Medienpädagogik in der Zusammenarbeit mit Eltern

Wenn ich unterwegs in unseren element-i Häusern bin, höre ich Kinder über Paw-Patrol, Ninjago, Peppa Pig, Barbie oder Feuerwehrmann Sam aus Fernsehen und anderen Medien sprechen. Selbst mein eigener dreijähriger Sohn spricht neuerdings von einem Helden namens Spiderman. Auf meine Nachfrage „wer ist das?“ zuckt er mit den Achseln und antwortet: „Ich weiß es nicht“. Gleichzeitig führt er mir wirbelnden Bewegung vor, was Spiderman alles kann.

Woher kommt diese Vorstellung, was dieser Held leisten kann? Werden solche thematischen Bezüge im Kitalltag hergestellt? Wird bewusst über Spiderman gesprochen? Ich als Vater war etwas verunsichert: Sollte ich in der Kita meines Sohnes mit den zuständigen Fachkräften ins Gespräch gehen? Wie gestaltet sich diesbezüglich die „Zusammenarbeit“ von Fachkräften und Eltern? Ich stand vor einem großen Fragezeichen.

Klar ist, dass digitale Medien und deren Inhalte Bestandteil der Lebenswelt von Kindern sind (siehe Abb. 1). Tendenziell nehmen diese auch eine immer größer werdende Rolle im Alltag vieler Familien ein. So spielt das Fernsehen bei Vorschulkindern die größte Rolle. „Drei von vier Kindern zwischen drei und fünf Jahren sehen regelmäßig fern. […] Für ein Viertel der Kinder ist es eine regelmäßige Freizeitbeschäftigung, Fotos oder Videos auf dem Smartphone anzuschauen. Jeweils jedes zehnte Kind spielt mindestens mehrmals pro Woche digitale Spiele an PC, Tablet oder Konsole oder sieht DVDs, Blurays oder aufgezeichnete Sendungen. Vier Prozent der Drei- bis Fünfjährigen sehen regelmäßig Videos bei YouTube oder auf ähnlichen Plattformen.“ (mpfs 2016, S. 56).

 

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Abbildung 1: Medientätigkeiten der Vorschulkinder: Kinder (3 – 5 Jahre): täglich/merhmals pro Woche (mpfs 2016, S. 54).

Kinder haben bereits im Vorschulalter vielfältige Möglichkeiten, mit Medieninhalten wie Paw-Patrol oder bspw. Spiderman in Berührung zu kommen. Gleichzeitig werden diese Themen durch die Kinder in der Kita platziert und an andere Kinder getragen. Es liegt daher nahe, dass pädagogische Fachkräfte die Themen aus digitalen Medien, auf die sich das Interesse der Kinder richtet, im Kitaalltag aufgreifen und Medienerziehung zu einem wichtigen Bestandteil der Erziehungspartnerschaft mit Eltern machen – ganz im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung von Eltern und pädagogischen Kräften. Für das Gelingen einer solchen Erziehungspartnerschaft ist ein aufrichtiges Interesse an den Themen der Familie unerlässlich – also auch ein aufrichtiges Interesse am Umgang mit digitalen Medien und Medieninhalten der entsprechenden Familie.

Sich auf den Weg machen!

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen allerdings: Medienpädagogische Elternarbeit wird von den pädagogischen Fachkräften zwar grundlegend als wichtig erachtet, wird in der Praxis jedoch kaum umgesetzt. Gründe können sein: Gespräche mit den Eltern zur kindlichen Mediennutzung werden als schwierig und heikel wahrgenommen. Knappe zeitliche Ressourcen, ein begrenztes Wissen der päd. Fachkräfte hinsichtlich des Bereichs der Medienerziehung sowie ein geringes Vertrauen in die eigene Medien- und medienpädagogische Kompetenz stehen einer Umsetzung im Weg (vgl. Friedrichs-Liesenkötter 2016, S. 100).

Daher kann nur dafür plädiert werden, dass jede Fachkraft sich auf den Weg begibt, Medienerziehung oder Inhalte aus Medien zum Thema in der Elternarbeit zu machen. Selbstreflexion über die eigene Haltung zum Umgang mit Medien, zum eigenen Medienkonsum hilft, sich in der Zusammenarbeit mit Eltern sicherer zu fühlen? – Wie medienmündig ist man selbst? Neben dem Verständnis über sich selbst ist es für die Zusammenarbeit sinnvoll, die Kontexte von Medienaneignung im familiären Rahmen in den Blick zu nehmen. Also was macht diese Familie aus, welche Erfahrungen macht das Kind in der Familie?

Was in den Blick nehmen?

Familien gehen unterschiedlich mit digitalen Medien um. In der einen Familie wird über den Umgang mit TV, Handy etc. gesprochen, in der anderen Familie ist dies weniger oder gar kein Gesprächsthema. Im Verständnis der einen Familie gehört das gemeinsame Fernsehschauen mit den Kindern beim Essen zum Alltag. Andere nutzen die von Kindern ausgehende Faszination für Handy und Co., um sich Freiräume zu verschaffen: Die Kinder werden vielleicht in stressigen Situationen vor einen Bildschirm gesetzt. Andere verbieten ihren Kindern den Umgang mit digitalen Medien. So soll es auch Familien geben, die gar keine Berührungspunkte mit digitalen Medien haben.

