Humor in der frühen Kindheit

„Das Lachen ist nichts anderes als ein wetterleuchtendes Aufblitzen der Seelenfreude, ein Aufzucken des Lichtes nach draußen, so wie es innen strahlt.“ – Dante, Philosoph

Gerade in den schwierigsten Zeiten zeigt sich, wie wichtig das Lachen und der Humor für uns, aber auch die Kinder ist! Deshalb möchte ich mich mit Ihnen für ein paar Minuten auf die Sonnenseite begeben und dem Humor als förderliche Eigenschaft widmen. Wie entwickelt sich Humor in den ersten Lebensjahren? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Humor, Motivation, Bindung und dem Spiel? Welche Funktionen hat Humor in der Kindheit? Und was unterstützt die Humorentwicklung? All diesen Fragen werden wir nun ein Stück auf den Grund gehen.

Wir beginnen mit einem Blick in die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, die Fredéric Fernandes in seinem Artikel ausführlich dargestellt hat (Fernandes 2016, S. 4ff.): Welche Perspektiven im Zusammenhang mit Humor beleuchten die verschiedenen Disziplinen und welche Theorien haben sich daraus entwickelt?

Die Übersicht zeigt, wie unterschiedlich auf den Humor geschaut werden kann und welche Aspekte einfließen. Im Folgenden gilt es diese unterschiedlichen Perspektiven immer wieder mitzudenken, um die Zusammenhänge zu erkennen.

Die Entwicklung des Humors

Studien haben nachgewiesen: Die Humorentwicklung von Kindern beginnt bereits ab dem ersten Lebensjahr. Forscher:innen sehen eine Grundlage dafür in leicht zu beobachtendem Verhalten. Lächeln und Lachen sind kommunikative Phänomene, die bereits im Säuglingsalter auftreten. Auf diesem Verhalten aufbauend entwickelt sich der Humor stufenartig (vgl. Fernandes 2016, S. 8). Hier finden Sie eine Tabelle dazu.

Humor und Spiel als kindliche Ausdrucksmöglichkeit

Ähnlich wie der Humor, so entwickelt sich auch das kindliche Spiel im Laufe der Zeit. Beides kann als Möglichkeit, sich ausdrücken zu können, gesehen werden (vgl. Fernandes 2016, S. 12). Sie werden im Folgenden miteinander verknüpft, um sich sowohl Unterschiede in der kindlichen Intention bewusst zu machen als auch die Parallelen der einzelnen Entwicklungsstufen von Humor und dem kindlichen Spiel aufzuzeigen.

Kinder haben zunächst Spaß an Wiederholungen. Egal, ob eine Handlung mit einem Gegenstand oder auch mit dem eigenen Körper durchgeführt wird – die Kinder lieben es in der sensomotorischen Phase, etwas immer und immer wieder zu tun. Das sogenannte Übungsspiel dient dazu, sich Verhaltensschemata anzueignen. Gleichzeitig beginnt die erste Phase der Humorentwicklung: vor allem Versteckspiele oder auch die Produktion lustiger Geräusche können Kinder in dieser Zeit begeistern. Beides geschieht innerhalb sozialer Interaktion und stärkt damit auch die Bindung (vgl. Fernandes 2016, S. 12). Ganz wichtig ist dabei: Die Humorgefühle in solchen Situationen können nicht nur die Neugierde wecken, sie können auch Angst erzeugen! Deshalb ist die Basis für das Humorempfinden immer die Verbundenheit und Sicherheit zur Bezugsperson. Verbundenheit und Sicherheit entstehen u.a., wenn die Bezugsperson vermittelt: Es geht um unseren gemeinsamen Spaß (vgl. Fernandes 2016, S. 13).

In dieser Phase sind die Kinder demnach besonders auf Erwachsene als „sicheren Hafen“ angewiesen. Verbundenheit ist die Grundlage, dass Kinder explorieren und sich autonom und frei im Spiel ausdrücken können, lachen. Hier zeigt sich besonders die enge Verbindung zwischen den beiden Leitlinien: verbundene Autonomie und autonome Verbundenheit.

Die anschließende Spielform ist das Symbolspiel. Diese entsteht in etwa der gleichen Zeit wie die zweite Stufe der Humorentwicklung. Charakteristisch ist hierbei, dass die Kinder nun zunehmend in der Lage sind, symbolisch zu denken. Kinder schreiben Gegenständen andere Bedeutungen zu als Erwachsene und grenzen sich dadurch eine Zeit lang von der Realität ab.

