Umgang mit Bildschirmmedien wie YouTube – was ist erlaubt, was nicht?

Immer wieder werde ich von pädagogischen Fachkräften gefragt, ob sie und wie Sie Bildungsinhalte über YouTube an die Kinder vermitteln können: „Darf ich ein YouTube-Video in der Kinderkonferenz zeigen?“, „Mit dem Playback kann ich den Singkreis viel leichter gestalten.“ Gleichzeitig stellen Sie die Frage, ob die Nutzung von YouTube überhaupt erlaubt ist. Wie entscheiden Sie das bisher? Was spricht dafür, den Einsatz von YouTube oder vergleichbaren Bildschirmmedien zu erwägen, was dagegen?

Pro und Contra: Die Debatte um den Einsatz von Bildschirmmedien in der Kita

Derzeit herrscht viel Unsicherheit, wenn es um den Einsatz von Bildschirmmedien wie YouTube geht. Sowohl Fachkräfte als auch Eltern sind oft im Zwiespalt, inwiefern solchen Medien ein Platz in der Kita eingeräumt werden sollte. Diese Pro- und Contra-Positionen spiegeln den öffentlichen Diskurs zum Thema wider. So gibt es einen regelrechten „Early-High-Tech-Hype“, welcher durch die Marketinginteressen der Großkonzerne in der Medienbranche, aber auch durch medieninteressierte Erwachsene entstanden ist. Dabei gilt und wird auch von den Bildungsministerien einiger Bundesländer vertreten: Je früher unsere Kinder in Berührung mit modernen Medien kommen, desto besser lernen sie den Umgang damit!

Dass unsere Kinder immer früher mit Medien in Kontakt kommen, belegen statistische Daten, wie Abbildung 1 (Mediennutzung im Elementarbereich, Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2021, S. 15). zeigt. Pädagogische Fachkräfte können die Statistik durch tägliche Erfahrungen nur bestätigen.

Ein Großteil der Zweijährigen kann in Grundzügen ein Smartphone bedienen, schaut YouTube oder Fernsehen und weiß, dass es das Internet gibt. Moderne Bildschirmmedien sind also ein präsenter Bestandteil des Erlebens von Kindern. Der „Early-High-Tech-Hype“ hat dabei sicher einen bedeutenden Einfluss geleistet.

Diesem Hype stellen sich Experten kindlicher Entwicklung allerdings entschieden entgegen. So zeigen Forschungsergebnisse zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger, die Medienwirkungsforschung und die medienpädagogische Theorie, dass sich der Einsatz moderner Bildschirmmedien an den kindlichen Entwicklungsphasen und den entsprechend gegebenen entwicklungsphysiologischen Voraussetzungen der Kinder ausrichten sollte (vgl. Beckmann 2014, S. 4). Mit Blick auf die pädagogische Praxis leitet sich daraus folgender Trend ab: Je stärker die Expert*innen sich an den Entwicklungsbedürfnissen von Kindern orientieren, desto später empfehlen sie den Einstieg in die Arbeit mit Bildschirmmedien und desto kürzer sollten ihrer Auffassung nach Bildschirmmedien genutzt werden (vgl. Beckmann 2014, S. 9).

Die pädagogische Praxis in element-i Kinderhäusern: Themen und Interessen als Ausgangspunkt

Wie gestalten wir in den element-i Kinderhäusern unseren pädagogischen Alltag, wenn wir beim Entwicklungsstand und den anstehenden Entwicklungsaufgaben unserer Kinder ansetzen wollen? Dazu ein Blick in unsere Konzeption:

„Die kindlichen Themen und Interessen, die sich auch aus diesen [mit Bildschirmmedien wie YouTube gemachten] Erfahrungen speisen, sind Ausgangspunkt unseres pädagogischen Handelns. Zugleich ist es unser essenzieller Auftrag, Kindern entwicklungsangemessen und reflektiert die Welt zugänglich zu machen und sie zu einem mündigen, nutzbringenden Umgang mit ihren Möglichkeiten, aber auch Risiken zu befähigen.“ (Kammerlander et al. 2018, S. 17f.)

Der letzte Teil des Zitates beschreibt klar unseren Auftrag, Kinder zu einem mündigen Umgang zu befähigen. In Bezug auf den Umgang mit Bildschirmmedien spricht man dabei von Medienmündigkeit.

