln und den Fokus auf Lösungen statt Probleme zu lenken.

4. Teilen und Geben: Betonen Sie die Bedeutung des Teilens und des Gebens. Wenn Kinder erleben, wie ihre Handlungen anderen Freude bereiten, können sie ein tieferes Verständnis für die positive Wirkung von Dankbarkeit entwickeln.

5. Naturnähe, z.B. während der Gartenphase: Aktivitäten im Freien, bei denen die Kinder die Natur erleben, können dazu beitragen, Dankbarkeit für die Schönheit der Welt um sie herum zu entwickeln.

6. Gespräche über Gefühle: Offene Gespräche über Emotionen und wie sich Dankbarkeit anfühlt, können Kindern helfen, ihre eigenen Gefühle besser zu verstehen.

Welche Herausforderungen stellen sich?

Wir neigen dazu, die Dinge, die wir haben oder erleben, als selbstverständlich zu betrachten und nicht mehr wertzuschätzen. Wir gewöhnen uns an das Gute in unserem Leben und nehmen es als gegeben hin. Wir vergleichen uns mit anderen, die mehr haben oder besser sind als wir, und fühlen uns unzufrieden oder neidisch. Wir fokussieren uns auf das, was uns fehlt oder was schiefläuft und übersehen das, was wir haben oder was gut läuft. Um diese Gewohnheit zu durchbrechen, können wir versuchen, unsere Aufmerksamkeit bewusst auf das zu lenken, was wir schätzen und wofür wir dankbar sind. Wir können uns jeden Tag Zeit nehmen, um drei Dinge aufzuschreiben oder auszusprechen, für die wir dankbar sind. Es können kleine oder große Dinge sein, wie zum Beispiel ein schöner Sonnenaufgang, ein leckeres Essen, das Kompliment eines Kollegen oder eine Umarmung einer Freundin. Wir können auch versuchen, uns an die Kosten oder den Aufwand zu erinnern, die hinter den Dingen stecken, die wir genießen, wie zum Beispiel die Arbeit der Bauern, die unser Essen anbauen, oder die Mühe der Lehrer:innen, die uns etwas beibringen. Indem wir unsere Dankbarkeit ausdrücken und anerkennen, können wir unsere Wertschätzung vertiefen und unsere Zufriedenheit erhöhen.

Manchmal haben wir Angst, dass das Gute in unserem Leben nicht lange anhalten wird oder dass es uns weggenommen werden könnte. Wir fürchten uns vor Veränderungen, Krankheiten, Unfällen oder Trennungen. Wir sorgen uns um die Zukunft und vergessen, im Hier und Jetzt zu leben. Wir halten uns zurück, unsere Gefühle zu zeigen oder unsere Liebe zu teilen, weil wir denken, dass es zu schön ist, um wahr zu sein oder dass es uns verletzlich macht. Um diese Angst zu überwinden, können wir versuchen, das Gute in unserem Leben als ein Geschenk anzunehmen und nicht als etwas Selbstverständliches oder Verdientes. Wir können erkennen, dass nichts im Leben garantiert oder dauerhaft ist und dass alles seine Höhen und Tiefen hat. Wir können lernen, mit Unsicherheit

umzugehen und Vertrauen in unsere Fähigkeit zu haben, mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Wir können auch lernen, unsere Gefühle auszudrücken und unsere Liebe zu zeigen, ohne Erwartungen oder Bedingungen zu haben. Indem wir das Gute in unserem Leben schätzen und genießen, ohne daran festzuhalten oder es zu kontrollieren, können wir unsere Angst loslassen und unsere Freude steigern.

Oft vergleichen wir uns mit anderen Menschen und messen unseren Wert oder Erfolg an dem, was sie haben oder tun. Wir denken, dass wir glücklicher wären, wenn wir mehr Geld hätten, einen besseren Job, eine schönere Wohnung, einen attraktiveren Partner oder mehr Freunde. Wir übersehen dabei, dass es immer jemanden geben wird, der mehr hat oder besser ist als wir, und dass das, was wir haben oder sind, nicht unser Glück bestimmt. Um dieser Falle zu entkommen, können wir versuchen, uns mit uns selbst zu vergleichen und nicht mit anderen. Wir können uns auf unsere eigenen Ziele, Fortschritte und Erfolge konzentrieren und nicht auf die der anderen. Wir können uns daran erinnern, dass jeder Mensch einzigartig ist und seine eigenen Stärken und Schwächen hat. Wir können uns auch daran erinnern, dass andere Menschen eigene Probleme haben und vor Herausforderungen stehen. Indem wir uns selbst akzeptieren und schätzen, können wir unser Selbstwertgefühl stärken und unser Glück erhöhen.

Manchmal fällt es uns schwer, unsere Dankbarkeit zu zeigen oder zu kommunizieren. Wir wissen nicht, wie wir es sagen oder schreiben sollen. Oder wir sorgen uns darum, abgelehnt oder missverstanden zu werden. Wir denken, dass unsere Dankbarkeit selbstverständlich ist oder dass sie keine Rolle spielt. Wir nehmen an, dass die anderen Menschen wissen, wie wir uns fühlen oder was wir denken. Dabei vergessen wir, dass unsere Dankbarkeit einen positiven Einfluss auf uns selbst und andere Menschen haben kann. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, können wir versuchen, unsere Dankbarkeit regelmäßig und aufrichtig auszudrücken. Wir können einfache Worte oder Gesten verwenden, wie zum Beispiel „Danke“, „Ich schätze dich“ oder „Das war sehr nett von dir“. Wir können einen Brief schreiben, ein kleines Geschenk mitbringen oder eine Überraschung planen. Wir können darauf achten, wie die anderen Menschen auf unsere Dankbarkeit reagieren und ihnen Feedback geben. Indem wir unsere Dankbarkeit teilen und verbreiten, können wir unsere Beziehungen verbessern und unser Glück vermehren.

Dankbarkeit zu üben ist eine lohnende und bereichernde Praxis, die viele Vorteile für unser Leben hat. Aber es ist ebenso eine Herausforderung, die Anstrengung und Bewusstheit erfordert. Denken Sie daran: Wer dankbar ist, leidet weniger unter Angst, Ärger, Stress, Schlafstörungen, körperlichen Krankheitssymptomen und Depressionen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Dankbarkeitspraxis.

Mehr von Barbara Schmieder

Emmons, R. A., & McCullough, M. E. (2003): Counting blessings versus burdens: An experimental investigation of gratitude and subjective well-being in daily life. Journal of Personality and Social Psychology, 84(2), 377-389.

Lyubomirsky, Sonja (2018): Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. 2. Auflage. Campus Verlag: Frankfurt/New York

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