Die Medienaneignung von Kindern im Alter von 2-6 Jahren findet in verschiedenen Kontexten statt, die es zu beleuchten gilt. Neben Familie sind Sozialisationsinstanzen wie Kindertageseinrichtung und Gleichaltrige entscheidend. Aber auch Themen des Kindes selbst sind zu besprechen: sein Entwicklungsstand, seine Interessen sowie die ihm zur Verfügung stehenden Medieninhalte (siehe Abb. 2).

 

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Abbildung 2: Kontexte der Medienaneignung: leicht modifizierte Darstellung in Anlehnung an H. Theunert (2015, S. 145).

Eine Fachkraft, die die Kontexte von Medienaneignung in Familien einbezieht und berücksichtigt, den familiären Hintergrund ganzheitlich betrachtet, hat in der Zusammenarbeit klare Ansatzpunkte und kann die Umstände und Bedürfnisse der Familie besser verstehen. So können sich die Familie und die Fachkraft im Ergebnis gemeinsam auf die gesunde Entwicklung und Erziehung des Kindes ausrichten, bei dem die Bedürfnisse des Kindes an erster Stelle stehen. Die pädagogische Fachkraft als Expert:in kindlicher Entwicklung kann so den Eltern, ihrerseits Experten der eigenen Familien, beratend zur Seite stehen. Was so entsteht, ist eine gemeinsame Perspektive und ein abgestimmtes erzieherisches Handeln, ausgerichtet auf eine gesunde Entwicklung des Kindes. Die pädagogische Fachkraft versteht sich somit auch als Begleiterinnen und Begleiter für die Medienerziehung in der Familie (vgl. BMFSFJ 2023) Wie kann eine solche Begleitung praktisch gelingen?

Aufklären anstatt Moralisieren

Weil Familien im Umgang mit modernen Medien so unterschiedlich sind, gibt es kein Rezept und auch kein einheitliches Vorgehen in der Zusammenarbeit. Grundlegendes Ziel im Gespräch mit Eltern ist es, ein gemeinsames Verständnis aufzubauen, was beide Sichtweisen, also die der Eltern und die der Fachkraft, einbezieht. Egal wie Sie als Fachkraft die Situation innerhalb der Familie wahrnehmen (und werten), es gilt ein offenes Ohr für die Perspektive der Eltern zu haben. Im Gespräch haben Sie als Expert:in kindlicher Entwicklung die Chance, das Bewusstsein der Eltern in Bezug auf die Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben des Kindes zu stärken. Daneben gilt es für die Folgen von Medienkonsum zu sensibilisieren und die Hintergründe kindlicher Entwicklung zu erläutern.

In der Literatur wird der Einfluss digitaler Medien auf die Gehirnentwicklung der Kinder vielfältig beschrieben (siehe Teuchert-Noodt 2017). Neben den Folgen des direkten Kontakts von Kindern mit modernen Medien, spielt auch die (Be-)Nutzung von digitalen Medien von Eltern in der Gegenwart ihrer Kinder eine Rolle. So kann beispielsweise der Handygebrauch von Eltern das Bindungs- und Spielverhalten kleiner Kinder beeinflussen. Altersangemessenes Bindungs- und Spielverhalten ist die Grundlage für die psychische Gesundheit und die emotionale, soziale und kognitive Bildung. Nun möchte wahrscheinlich kein Elternteil intentional die Entwicklung des eigenen Kindes negativ beeinflussen – aber digitale Medien aus dem Lebensalltag zu verbannen, scheint auch keine Lösung zu sein. Eine gemeinsame Reflexion elterlichen Verhaltens kann zu einer entscheidenden Verbesserung des elterlichen Handelns führen. Und wir können diese im Rahmen der Zusammenarbeit anstoßen.

Sinnvoll für die Eltern sind auch Impulse, was förderliche Themen im Zusammenleben mit den eigenen Kindern sind. Die Eltern erfahren durch die Fachkraft den Wert von analogen echten Erfahrungen, Naturerfahrungen und die Wichtigkeit des Themas Bewegung. Im Ergebnis entstehen so neben Alternativen für die Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu den Bildschirmzeiten für Kinder, ein sensiblerer und bewusster Umgang mit (digitalen) Medien.

Neben dem direkten Gespräch mit den Eltern bieten sich auch andere Methoden an, um die Elternarbeit zum Themenbereich Umgang mit digitalen Medien zu beleben. Dazu zählen neben thematischen Elternabenden auch Elterngesprächskreise.

Mehr von Yves Wilhelm

Literaturverzeichnis

BMFSFJ Digitale Medien in der Elternarbeit. Berlin 2023. Online abrufbar unter: https://www.fruehe-chancen.de/themen/digitalisierung/digitale-medien-in-der-elternarbeit

Friedrichs-Liesenkötter, Henrike (2016): Medienerziehung in Kindertagesstätten. Habitusformationen angehender ErzieherInnen. Wiesbaden: Springer VS.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2016): FIM-Studie 2016 Familie, Interaktion, Medien Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien. Online abrufbar unter: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/FIM/2016/FIM_2016_PDF_fuer_Website.pdf [02.10.2023].

Teuchert-Noodt, G. (2017): 20 Thesen zu digitalen Medien aus der Sicht der Hirnforschung. Umwelt-Medizin-Gesellschaft 30, Heft 4.

Theunert, Helga (2015): Medienaneignung und Medienkompetenz in der Kindheit. In: Gross, Frederike von; Meister, Dorothee M.; Sander, Uwe (Hrsg.): Medienpädagogik – ein Überblick. Weinheim; Basel: Beltz Juventa, S. 136-163.

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