Die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft im Kinderhaus

Kinder wechseln täglich zwischen zwei Lebenswelten hin und her – zwischen ihrem Zuhause und dem Kinderhaus. Für sie beinhaltet jeder Übergang einen großen Schritt. Leichter wird dieser Schritt, wenn sie spüren, dass zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften eine entspannte Atmosphäre besteht. Sie können so ihre Lebenswelten besser miteinander verbinden. Um diese Verbundenheit für die Kinder erfahrbar zu machen und das individuelle Kind im Blick zu haben, dafür ist eine gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern bedeutsam. Doch was bedeutet das eigentlich? Was gehört zu einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft? Wie können pädagogische Fachkräfte diese (mit)gestalten?

Die Rolle der Eltern in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft

Kinder haben Eltern, und Eltern sind in der Regel die wichtigsten Bindungspersonen für ihre Kinder. Somit sind die Eltern in den Kinderhäusern die zentralen Partner, wenn es um die Bildung und Erziehung der Kinder geht. Im Rahmen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft geht es darum, eine gemeinsame Basis zu schaffen. Gemeinsam mit den Eltern haben die pädagogischen Fachkräfte die Verantwortung für die Bildungsprozesse der Kinder. Im Rahmen einer gelingenden Bildungs- und Erziehungspartnerschaft besteht ein Bildungsdreieck zwischen pädagogischer Fachkraft, dem Kind und den Eltern. Dieses Bildungsdreieck beschreibt ein tragbares Vertrauensverhältnis und ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf das Kind (vgl. Roth 2014, S. 20f.). 

Durch einen Austausch im Kinderhaus erfahren die pädagogischen Fachkräfte, welche Themen zu Hause aktuell sind, welche Einflüsse auf ein Kind einwirken, wie sich ein Kind zu Hause zeigt. Die Eltern wiederum bekommen einen Einblick, was ihr Kind im Kinderhaus erlebt, wie es sich entwickelt und welche Interessen ihr Kind im Kinderhaus verfolgt. In einer gelingenden Bildungs- und Erziehungspartnerschaft erleben Kinder eine Verbindung zwischen ihren beiden Lebenswelten. Dadurch wird ein hohes Maß an Sicherheit und Geborgenheit geschaffen. Dies sind grundlegende Voraussetzungen, damit sich ein Kind im Kinderhaus wohlfühlt. Wenn ein Kind sicher angekommen ist, bringt es sich ins Spiel mit ein, ist offen und neugierig für neue Lernerfahrungen und kann die eigenen Interessen und Stärken entwickeln (vgl. Wehinger 2016, S. 11).

Wie kann eine solide Beziehung aufgebaut werden?

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ist nicht nur ein Methodenkoffer, der schrittweise ausgepackt wird. Es geht bei dieser Partnerschaft im Kern um die innere Haltung zum Gegenüber. Werden Eltern bzw. die Familien als kompetente Partner*innen für ihre Kinder geachtet? Besteht auf Seiten der Fachkräfte ein aufrichtiges Interesse an den Themen der Familien? Wie ist das Bild über die Familie entstanden und sollte dieses überprüft werden? Eine positive innere Haltung und damit eine gute Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zu leben, erfordert ein hohes Maß an Professionalität und (Selbst)Reflexion seitens der pädagogischen Fachkraft. Es versteht sich dabei fast von selbst, dass sich Fachkräfte und Eltern auf Augenhöhe begegnen, sich gegenseitig Wertschätzung entgegenbringen und transparent agieren. Das Klären von gegenseitigen Erwartungen zu Beginn der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft trägt zu einer gemeinsamen Basis bei. Die Eltern sind Experten für ihre Kinder und sollten als solche wahr- und ernst genommen werden. Dies zu erreichen ist möglich, indem die pädagogische Fachkraft ein ehrliches Interesse an der Lebenswelt “zu Hause” zeigt. Hilfreich kann sein, Nachfragen zu stellen und empathisch auf die Themen der Familie einzugehen (vgl. Roth 2014, S. 15f.). 

Um einen gemeinsamen Blick auf das Kind zu erhalten, lohnt sich der Austausch über Beobachtungen in der Kita und zu Hause in der Familie. Indem das pädagogische Handeln kohärent für Kinder und Eltern ist und sie im Alltag mitgenommen werden entsteht Sicherheit. Im Rahmen von Tür- und Angel- Gesprächen in Bring- und Abholsituationen können Beobachtungen vom heutigen Tag im Kinderhaus geschildert werden. Des Weiteren können Nachfragen gestellt werden, welche Beobachtungen die Eltern zu Hause gemacht haben. So kann ein zielgerichteter Austausch mit Blick auf die Entwicklungsschritte des Kindes entstehen.  