Medienmündigkeit – was steckt dahinter?

Unser Ziel ist es, die Kinder in unseren Einrichtungen auf dem Weg zu Medienmündigkeit ein Stück des Wegs zu begleiten. Sie sollen im besten Falle lernen, die Medien, die sie nutzen, zu beherrschen und nicht umgekehrt. Sie sollen aktiv, dosiert und reflektierend Medien nutzen können. Für eine solch souveräne Selbstbestimmung im Umgang mit Medien, was deutlich mehr ist als nur der technische Umgang damit, braucht es komplexe kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten stellen dabei die sechs Stufen in Abbildung 2 dar.

 


Abbildung 2: Der Medienmündigkeitsturm – Schritt für Schritt aufgebaut (Beckmann 2014, S. 11).

Der Turm veranschaulicht mit seinen einzelnen Stockwerken die Schritte der kindlichen Entwicklungsphasen, welche nacheinander gegangen werden müssen. Die Schritte gelten genauso für den Weg zur Medienmündigkeit (vgl. Beckmann 2014, S. 11). Das Erreichen der Spitze des Turms dauert dabei bis ins frühe Erwachsenenleben hinein.

Vorläufererfahrungen als Basis

An dieser Stelle wird klar, dass bei uns im Elementarbereich ein kleiner, aber dafür sehr grundlegender Teil dazu geleistet werden kann und muss. Wir können unseren Kindern eben diese grundlegenden Schritte durch die einzelnen Stockwerke in Form von Vorläufererfahrungen ermöglichen,

„durch die sie sich die Kompetenzen erarbeiten, die wiederum zu Medienmündigkeit führen. [Diese Vorläufererfahrungen] sind entwicklungspsychologisch unwiederbringlich in der frühen Kindheit angesiedelt und ausschließlich über alle Sinne erfahrbar“ (Kammerlander et al. 2018, S. 17f.).

Für unsere Arbeit bedeutet das, dass wir den Kindern Zeit und Spielräume mit Material und Medien bieten müssen, welche ihrer psychosozialen Reife angemessen sind und für sie versteh- und handhabbar.

Die Chance des Analogen: Mit allen Sinnen wahrnehmen

An dieser Stelle bieten analoge Medien bzw. analoge Anregungen, Angebote und Impulse große Chancen. Im Kita-Alltag genutzt, bieten sie den Kindern reale Erfahrungen, in denen Handlungen mit natürlichen Konsequenzen verknüpft werden (vgl. Kammerlander et al. 2018, S. 18).

FAZIT: Streichen wir die Aussage „Früh übt sich“ und fragen uns stattdessen: Welche grundlegenden Erfahrungen braucht das Kind? Und wie können wir ihnen diese zugänglich machen? Daneben müssen wir anerkennen, dass Bildschirmmedien, wie beispielsweise YouTube, mehr und mehr Einzug in die Lebenswelt der Kinder halten. Wenn Kinder in ihrer Zeit außerhalb der Kita zunehmend mehr Zeit mit modernen Medien haben, dann sollten wir bewusst die Kita zu einem bildschirmmedienfreien Entwicklungs- und Begegnungsraum machen.

Wir kommen unserem Auftrag durch eine bewusste Auswahl von geeigneten analogen Medien am nächsten. Damit stellt sich insgesamt nicht die Frage, ob man YouTube in der Arbeit mit den Kindern benutzen darf oder nicht. Vielmehr stellen sich die Fragen: Was ist sinnvoll, mit den Kindern zu tun, und welches Material oder Medium ist dafür geeignet?

Mehr von Yves Wilhelm

P.S.: Wieso fragt eigentlich niemand, ob Fernsehschauen im Kitaalltag verboten ist? 😉

Literatur:
Bleckmann, Paula (2014): Kleine Kinder und Bildschirmmedien. Aufrufbar unter: https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen//KiTaFT_Bleckmann_2014.pdf (letzter Zugriff 14.06.22).
Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2021): miniKIM-Studie 2020. Kleinkinder und Medien. Stuttgart: mpfs. Aufrufbar unter: http://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/miniKIM/2020/lfk_miniKIM_2020_211020_WEB_barrierefrei.pdf (letzter Zugriff:14.06.22).

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