„Ich hab dich lieb!“ – Neun Sätze, die Kinder fürs Erwachsenwerden brauchen

Viele Elternratgeber behaupten, dass ein Kind mit zwei Jahren rund 250 Wörter verstehen und 20 bis 50 Wörter selbst sprechen können sollte. Laut dem amerikanischen Erziehungsexperten Jim Taylor sind die Sätze, die Eltern aus diesen Worten formen, allerdings viel wichtiger. Neun davon beschreibt er in seinem Buch „Your children are listening“. Sie wirken sich sogar besonders positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus.

1. Ich hab dich lieb, egal, was du tust

Selbst Kleinstkinder, die noch nicht sprechen können, haben laut einer Studie bereits ein Verständnis für bestimmte Wörter und Wortgruppen. So ist „Ich hab dich lieb“ bei ihnen die unmittelbare Beantwortung ihres Bedürfnisses nach Zuwendung. Hinzu kommen Mimik und Tonlage der Eltern, die tatsächlichen Worte versteht das Kleinkind natürlich noch nicht. Aber es erfährt, dass jemand kommt, wenn es weint und lernt dabei: „Ich bedeute etwas. Ich werde geliebt.“ Dieses Wissen ist der sichere Hafen (s. Punkt 6), von dem aus das Kind vertrauensvoll seine Welt entdecken kann.

2. Du schaffst das! Ich trau dir das zu!

Sobald ein Kind an den regulären Mahlzeiten mit der Familie teilnimmt, zeigt sich meist schnell, wenn es selbstständiger werden möchte. Auch wenn es anfangs gar nicht so einfach ist, macht doch das Gefühl, zum ersten Mal selbst etwas vom Teller mit Besteck in den Mund befördert zu haben, Kinder glücklich. Sprechen Sie Ihrem Kind Mut zu. „Die Aufgabe von Eltern ist es […], Ziele so zu setzen, dass sie erreichbar sind“, so Taylor. Und so ein Familienalltag hält jede Menge „Erfolgsaufgaben“ wie Anziehen, Tisch decken oder beim Aufräumen der Einkäufe bereit.

3. Du darfst Fehler machen

Wer Fehler macht, lernt, Probleme zu lösen. Machen Sie es sich daher zum Ziel, Fehler bei Ihren Kindern als das zu sehen, was sie sind: eine Information, mit der das Kind arbeiten kann. Was Kinder für ihre Entwicklung brauchen, sagt Taylor, sei nicht die Fähigkeit, sofort perfekt ohne Stützräder Fahrrad zu fahren oder exakt ausmalen zu können, sondern der Wille, Neues auszuprobieren, ohne Angst vor einem Misserfolg.

4. Schau, was du gemacht hast

Wer sein Kind oft nur mit einem „Gut gemacht“ abspeist, tut ihm im Grunde keinen Gefallen. Ein so pauschales Lob sagt nichts darüber aus, was dem Kind gut gelungen ist, und kann es sogar demotivieren, wenn sich die Leistung oder das Ergebnis nicht wiederholen lassen. Denn oft weiß das Kind gar nicht, wie es dazu gekommen ist – und daher auch nicht, was es tun kann, damit der zufällig geglückte Purzelbaum beim nächsten Mal wieder funktioniert. Um in den Augen der Eltern nicht zu „versagen“, probieren sie es deshalb oft nicht mehr. Nach Taylor sei es wichtiger, „hervor[zu]heben, was das Kind gerade getan hat“, zum Beispiel: „Wow, du bist ganz allein auf die Schaukel geklettert.“

5. Es ist gut, wie du es machst

Kinder machen Dinge anders als Erwachsene. Ihr Zugang ist noch kein gelernter und damit noch nicht begrenzt. Sie sind offen und freier, auch wenn ihnen vielleicht noch die feinmotorischen Fähigkeiten fehlen. Werden sie aufgrund ihrer, in den Augen von Erwachsenen, „falschen Herangehensweise“ permanent korrigiert, verstehen sie mit der Zeit nur noch: „Egal, wie du dich anstrengst, es reicht nicht.“ Aber wie lernen Kinder, es richtig zu machen? Taylor: „Ganz automatisch. Durch Praxis und Beobachtung.“

6. Ich bin dein sicherer Hafen

Wie schon beschrieben, brauchen Kinder das Gefühl, dass die Welt ein sicherer Platz ist. Anfangs ist das ein „Ich hab dich lieb“ und die Geborgenheit Ihrer Umarmung. Später, wenn Kinder mobiler werden, bedeuten Eltern, die wachsam sind und trotzdem Raum für Selbstständigkeit lassen, den sicheren Hafen. Ein aufgeschürftes Knie ist oftmals gar nicht so schlimm, wenn kein bestürzter Erwachsener sofort zum Kind rennt, um es zu trösten. Meistens rappelt es sich von selbst wieder auf und spielt weiter, als wäre nichts geschehen. Wenn es dann aber doch mal mehr weh tut und das Kind Trost bei Ihnen sucht, bagatellisieren Sie seinen Schmerz nicht. Sätze wie „Das ist doch nicht so schlimm.“ sollten Sie in jedem Fall vermeiden.

7. Der Andere ist uns nicht egal

Kinder sind geborene Egoisten. Um teilen zu können (zu wollen), müssen sie nämlich erst lernen, wie man die Emotionen von anderen richtig deutet und darauf reagiert. Und das schauen sie sich bei uns Erwachsenen ab. Wenn Eltern die Gefühle z. B. von Geschwistern oder Spielpartnern in der Situation benennen, bleiben Kummer, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Freude, Glück nicht unbemerkt und werden irgendwann zum Begriff.

8. Hast du Danke gesagt?

Die Grundformen von Höflichkeit können auch Kleinkinder lernen – am besten auch in diesem Fall durch Anschauungsunterricht. Sie finden es übertrieben, Ihrem Mann zu danken, weil er freiwillig den Abwasch übernommen hat? Ihrer Frau fürs Bügeln der Hemden? Warum sollten Ihre Kinder dann Danke sagen, wenn sie etwas geschenkt bekommen? Taylor: „Das einzige Wort, das sich auch bei inflationärem Gebrauch nicht abnützt, ist das Wort Danke.“

9. Nein heißt Nein

Zur gesunden Entwicklung von Kindern gehört, dass sie ausprobieren, wie weit sie gehen können, um herauszufinden, wann und ob ihnen Grenzen gesetzt werden. Im Alter von drei oder vier Jahren lernen sie zudem, wie man jemanden anschwindelt oder täuscht, um die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen. Das funktioniert besonders gut, wenn Eltern müde sind, abgelenkt oder jemand zusieht. Bleiben Sie konsequent und seien Sie sich vor allem einig: Wenn es bei Mama kein Stückchen Schokolade mehr gibt, dann gibt es auch bei Papa keines mehr. Da sollte auch kein Schreien, Quengeln oder Bocken an der Supermarktkasse helfen. Besser ist, Ihr Kind macht diese wichtige Erfahrung schon früh in der Familie mit einem sachlichen, standhaften Nein und lernt sie nicht schmerzvoll später in der Zukunft.

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