Der Unterschied der beiden Tätigkeiten besteht darin, dass das Symbolspiel eine ernsthafte Intention hat. Kinder versuchen, ihren Wünschen, Ängsten und Bedürfnissen einen Raum zu geben, was wiederum kompensatorisch wirkt und dabei hilft, Probleme zu lösen. Beim Erzeugen von Humor hingegen geht es dem Kind darum, die Realität mit Absicht für eine sie beobachtende Person zu manipulieren (vgl. Fernandes 2016, S. 13). Dies wird beispielsweise durch den Blickkontakt des Kindes zur Pädagog:in sichtbar.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, Kindern immer wieder die Möglichkeit für diese Art von Spiel zu ermöglichen – sowohl pädagogisch begleitet als auch unbeobachtet. Denn um sich möglichst ungestört dem Rollenspiel und damit seinem Innersten widmen zu können, brauchen die Kinder zum einen Freiräume. Sie brauchen aber eben auch Sicherheit, die wiederum unter anderem durch die pädagogische Fachkraft vermittelt werden kann. Zudem benötigen Kinder für die Humorentwicklung in dieser Phase, wie gerade beschrieben, die Interaktion. Das pädagogische Handeln ist demnach gerade im Freispiel ein Balanceakt zwischen Sichern und Freigeben, Aktivität und Passivität, Impulse setzen und Zutrauen schenken.

Nachfolgend etabliert sich nach und nach das Regelspiel. Dieses ist in Gänze zwar erst in der späten Kindheit sichtbar. Trotzdem beginnt das Verständnis für den Umgang mit Regeln und sozialen Vereinbarungen bereits vorab. Dadurch eröffnen sich dem Kind andere Möglichkeiten bei der humorvollen Interkation: Sie verletzen oder testen dabei explizit oder auch implizit vereinbarte gesellschaftliche Normen. Dabei geht es ihnen aber nicht darum, die Pädagog:in zu ärgern, sondern ihrem lustvollen und interaktiven Spieltrieb Raum zu geben und Interaktionspartner:innen herauszufordern. Sie bauen dadurch Spannung auf und wieder ab. Gleichzeitig stärken sie mit diesem Verhalten die Beziehung zu Gleichaltrigen (vgl. Fernandes 2016, S. 13f.).

Das bedeutet im pädagogischen Alltag, das eigene Verhalten in Bezug auf das Lachen von Kindern in der Gruppe genau zu beobachten. Dabei helfen die folgenden Reflexionsfragen: „Gelingt es mir, mit einer professionellen Distanz die Situation zu beurteilen und dementsprechend passend, verständnisvoll und ruhig zu reagieren?“, „Unterstelle ich den Kindern zunächst einmal Absicht und reagiere entsprechend harsch?“, „Was könnte ich dafür tun, zukünftig gelassen mit solchen Situationen umgehen zu können?“

Zusammenhang Humor, Motivation und Bindungsaufbau

Warum ist es aber so wichtig die Humorentwicklung zu fördern? Um die Bedeutsamkeit nachvollziehen können, braucht es die Herstellung des Zusammenhangs zur Motivation. Diese ist nämlich stets eng verknüpft mit Emotionen, und beide beeinflussen sich gegenseitig: Das Sich-Wohlfühlen ist die Grundlage für eine proaktive und gestaltende Handlungsbereitschaft. Weiterhin dient das Motivationssystem dazu, dass Menschen sich in eine soziale Gemeinschaft einfügen und Beziehungen aufbauen. Wir wollen schlicht die Zuwendung, Wertschätzung und Anerkennung der anderen mit unserem Verhalten erwirken oder schenken (vgl. Fernandes 2016, S. 10). Genau dieses Phänomen zeigt sich auch beim gemeinsamen Lachen: Anerkennung für den Witz des anderen. Dadurch ist Humor und auch im Spezifischen der Witz eine Möglichkeit Bindung zu fördern (vgl. Fernandes 2016, S. 11).

