Erfahrungen am eigenen Körper und auch am Körper der anderen sind essentiell wichtig für eine gesunde psychosexuelle Entwicklung. In Rollenspielen wie „Mutter-Vater-Kind“ oder „Ärzt*in-Patient*in“ spielen Kinder Situationen nach, die sie beobachten und erleben konnten. Aufregung entsteht für viele da, wo Kinder Geschlechtsverkehr imitieren. In der Regel geht es hier nicht um Gefühle der Begierde oder Lust wie bei Erwachsenen, sondern um kindliche Neugier und Erforschen von Situationen, die sie erklärt oder wahrgenommen haben, sowie darum, „Erwachsenen-Rollen“ auszuprobieren. Kinder spielen diese Situationen nach, die eine Bedeutung zugemessen bekommen. Die Bedeutungsbeimessung erfolgt verbal oder nonverbal.
Ein Beispiel aus einem anderen Kontext: Kinder spielen nach, wie der Vater abends erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt und sie imitieren dies, jedoch ohne die Erschöpfung zu empfinden, die der Vater in diesen Situationen empfinden mag.
Eine besondere Bedeutung erhalten alltägliche Situationen aus dem Bereich Körpererkundung vielfach durch Verbote oder Scham. Um Kindern hier einen guten Rahmen zu geben, das Wohlbefinden aller Beteiligten zu gewährleisten sowie übergriffiges Verhalten zu vermeiden, sollten folgende Regeln bei Körpererkundungsspielen unbedingt eingehalten werden:
Regeln für Körpererkundungsspiele
- Jedes Kind entscheidet selbst, ob und mit wem es seinen Körper erkunden will.
- Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen sich nur so viel, wie es für sie selbst und die anderen Kinder angenehm ist.
- Kein Mädchen/kein Junge tut einem anderen Kind weh.
- Kein Kind steckt einem anderen Kind etwas in eine Körperöffnung (Po, Scheide, Mund, Nase, Ohr) oder leckt am Körper eines anderen Kindes.
- Der Altersabstand zwischen den beteiligten Kindern sollte nicht größer als ein bis maximal zwei Jahre sein.
- Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene dürfen sich an Körpererkundungsspielen nicht beteiligen.
- Hilfe holen ist kein Petzen.
- Wenn die Kita (z.B. wegen Personalnot oder weil die Räumlichkeiten zu unübersichtlich sind) nicht in der Lage ist, die Einhaltung dieser wichtigen Regeln zu gewährleisten, müssen erweiterte Beschränkungen eingeführt werden, etwa dass die Kinder sich bei Körpererkundungsspielen nicht nackt ausziehen dürfen.
(Maywald, S. 100)
Wenn Sie dies lesen, gehen Ihnen sicherlich Situationen in Ihrem Kinderhaus durch den Kopf. Wie gehen Sie und Ihr Team mit Körpererkundungsspielen um? Wie unterstützen Sie die Kinder in Ihrem Selbstbestimmungsrecht: „Mein Körper gehört mir!“ – „Nein-Sagen“?
Sobald die Kita wieder eröffnet, wünsche ich Ihnen viele Möglichkeiten, in denen die Kinder mit Ihrer Begleitung und Unterstützung vielfältige Erfahrungen sammeln können. Der nahende Frühling und Sommer bringt Wärme mit, die dazu beiträgt, dass Kinder ohne viele Schichten an Kleidung den eigene Körper erleben und erfahren. Vielleicht spielen die Kinder demnächst „Wir gehen zum Arzt und lassen uns gegen Corona impfen!“
Literatur:
Maywald, Jörg (2018): Sexualpädagogik in der Kita. Freiburg im Breisgau.
Dokumentation eines Fachtags zum Thema Kindliche Sexualität von Pro Familia in Waiblingen: www.profamilia.de/fileadmin/beratungsstellen/waiblingen/Dokumentation_Fachtag_7_2014.pdf (Stand: 28.03.2020)