Hilfe! Ich soll ein Raumkonzept erstellen, dabei bin ich doch gar kein:e Architekt:in. Das stimmt, Sie sind kein:e Architekt:in und das ist auch gut so. Ein Raumkonzept für Funktionsbereiche oder Funktionsräume in Kindertageseinrichtungen zu erstellen, wäre bei einem:einer Architekt:in auch nicht unbedingt gut aufgehoben. Sie sind als pädagogische (Fach-)Kraft genau an der richtigen Stelle, um Ihre Stärken einzubringen und das zu tun, was Sie am besten können. Architekt:innen haben es gelernt, Gebäude nach Kriterien wie Stabilität, Akustik oder auch Brandschutz zu planen. Sie hingegen sind oder werden ausgebildet darin, pädagogische Inhalte auf unterschiedliche Kontexte zu übertragen. Genau dies sollten Sie sich zu Nutze machen, wenn Sie eine gute Raumgestaltung umsetzen wollen.
Der Startschuss: Gedanken zur Konzeptentwicklung
Was ist ein Raumkonzept und welche Anforderungen daran gibt es? Mit der Beantwortung dieser Fragen nähern wir uns der praktischen Umsetzung an.
Die Räume bzw. Bereiche im Kinderhaus sind in der Regel bereits klar definiert oder mindestens strukturell als auch inhaltlich abgegrenzt. Am Beispiel des Bauzimmers lässt sich das verdeutlichen: „Bau“ beschreibt die inhaltliche Abgrenzung des pädagogischen Raumes, indem wörtlich Bezug dazu genommen wird, dass in diesem Raum Bauen und Konstruieren und das Bildungs- und Entwicklungsfeld Erschaffen einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen. Das „Zimmer“ beschreibt allgemeingebräuchlich die (vier) Wände, die es begrenzen.
Wollen wir für diesen Raum oder Bereich nun ein Konzept entwickeln, so ist auch ein Verständnis der Begrifflichkeit hilfreich. Im Duden finden wir folgende Definitionen: „skizzenhafter, stichwortartiger Entwurf, Rohfassung eines Textes, einer Rede o. Ä.“, „klar umrissener Plan, Programm für ein Vorhaben“, „Idee, Ideal; aus der Wahrnehmung abstrahierte Vorstellung“ (Duden, 2023). Diese Beschreibungen passen gut zu der Idee eines Raumkonzeptes. Es bedeutet einen fundierten Plan zu entwickeln, welche kindlichen Bedürfnisse und Interessen und pädagogischen Anforderungen durch Möbel und Material aufzugreifen und umzusetzen sind. Um ein Raumkonzept strukturell und inhaltlich zu realisieren, benötigt es einen Überblick über die Standards der Raumgestaltung in den element-i Kinderhäusern.
Standards der Raumgestaltung in element-i Kinderhäusern
Ein Raumkonzept zu erstellen, ist für die ein oder den anderen ein kurzer oder langer Weg. Die drei Qualitätsebenen der Raumgestaltung, die der Qualitätsentwicklungszirkel (QEZ) „Räume“ entwickelt hat, sollen in diesem Prozess Orientierung und Struktur ermöglichen.
Ebene 1: Basisanforderungen an einen Raum
Diese Ebene beschreibt die grundlegenden Anforderungen an einen Raum, welcher für den Kitabetrieb genutzt wird. Sie ergeben sich einerseits aus rechtlichen Vorgaben, andererseits auch aus den Gedanken heraus, was ein Raum braucht, so dass er überhaupt zum Spiel der Kinder genutzt werden kann. Somit sind diese Aspekte in der Umsetzung zwingend erforderlich.
- Hygiene
- Sauberkeit
- Sicherheit für Kinder und Mitarbeitende ist gewährleistet (Fluchtwege, Brandschutz, etc.)
- intakte Spielmaterialien und Möbel
- erkennbare Ordnung und Struktur
- Licht: vorhandene Lichtquellen nutzen und nicht verdecken
- Grundbestand an Materialien
- Bildungsbereich/Funktion erkennbar
- Sinnhaftigkeit der Raumzuordnung
- Laufwege in Durchgangszimmern bleiben frei
Diese Ebene bildet ausdrücklich die Basis für den pädagogischen Alltag im Kitabetrieb.
Ebene 2: Kriterien für eine durchschnittliche Qualität des Raumes
Sind die Aspekte der Ebene 1 dauerhaft erfüllt und umgesetzt, steht die Erfüllung kindlicher Bildung und Entwicklung im Fokus. Gut gestaltete Räume unterstützen die kindliche Entwicklung und sollten Aufforderungscharakter besitzen, um Lernprozesse anzuregen. Dies gelingt durch ein zielgerichtetes und theoretisch fundiertes Überdenken und Ausgestalten des Raumes. Dabei unterstützen Planungsinstrumente diesen Prozess.
