Eingewöhnungen von Säuglingen und Kleinkindern – warum eine gute Vorbereitung so wichtig ist

Ab einem Alter von drei Jahren gehört der Besuch einer frühkindlichen Bildungsinstitution in Deutschland längst zur Normalbiografie von Kindern: im Jahr 2019 lag der Anteil der drei- bis fünfjährigen Kinder, die in einer Kita betreut wurden, bei 94 (Ostdeutschland) bzw. bei 93 Prozent (Westdeutschland). Mit der Erlassung des Rechtsanspruchs 2013 auf einen Platz in Tageseinrichtungen und der Kinderpflege ab einem Jahr wächst die Anzahl der Kinder unter drei Jahren in Betreuungseinrichtungen stetig – von 286.000 Kindern unter drei Jahren im Jahr 2006 hin zu 818.000 Kindern im Jahr 2019 (vgl. BMFSJF 2021, S. 331f.). So werden ab September in unseren element-i Einrichtungen vor allem Kinder unter zwei Jahren in den Nestbereichen der Kinderhäuser eingewöhnt werden – der gesamtgesellschaftliche Wandel in Bezug auf die Inanspruchnahme von außerfamiliärer Betreuung für Kinder unter drei Jahren, vollzieht sich so schon seit vielen Jahren in unseren Einrichtungen. Um eine gute Eingewöhnungsphase für alle Kinder zu ermöglichen, möchte ich den Fokus auf die Zeit vor dem Eingewöhnungsstart legen. Der Monat Juli bietet einen guten Startpunkt – nahezu alle Betreuungsplätze sind vergeben. Planung und Vorbereitung können beginnen. Welche praktischen Handlungsempfehlungen können für alle Akteur:innen (Kinder, Betreuungspersonal, Eltern) eine möglichst gelingende und stressfreie Eingewöhnungssituation schaffen? Was können Sie jetzt konkret dafür tun?

Den Weg für eine vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ebnen

Säuglinge und Kleinkinder (U3) profitieren in ihrer Entwicklung von zuverlässigen und liebevollen Bindungspersonen. Vor dem Eintritt in die Kita erfüllen in der Regel die Eltern dieses kindliche Grundbedürfnis nach Bindung. Der Aufbau eines vielseitigen Vertrauensverhältnisses (Kind-Eltern-Einrichtung/ Betreuungsperson) wird als Bindungsdreieck bezeichnet. Während der Eingewöhnungsphase und darüber hinaus steht vor allem der Beziehungsaufbau zwischen der Betreuungsperson und dem Kind im Fokus. Damit sich ein Kind sicher und geborgen in der Einrichtung fühlen kann, sollte auch der Beziehungsaufbau zwischen den Eltern oder anderen Sorgeberechtigten forciert werden. Gleichzeitig wirken sich entspannte und sichere Elternteile positiv auf den Eingewöhnungsverlauf aus. „Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und dem element-i Kinderhaus ist eine wichtige Säule in der Arbeit der Kinderhäuser. Auf Basis des gegenseitigen Verständnisses und der gegenseitigen Akzeptanz ist eine enge Zusammenarbeit und ein offener Austausch zwischen den Erzieher:innen sowie den Eltern eines Kindes Grundlage einer guten Erziehung, Betreuung und damit der Bildung.” (Kammerlander et al. 2018, S. 27). Daraus leiten sich folgende Handlungsempfehlungen für die Praxis ab:

  • Eine frühzeitige Planung der Erstgespräche vor der Eingewöhnung in Abstimmung mit den Familien ist hilfreich. Die Dokumentationspädagog:in ist in der Regel die wichtigste Kontaktperson zur Familie vor der Eingewöhnung und ist sich dieser Verantwortung bewusst.
  • Um ein Vertrauensverhältnis von Beginn an aufbauen zu können, begegnet die Betreuungsperson den Eltern und ihrer Lebenssituation aufgeschlossen, interessiert und agiert stets freundlich und zugewandt.
  • Das Erstgespräch sollte rechtzeitig mit den Eltern vereinbart werden und so nah wie möglich vor dem Eingewöhnungsstart stattfinden und höchstens vier Wochen davor. So wird die aktuelle Entwicklung des Kindes berücksichtigt und kann während der Eingewöhnung durch die Betreuungspersonen aufgegriffen werden (bspw. Spielvorlieben; Ruhe- und Schlafgewohnheiten oder Essensrhythmus).
  • Im Team sollte vorab sichergestellt werden, dass unerfahrenere Kolleg:innen ausreichend Unterstützung für das Erstgespräch erhalten. Hierbei kann die Unterstützung eine gemeinsame Vorbereitung des Gesprächsleitfadens beinhalten, auch eine Begleitung während des Elterngesprächs ist gut umsetzbar.
  • Planen Sie ausreichend Zeit für das Gespräch ein, um auf individuelle Fragen und Sorgen der Eltern eingehen zu können. Nehmen Sie sich Zeit dafür, die Familie kennenzulernen. Alles, was Sie hier an Vorarbeit investieren, wirkt sich positiv auf die bevorstehende Eingewöhnung aus.
  • Informieren Sie während des Erstgesprächs die Eltern detailliert über den Ablauf der Eingewöhnung. Orientieren Sie sich dabei am Berliner Eingewöhnungsmodell und erklären Sie den Eltern, dass eine Trennung am 4. Tag nur dann vollzogen werden kann, wenn das Kind bereit dazu ist. Versäumen Sie nicht darauf hinzuweisen, dass Trennungsversuche auch abgebrochen werden, wenn Kinder durch ihr Verhalten eine deutliche Überforderung signalisieren.

