Subjektives Wohlergehen und Lebensglück empfinden – (k)ein Zufall?

„Wohlbefinden gleicht in seiner Struktur dem Wetter und der Freiheit: Kein einzelnes Maß definiert es erschöpfend, aber mehrere Dinge tragen dazu bei. Es sind dies die Elemente des Wohlbefindens, und jedes dieser Elemente ist ein messbares Ding“ (Seligman 2012, S. 33)

Freiheit, Zufriedenheit, Glück oder Redewendungen wie das Gefühl, ständig vom Pech verfolgt zu sein, in einer Negativspirale festzustecken oder das latente Gefühl zu haben, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt – Begriffe dieser Art sind Ihnen in ihrem Leben bereits begegnet. Vielleicht haben Sie schon einmal länger über diese oder vergleichbare Begriffe nachgedacht. Im Folgenden geht es um das Konstrukt „Wohlergehen“. Dieser Begriff zeigt aus meiner Sicht auf, dass „gehaltvolle oder bedeutende Begriffe“ nicht auf einzelne Komponenten zurückzuführen sind, sondern viele Komponenten in Wechselwirkung zueinanderstehen und im Ergebnis das übergeordnete Konstrukt häufig substanziell beeinflussen. Das „Wohlergehen“ ist ein Begriff, der in der positiven Psychologie näher beschrieben und seit den 1990er Jahren näher beforscht wird. Die positive Psychologie beschäftigt sich damit, wie das Leben als lebenswert empfunden werden kann. Ziel dieser Wissenschaft ist es, Konstrukte wie Wohlergehen und damit verbundene Komponenten wie Selbstbestimmung, Empathie oder Optimismus zu beschreiben und zu erklären. Ich möchte Ihnen gerne diese Perspektive auf menschliches Erleben und Verhalten näherbringen, da sie sehr stark mit dem Gedankengut der element-i Konzeption in Verbindung zu bringen ist. Bei der positiven Psychologie geht es darum, eigene Potentiale, Kompetenzen oder Handlungsweisen, die mit Steigerung des persönlichen Wohlbefindens einhergehen, zu erkennen (Ruch & Wagner 2016).

Subjektives Wohlbefinden

Wie lässt sich Wohlbefinden näher beschreiben? Es gibt unterschiedliche Komponenten, die subjektives Wohlbefinden charakterisieren. Beispielhaft wären die Elemente positives Gefühl, positive Beziehungen, Sinnhaftigkeit, Leistungsbereitschaft und Engagement, die allesamt vom Gründer der positiven Psychologie, Martin Seligman, näher definiert wurden. Der Fokus liegt hierbei darauf, das eigene Leben reflektiert, aktiv und selbstbestimmt zu gestalten (Seligman 2010). Das klingt zunächst simpel, und doch ist das eigene Selbstverständnis häufig von Zweifeln und negativen Emotionen geprägt (Gable/Haidt 2005, S. 23ff.) Die Ursachen hierfür müssen differenziert betrachtet werden und dennoch basieren sie im Kern auf persönlichen Erfahrungen und den gekoppelten Empfindungen, die sich wiederum in Emotionen widerspiegeln und substanziell zum Selbstbild beitragen. Es bleibt festzuhalten, dass Eigenschaften wie Empathie, emotionale Intelligenz, Optimismus, Verantwortungsgefühl oder Zutrauen nicht zufällig auftreten oder ausschließlich auf Persönlichkeitsdispositionen zurückzuführen sind. Diese Eigenschaften wurden erlernt und exakt an dieser Stelle kann der Bogen zur element-i Konzeption geschlagen werden. In ihrer Funktion als Begleiter*innen der Kinder haben Pädagog*innen die Chance, Kinder sehr früh in ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten, sie im Sinne der element-i Pädagogik zu bilden, zu fördern und zu erziehen. Über eine vertrauensvolle Elternarbeit kann es darüber hinaus gelingen, die Eltern für die element-i Pädagogik zu sensibilisieren oder ihnen zumindest das Angebot zu machen, sich mit Erziehung und Bildung im Sinne des element-i Leitbildes auseinanderzusetzen.

Die fünf Elemente des Wohlergehens

Wo liegt nun die konkrete Verbindung zur positiven Psychologie? Die positive Psychologie beschreibt Wohlergehen mit den fünf Elementen: positives Gefühl, positive Beziehungen, Sinnhaftigkeit, Leistungsbereitschaft und Engagement. All diese Elemente sind messbar. Es besteht jedoch keine Kausalität, wie beispielsweise: „Habe ich positive Beziehungen, dann schnellt mein Maß an Wohlergehen in die Höhe.“ Vielmehr weist der Autor darauf hin, dass sich die Individuen in einer aktiven Auseinandersetzung mit ihrem Leben befinden und sich daraus Handlungsmuster ergeben, die dazu beitragen, subjektives Wohlergehen zu empfinden. Anders ausgedrückt. Wenn Sie Zufriedenheit oder Lebensglück empfinden, ist es sinnvoll und vor allem nachhaltig darüber zu sinnieren, warum das so ist.

„Die Hinzunahme des erfolgreichen Lebens betont auch, dass die Aufgabe der Positiven Psychologie nicht etwa darin besteht, den Leuten vorzuschreiben, was sie tun sollten, um Wohlbefinden zu erlangen, sondern zu beschreiben, was sie zu diesem Zweck tatsächlich tun“ (Seligman 2010, S. 39)

Wohlergehen bei element-i

Bei der Vision der element-i Pädagogik geht es ebenfalls nicht darum vorzuschreiben, wie eine gelingende Gesellschaft funktioniert, sondern wie Pädagog*innen für Kinder einen guten Rahmen schaffen, in dem die Kinder authentische und wertvolle Beziehungen erfahren, eigene Interessen entdecken, ein demokratisches Wertesystem mitgestalten und sich als fester Bestandteil in der Gesellschaft selbstwirksam erleben. Kinderkonferenzen werden zu Hause nachgespielt, es wird von Impulsen erzählt, für welche sich die Kinder entschieden haben. Es wird von Erlebnissen berichtet, die die Kinder bewegten, oder von Menschen, die für Kinder zu wichtigen Bezugspersonen geworden sind. Daraus resultiert ein Schatz von Erlebnissen und Erfahrungen, welche für die Kinder prägend sein können.

Die Verbindung zur positiven Psychologie baut auf jenen Kompetenzen und persönlichen Erfahrungen auf, die sich die Menschen im Verlauf ihres Lebens angeeignet haben und schlussendlich zu einer inneren Haltung, einer Art Kompass, führen, mit der täglich Entscheidungen getroffen werden.

Mehr von Benjamin Decker

 

Literatur

Gable, S. L.; Haidt, J. (2005): What (and Why) Is Positive Psychology? Review of General Psychology, 103-109.

Ruch, W.; Wagner, L. (2016): Charakterstärken und Schule. journal für lehrerInnenbildung, 23-26.

Seligman, M. (2010): Flourish: Positive Psychology an Positve Interventions. Michigan: Tanner Lectures on Human Values, 1-40.

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