- differenzierte Materialauswahl (Bsp. Naturmaterialien)
- vorbereitete Lernumgebung
- die Materialien sind frei zugänglich und auf Kinderhöhe
- entwicklungsgerechte Materialauswahl
- Wandgestaltung (Bsp. Rahmen für Wanddokus)
- Farbharmonie: abgestimmte Farben für Teppiche und Textilien, abgestimmte Töne der (Holz-) Möbel
- Licht: Lichtquellen didaktisch sinnvoll nutzen (Arbeitsplätze am Fenster etc.)
- Laufwege bleiben in allen Räumen frei
Haben Sie Ebene 2 durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Raum erreicht, lässt sich die nächste Qualitätsebene betrachten.
Ebene 3: Kriterien für eine hohe Qualität des Raumes
Dies ist die Königsdisziplin der Raumgestaltung, in der partizipative und dynamische Raumkonzepte entstehen und die Kita in der Gesamtqualität wesentlich stärkt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Rollenspielbereich. In einigen unserer Kinderhäuser wird dieser entsprechend den Themen der Kinder mit Ihnen gestaltet und belebt. So zeigt sich der Rollenspielbereich für einige Monate im Gewand eines Krankenhauses, wird danach eine Ritterburg oder zum Wochenmarkt. Auch einige Forscherecken verwandeln sich von Weltraumstationen zu Vulkanlandschaften oder zu Beobachtungsräumen von Insekten. Diese projekthaften Raumkonzepte können im Kleinen anfangen oder auch ganz groß werden. Schauen Sie dazu genauer hin und nutzen Sie Ihre Beobachtungen, um die Themen und Bedürfnisse der Kinder erfassen und mit Ihnen gemeinsam die (Kita-)Welt gestalten zu können.
- Räume spiegeln die Themen der Kinder wider
- Kinder sind aktiv bei der Gestaltung der Räume beteiligt
- Materialien sind ausdifferenziert gestaltet und vorbereitet
Unterstützende Instrumente zur Erstellung eines Raumkonzepts
Um Ihnen den Weg zum guten pädagogischen Raum zu erleichtern und Ideen zur Umsetzung an die Hand zu geben, möchte ich es nicht verpassen, noch einmal auf die wichtigsten Instrumente für element-i Kinderhäuser hinzuweisen.
Zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Material und Raumgestaltung finden Sie die entsprechende Prozessbeschreibung des Bildungs- und Entwicklungsfelds. Ergänzend dazu gibt es in der für den Funktionsbereich formulierten Planungshilfe des Funktionsraums, Hinweise zur möglichen Zonierung, notwendigen Möbeln und Basis- als auch Wechselmaterial. Der Leitfaden zur Erarbeitung der Standards in element-i Kinderhäusern unterstützt in der systematischen Entwicklung eines Raumkonzepts und soll ein Instrument zur Selbstkontrolle und dem Setzen von Meilensteinen auf dem Weg zum guten Kita-Raum sein.
Alles beginnt mit einem Ziel – gestalten Sie den Weg
Zum Abschluss meines Artikels möchte ich Sie auf eine kleine Reise in die Vergangenheit einladen: In meiner Kindheit wurde mein Kinderzimmer aus unterschiedlichen Gründen von Zeit zu Zeit umgezogen oder umgestellt. Gerüstet mit dem ausgeliehenen Meterstab von Papa, dem Geodreieck vom großen Bruder und der eigenen Bastelschere, fand ich mich in unterschiedlichen Lebensabschnitten mit einer Raumskizze vor mir auf dem Schreibtisch liegend wieder. Maßstabgetreue Nachgebilde meiner Möbel und Spielsachen wurden fleißig hin und hergeschoben – erst auf dem Papier, dann im Kinderzimmer. Die Gedanken, die ich mir – oder Sie sich – in diesen Momenten der Umgestaltung gemacht habe, lassen sich auch für die Raumgestaltung in der Kita übertragen. Welche Zonen will ich einrichten (Ruhe, Aktivität, stehen, sitzen, liegen, Nischen für Rückzug mit Freunden)? Welche Ecken sollen praktischer Natur sein und gewisse Funktionen erfüllen und welche Ecken dienen mehr der Ästhetik oder meinen eigenen Kunstwerken? Wie findet alles Notwendige einen sinnvollen Platz in einem vorgegebenen Raum? Welches Ordnungssystem unterstützt mich dabei, schnell und einfach alles aufräumen zu können?
Wenn Sie sich daran machen, ein Raumkonzept zu entwerfen, seien Sie in Ihrem Zugang dazu kreativ. Die Basisanforderungen sind klar vorgegeben und theoretisch fundierte Kriterien formuliert. Ihre Vorgehensweise lässt Ihnen aber die Möglichkeit einen einzigartigen Weg hin zum guten Kita-Raum zu finden.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Ausprobieren und Gestalten von guten Funktionsbereichen in Ihrem Kinderhaus.
Literatur: Duden (2023): Konzept, online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Konzept, 06.09.23