Weitere Anhaltspunkte liefern unsere konzeptionellen Qualitätsinstrumente, wie die Prozessbeschreibung Eingewöhnung, der Leitfaden zum Erstgespräch sowie die element-i Handreichung für Mitarbeitende über Säuglinge und Kleinkinder. All diese Instrumente beinhalten die wichtigsten Informationen und fachlichen Bezüge, die es für ein gutes Erstgespräch benötigt.

Die Vorbereitungsphase im Team kann beginnen

Eine gelungene und gute Eingewöhnungssituation profitiert von mindestens einer festgelegten Betreuungsperson innerhalb des Teams, die sich auf den Beziehungsaufbau zu den eingewöhnenden Kindern und Eltern vollumfassend einlassen kann. Es gilt zu berücksichtigen, dass jedes Kinderhaus in seiner Struktur einzigartig ist: jede Familie ist individuell verschieden und facettenreich, die Anzahl der zu betreuenden Kinder variiert von Kinderhaus zu Kinderhaus, und jede Eingewöhnungsphase im neuen Kitajahr gestaltet sich anders. Dennoch ist es hilfreich, folgende Tipps zur organisatorischen Vorbereitung im Team zu berücksichtigen. Gleichzeitig finden Sie in diesen auch inhaltliche und fachliche Empfehlungen, da die Strukturqualität unmittelbar in den pädagogischen Prozessen wirkt.

  1. Stimmen Sie gemeinsam mit Ihrer Teamleitung und im Team die Besetzung im Nestbereich und dem offenen altersgemischten Bereich ab. Wie viele Personen werden wo gebraucht? Bleibt das Nest-Team bestehen, oder verändert sich die Besetzung im Team? Vernetzen Sie direkt die organisatorischen Themen mit inhaltlichen Fragestellungen, um auch fachliche und persönliche Kompetenzen und Ressourcen in die Planung einfließen zu lassen.
  2. Welche Person bzw. wie viele Personen übernehmen die Eingewöhnungen der neuen U3-Kinder? Hier können unterschiedliche Modelle erfolgreich sein. Unabhängig von der Anzahl der „neuen” Kinder benötigt jedes Kind eine konstante Person, die sich ihm intensiv zuwendet. So könnte sich eine Person allen Eingewöhnungen widmen, während die anderen Betreuungspersonen dafür Sorge tragen, dass die bestehende Kindergruppe ausreichend Aufmerksamkeit erfährt und bestehende Abläufe aufrecht erhalten bleiben.
  3. Überlegen Sie sich vorab, wie Sie die Eingewöhnungen einteilen. Es können z.B. auch zwei Kinder gleichzeitig eingewöhnt werden. Vorteilhaft hierbei wäre ein ähnlicher Entwicklungsstand der Kinder. So kann sich die pädagogische Fachkraft wechselweise den Kindern zuwenden. Zu Beginn der Eingewöhnung kann es u.U. hilfreich sein, die beiden Kinder zu unterschiedlichen Zeiten im Kinderhaus zu haben und die Anwesenheitszeiten im Verlauf der Eingewöhnung immer mehr anzupassen und dann gemeinsam zu gestalten.
  4. Planen Sie einen ausreichenden Zeitrahmen für jede Eingewöhnung ein. Besprechen und sichern Sie gemeinsam mit den Teamkolleg:innen, dass mit Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Kinder, wenn nötig, die Anwesenheitszeiten der Eltern verlängert werden. Nur wenn die Signale des Kindes darauf hindeuten, dass es sich sicher fühlt, wird am vierten Tag getrennt. Für gelingende Eingewöhnungsphasen ist auf Überforderungs- und Überanstrengungsanzeichen der Jüngsten zu jeder Zeit zu achten und das pädagogische Verhalten darauf anzupassen. Signale und Verhaltensweisen, die auf eine Überforderung des Kindes hinweisen, können sein:
  5. dauerhaftes Weinen; das Kind lässt sich nur schwer beruhigen und trösten, und wenn, dann nur für kurze Zeit.
  6. apathisches Verhalten des Kindes, welches sich durch fehlende Interaktion mit Erwachsenen und Kindern sowie fehlende Exploration äußert.
  7. vermehrtes Hauen oder Beißen. Lautstärke und Anzahl der Personen im Raum können dabei ein Indikator sein, um diese Verhaltensweise richtig einzuordnen.
  8. Nutzen Sie die Vorbereitungszeit zum fachlichen Austausch und Reflexionsrunden. Dabei können in Teamsitzungen praktische Erfahrungswerte mit fachlichen und konzeptionellen Hintergründen verwebt werden und Sicherheit schaffen. Welche Kompetenzen helfen dabei, die Eingewöhnungsphase erfolgreich zu gestalten? Was benötigen Sie konkret, um sich gut vorbereitet zu fühlen?

Kinder einzugewöhnen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe – eine Aufgabe, die Potential bietet, eine wundervolle Phase in jedem Kinderhaus zu markieren. Freuen Sie sich mit Neugierde und einer offenen Haltung darauf, wie die neuen Kinder und Familien den Alltag des Kinderhauses bereichern werden.

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Literatur:

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Neunter Familienbericht. Eltern sein in Deutschland – Ansprüche, Anforderungen und Angebote bei wachsender Vielfalt. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Referat Öffentlichkeitsarbeit

Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart

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