Funktionen des Humors in der frühen Kindheit

Evolutionsbiologisch betrachtet, diente der Humor dem Überleben des Kindes. Insofern ist dieses Verhalten im Menschen angelegt und unterstützt den Aufbau folgender Kompetenzen (vgl. Fernandes 2016, S. 14-15):

  1. Humor verstärkt die Beziehung zu Gleichaltrigen und Eltern.
  2. Humor ist eine Möglichkeit, effektiv mit der Umwelt in den Austausch zu kommen (Transaktion), und unterstützt damit den Sozialisationsprozess.
  3. Dem Humor kommt eine wichtige Rolle in der Stressverarbeitung und Emotionsregulation zu. Er ist demnach ein Coping-Mechanismus (vgl. Fernandes 2016, S. 14-15).

An dieser Stelle lässt sich die enge Verbindung zwischen Humor, Gesundheit und Resilienz aufzeigen: Humor kann nicht nur selbst eine Möglichkeit sein, schwierige Situationen erfolgreich zu meistern, sondern auch Schutzfaktoren hervorbringen und Risikofaktoren reduzieren. Er ist dadurch weiterhin eine freudvolle Möglichkeit, gesund zu bleiben. Dies gilt natürlich nicht nur für Kinder, sondern auch für Sie! Nutzen Sie Ihren Humor, entwickeln Sie ihn weiter. Denn Lachen hilft. Gerade in schwierigen Zeiten gilt es, sich sonnige Gedanken ins Gedächtnis zu rufen und gemeinsam zu lachen.

Was können Pädagog:innen und Eltern beachten?

Kinder brauchen als Grundlage das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ansonsten kann sich ihr Humor nicht entwickeln. Wie wir wissen, sind wir Erwachsenen maßgeblich an der Entstehung dieses Gefühls beteiligt und müssen deshalb die Kinder wohlwollend in den Blick nehmen (vgl. Fernandes 2016, S. 10).

Weiterhin wissen wir: Kinder lernen sehr viel durch Beobachten und Nachahmen – sie „Lernen am Modell“. Hierbei kommt den Eltern und eben auch den Pädagog:nnen ein hoher Stellenwert zu. Denn sie müssen sich ihre eigene Einstellung zum Thema Humor bewusst machen, das dazugehörige Wissen haben, sich selbst reflektieren. Das ist notwendig, da wir Erwachsenen aufgrund des Altersgefälles einen ganz anderen Stand in der Humorentwicklung haben und diesen auch anders nutzen. Im Austausch mit Kindern muss der eigene Humor auf den Stand der Kinder angepasst werden, um Ihnen auf Augenhöhe begegnen zu können und sie nicht zu überfordern (vgl. Fernandes 2016, S. 15).

Darüber hinaus hat der Humor eben nicht nur anregende und positive Wirkung. Abstufungen in die negative Wirkungsrichtung sind beispielsweise Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Auch darüber muss ich mir als erwachsene Begleiter:in eines Kindes bewusst sein und mich dementsprechend selbst reflektieren (vgl. Fernandes 2016, S. 16). Folgende Fragen regen zur Selbstreflexion an:

  • Was bedeutet Humor für mich?
  • Wie nutze ich Humor (im Umgang mit Kindern)?
  • Inwieweit passe ich meinen Humor an den Entwicklungsstand der Kinder an? Was sind hierbei Stolpersteine? Was hilft mir dabei?
  • Wie kann ich meinen Humor weiterentwickeln und auch pflegen?
  • Welche Haltung haben wir im Team dazu?

Neben dem eigenen Verhalten gilt es, sich auch mit den Räumen bzw. Material auseinander zu setzen, was Kindern zur Verfügung stehen. Denn für die Entwicklung von Humor braucht es eine anregungsreiche Umgebung. Diese sollte sowohl Verkleidungsutensilien beinhalten, aber auch akustische und visuelle Medien (Lieder, Bücher, Bilder, …) sollten zur Verfügung stehen (vgl. Fernandes 2016, S. 10). Wichtig ist, die Kinder zu beobachten und entsprechend ihrer Interessen die Themen der Materialien zu wählen.

In der Praxis haben sich hierzu „Themenkisten“ bewährt, die gestaltbar sind und zur Verfügung gestellt werden können. Den Kindern ist so das Material autonom zugänglich, es kann leicht ausgetauscht werden und wirkt durch die Struktur anregend. So wird der Raum als 3. Erzieher:in im besten Sinne wirksam.

Mehr von Denise Samuel

Quellenangabe:

Fernandes, Frédéric (2016): Humor in der frühen Kindheit. Verfügbar unter: https://www.kita-fachtexte.de/de/fachtexte-finden/humor-in-der-fruehen-kindheit (letzter Zugriff am 15.03.2021)

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