Lösungsorientiertes Arbeiten im Team – Schritt für Schritt

Nach über einem Jahr mit Änderungen im Alltag – was eine hohe Flexibilität und Weitsicht benötigte und weiterhin benötigt – ist die aktuelle Situation fast „normal“. An der einen oder anderen Stelle resignieren wir und lassen Dinge laufen, weil die Energie fehlt. Ideen gehen aus, wie ein problembehaftetes Thema bearbeitet werden kann. Stille Konflikte werden nicht ausgesprochen und wirken sich trotzdem vielfältig aus – auf die Kommunikation, auf die Stimmung im Team. Auch körperliche Reaktionen sind nicht auszuschließen. Wie geht es Ihnen im Moment in Ihrem Team? Was vermissen Sie? Was hat sich verbessert? Zu welcher Kolleg*in haben sie den Kontakt verloren? …

Jedes Handeln ist in gewisser Weise eine Reise ins Ungewisse: Denn kein Mensch kann voraussehen, wie sein Gegenüber auf eine Frage oder Bitte reagiert. Dieselbe Frage, an verschiedene Personen gerichtet, wird sehr wahrscheinlich unterschiedliche Antworten hervorbringen. Sonja Radatz erklärt das sehr treffend: „Alles, was wir tun oder nicht tun, hat Auswirkungen – wir wissen nur nicht welche: Beispielsweise können wir davon ausgehen, dass die Ankündigung: „Ab nächstem Jahr muss der Umsatz verdoppelt werden“, in jedem Fall eine aktive Veränderung hervorruft. Das Teuflische ist nur: Wir wissen nie im Voraus welche. Denn wir haben es mit nichttrivialen Lebewesen (…) zu tun, viel mehr noch: mit denkenden und fühlenden Menschen, die Antworten welcher Art auch immer geben können und sich in jedem Augenblick ihres Lebens (…) neu für bestimmte Antworten oder Reaktionen entscheiden“ (Radatz 2015, S. 43). Ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte nimmt Einfluss auf ein Team, durch Fragen, Vorgaben oder Informationen. Jedoch kann er/sie nicht annehmen, dass die Reaktionen der Menschen so ausfallen, wie sie/er sich das wünscht.

Teams berichten, dass der lückenlose Austausch mit allen Kolleg*innen im Alltag derzeit fehlt, Unstimmigkeiten nicht besprochen werden und wichtige, pädagogische Themen nur noch in den Teamsitzungen online diskutiert werden. Hier ist jede/r gefordert; es benötigt mehr Energie und Einfallsreichtum, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Hier und da wird der Wunsch nach einem Teamcoaching geäußert. Aber wie kann das funktionieren, wenn das Team nicht in Präsenz zusammenarbeiten darf?

Eine Variante, im Team lösungsorientiert an Themen zu arbeiten, ist der so genannte SolutionCircle von Daniel Meier (2005, S. 61 ff), welcher in acht Schritten durchgeführt wird.