Durch eine gute Dokumentation ist es möglich für die Eltern zu visualisieren, was das Kind im Kinderhaus erlebt und Entwicklungsschritte festzuhalten. Hierbei können in Portfolios zusätzlich Erlebnisse von zu Hause aufgenommen werden. Gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen mit den Eltern im Kinderhaus können durch eine Wanddokumentation visualisiert werden. Für das Kind kann durch die Dokumentation sichtbar werden, dass sich seine zwei Lebenswelten miteinander verbinden (vgl. Wehinger 2016, S. 30ff.).

Sowohl in kurzen Gesprächen als auch in jährlichen Entwicklungsgesprächen gilt es, aktiv zuzuhören und empathisch auf die Belange der Eltern zu reagieren. Ein bewusstes Wahrnehmen von Themen und Notlagen der Eltern bietet die Möglichkeit, Beratung und Unterstützung anzubieten. Regelmäßig geplante Elterngespräche schaffen Vertrauen und einen geeigneten Rahmen offene Fragen zu klären. Zeigt ein Kind einen erhöhten Förderbedarf, können in diesem Rahmen mögliche Fördermaßnahmen sowie weitere notwendige Schritte thematisiert werden. Um den Eltern eine umfängliche Rückmeldung zu geben, sollte jede Fachkraft diese Gespräche sorgfältig vorbereiten. Dabei sind die Beobachtungen von Kolleg*Innen einzubeziehen. Für die Eltern sollte spürbar werden, dass ihr Kind in allen Interessen und Bedürfnissen wahr- und ernst genommen wird. Indem sich die Eltern einbringen, wird für sie erfahrbar, dass sie selbst einen großen Anteil daran haben, wie ein ganzheitlicher Blick auf ihr Kind entsteht. Nur so lassen sich Themen transparent besprechen.    

Reflexion und aktive Gestaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft

Die pädagogischen Fachkräfte sind aktive Gestalter einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft – sowohl mit einzelnen Eltern als auch im Team mit der gesamten Elternschaft des Hauses. Es gehört zu den Aufgaben des pädagogischen Personals, sich dieser Rolle und der Bedeutung für die alltägliche Arbeit im Kinderhaus bewusst zu sein und durch Selbstreflexion die eigene Arbeit regelmäßig zu überprüfen. Indem die pädagogische Fachkraft selbst eine klare Haltung einnimmt, wie sich eine gute Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ausgestaltet, kann eine Basis geschaffen werden. Die folgenden Fragen unterstützen dabei, das eigene Handeln zu reflektieren:

  • Was fordert mich in der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Familie “X” besonders heraus?
  • Mit was bin ich zufrieden, was sollte sich für eine gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft noch verändern?
  • Habe ich bereits Veränderungen mit Familie „X“ wahrgenommen?
  • Wie viel ist mir über die Familie/die Eltern bekannt? Habe ich nachgefragt?
  • Respektiere ich die familiären Hintergründe und nehme ich diese ernst?
  • An welchen Stellen können Eltern im Kinderhaus aktiv mitgestalten, mitreden, mitentscheiden?
  • Finden die Ansichten der Eltern bei uns im Kinderhaus Gehör? (vgl. Wehinger 2016, S.83) 

Die gelebte Bildungs- und Erziehungspartnerschaft bei Ihnen im Kinderhaus immer wieder in den Blick zu nehmen, trägt zu einem gelingenden Alltag und zu einer gesunden Entwicklung der Kinder bei. Offene Fragen oder Unstimmigkeiten sollte seitens der pädagogischen Fachkräfte baldmöglichst angesprochen werden. So kann die notwendige Transparenz entstehen. Wenn Sie eine vertraute Basis mit den Eltern aufbauen, können die Kinder entspannt im Kinderhaus ankommen und ihre Welt für sich entdecken.    

Mehr von Svenja Korber 

Literatur 

Wehinger, Ulrike (2016): Eltern beraten, begeistern, einbeziehen. Freiburg: Herder  

Roth, Xenia (2014): Handbuch Elternarbeit. Freiburg: Herder

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