  1. Rahmen klären: Wie lange sitzen wir heute zusammen? Welches Thema bearbeiten wir heute? Wer hat welche Rolle? Welche Kommunikationsregeln sollen eingehalten werden, damit alle gut mitarbeiten können? Es geht weniger darum Probleme zu analysieren, sondern Lösungen zu entwickeln.
  2. Ziele: Hier definieren alle, wann für sie die gemeinsame Arbeit heute erfolgreich ist. Fragen wie: Was soll heute passieren, damit es sich für alle gelohnt hat, dabei zu sein? Was soll am Schluss anders sein als vorher?
  3. Brennpunkte: Alle Teilnehmenden schreiben Stichworte von unbefriedigenden Erlebnissen oder Situationen auf. Verständnisfragen zu den einzelnen Themen können gestellt werden. Anschließend werden die Stichworte nach Themen angeordnet und sortiert. Nachdem Oberthemen formuliert sind, kann jedes Teammitglied entscheiden, welches der Themen oberste Priorität für ihn hat. Dadurch ergeben sich verschiedene Interessengruppen, die an diversen Themen arbeiten. Somit kann jede/r an dem Thema arbeiten, an dem die Bereitschaft, Energie zu investieren und Veränderungen herbeizuführen, groß ist.
  4. Sternstunden: In diesem Schritt machen sich die Interessengruppen auf die Suche nach Situationen, in denen das Problem weniger oder gar nicht aufgetreten ist. Hilfreiche Fragen können sein: Welche Begebenheiten gab es in den letzten Wochen, die bezüglich der Fragestellung wie eine kleine Sternstunde erschienen? Was war dabei genau anders? Was könnten wir aus den Sternstunden für die Lösung des Problems lernen?
  5. Future Perfect: Nun entwirft die Interessengruppe eine möglichst präzise Vorstellung einer Zukunft, in der das jeweilige Problem gelöst ist. Sie können hierfür diese Fragen nutzen: Wenn wir zusammen wirklich sehr erfolgreich wären und sich unser Team dabei genau nach unseren Wünschen entwickeln würde, wo würden wir dann in zwei Jahren stehen? Was wird dann genau anders sein? Was werde ich anderes machen?
    In der anschließenden Präsentation ist es wichtig, dass jede Idee oder Vorstellung anerkannt wird. Beiträge wie „das geht aber nicht, weil…“ haben hier keinen Platz. Es geht darum, Vorstellungen und Ideen auszutauschen.
  6. Scaling Dance: In diesem Schritt schätzen die einzelnen Teammitglieder mit Hilfe einer Skala von 1 bis 10 (wobei 10 besonders fortgeschritten bedeutet) die heutige Situation ein: Wo stehe ich heute bezüglich des Themas X? Wie habe ich es geschafft, auf diese Position zu kommen? Was macht den Unterschied zwischen der 1 und meiner Position aus? Bei der Anwendung der Skala geht es darum zu erfahren, wie es zu der jeweiligen Einschätzung gekommen ist. Verbunden damit ist die Fragestellung: Was ist bereits gelungen? Welche Ressourcen wurden eingesetzt?
  7. Maßnahmen: Nun werden konkrete Maßnahmen formuliert, die das Team in nächster Zukunft umsetzen kann – am besten schon morgen! 😉
    Dies geschieht auf Basis des vorangegangenen Schrittes; es wird festgehalten, was getan werden muss, um einen kleinen Schritt in Richtung 10 zu gehen. Welche Abmachungen werden getroffen, um im Alltag an den besprochenen Lösungen zu arbeiten und die Fortschritte zu reflektieren? Was kann ich dazu beitragen, dass etwas vorwärts geht? In welcher Art werden wir die ersten kleinen Erfolge feiern?
  8. Persönlicher Auftrag: Jedes Teammitglied überlegt und notiert sich, was er/sie in der Folge zu einem gelingenden Teamprozess, bei dem alle gut zusammenarbeiten und sich entfalten können, beitragen könnte. Dies muss nicht zwingend im Plenum veröffentlicht werden. Einen Fortschritt können Sie auch spielerisch sichtbar machen: Stellen Sie ein Bonbonglas und eine Schüssel mit Bonbons auf. In das Glas wird immer dann ein Bonbon gelegt, wenn zieldienliches Verhalten im Team beobachtet wird. In den Teamsitzungen sollte zum Thema gemacht werden, wie die Bonbons ins Glas gekommen sind. Danach können sie vernascht werden.

Online-Tools

Um den SolutionCircle oder auch andere Aufgaben online und Gewinn bringend durchzuführen, können verschiedene Tools benutzt werden.

Ein Whiteboard wie z. B. conceptboard finden Sie hier. Hier können Sie Ihre Ideen festhalten und gemeinsam Ideen entwickeln – von überall.

Eine weitere Variante ist das so genannte Padlet. Der Schwerpunkt der App liegt auf der Zusammenarbeit untereinander. Es können Inhalte erstellt, geteilt, in Echtzeit aktualisiert und diskutiert werden. Diese digitale Pinnwand bietet die Möglichkeit, Bilder, Texte, Zeichnungen, Links und vieles mehr zu erstellen. Durch Live-Chats und das Kommentieren von Einträgen können die Benutzer miteinander kommunizieren.

Skalierungen können mit dem Mentimeter sichtbar gemacht werden. Dies ist ein Abstimmungs- sowie Brainstorming-Tool, welches eine Vielzahl an interaktiven Möglichkeiten bietet.

Steve de Shazer, ein amerikanischer Psychotherapeut, hat einmal gesagt: „Problem talk creates problems. Solution talk creates solutions.” Dieses Zitat fasst den Nutzen des SolutionCircle hervorragend zusammen. In schwierigen Situationen – das kennen wir alle – wird oft nach dem „Warum?“ und „Weshalb?“ gefragt. In der Regel wird viel Zeit für die Problemanalyse aufgewendet, Personen bleiben mitunter bei der Analyse stecken. Der Blick auf eine Lösung und die Zukunft wird nicht gesucht. Im SolutionCircle hingegen geht es um das „Wohin?“. Bei diesem Ansatz konzentrieren wir uns auf Erfolgserlebnisse aus der Vergangenheit, die für neue Lösungen nützlich sein können. Die Ressourcen, vergangene Erfolge heranzuziehen, besitzen Sie alle. Oft liefern bekannte Lösungen bereits erste Hinweise, wie eine neue Herausforderung gemeistert werden kann. Nutzen Sie Ihre Zeit, um Visionen zu entwickeln und gemeinsam mit viel Energie, Engagement und Spaß in die Zukunft zu gehen. Bei Fragen zu der Methode kommen Sie gerne auf mich zu.

Literatur

Radatz, Sonja (2015): Beratung ohne Ratschlag – Systemisches Coaching für Führungskräfte und BeraterInnen. 9. Auflage. literatur-vsm, Wolkersdorf

Meier, Daniel (2005): Wege zur erfolgreichen Teamentwicklung – Mit dem SolutionCircle Turbulenzen im Team als Chance nutzen. Überarbeitete Neuauflage. solutionsurfers, Basel

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