Im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig ein Kind betreuen – eine Unmöglichkeit! Finde ich zumindest. Da helfen auch die vielen gut gemeinten Ratschläge im Internet nichts. Bei mir hat‘s erst geklappt, als unser Sohn in die Schule ging und sich gut selbst beschäftigen konnte.
„Homeoffice ist doch super!”, denken viele. „Die ideale Lösung, um Beruf und Familie zu vereinbaren.“ In so mancher Beziehung haben sie recht: Nervige Arbeitswege entfallen. Es kommt meist nicht darauf an, ob ich morgens früher oder später am Schreibtisch sitze. Und es sind keine großen organisatorischen Klimmzüge nötig, wenn ich mein Kind mal früher aus der Kita holen muss.
Homeoffice plus
Doch oft heißt Homeoffice nicht nur Homeoffice, sondern Homeoffice plus Kind. Immer dann nämlich, wenn Husten, Schnupfen, Fieber oder Magen-Darm zuschlagen, wenn das Kita-Team auf Fortbildung ist oder streikt, an Tagen, an denen die Personaldecke so dünn ist, dass die Einrichtung früher schließen muss oder die Eltern gebeten werden, ihr Kind nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. Sind die Kinder im Schulalter, stellen die langen Ferienzeiten, die die eigenen Urlaubstage in der Regel deutlich übersteigen, die Eltern vor Herausforderungen. Denn an all diesen Tagen sollen sie beides bewältigen: Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung. Zuletzt setzte die Corona-Pandemie noch einen drauf: Während des Lockdowns waren Schulkind-Eltern zusätzlich als Lehrkräfte gefragt.
Multitasking ist eine Illusion
Meine Erfahrung ist: Homeoffice mit Kleinkind? Das funktioniert nicht! Zumindest bei mir klappt es nicht, zwei oder drei Dinge gleichzeitig zu tun. Es geht nur eins nach dem anderen. Ich glaube, den meisten geht das genauso. Fotos, die lächelnde Mütter oder Väter bei der Arbeit am Schreibtisch zeigen, während ein Kleinkind im Hintergrund hingebungsvoll spielt oder ein Bild malt, haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Kinder unter einem Jahr können sich zwischen fünf und zehn Minuten alleine beschäftigen, Zwei- bis Dreijährige halten vielleicht mal 20 Minuten durch. Ich kann mich da am Schreibtisch gerade in meine Aufgabe reindenken, und dann ist die Arbeitszeit auch schon wieder vorbei. Also: Vergessen Sie’s! Meine Homeoffice-Erfahrung mit Kleinkind ist zwar schon 20 Jahre alt – aber das ist ein Naturgesetz.
Arbeiten ging nur, wenn das Kleinkind schlief
Die freie Journalistin Imke Weiter schildert in einem Beitrag für das Magazin emotion ihre Homeoffice-Erfahrungen mit Kleinkind während des Corona-Lockdowns 2020. Sie schreibt: „Seit meine Tochter keinen Mittagschlaf mehr macht, fällt auch die Möglichkeit, mittags zu arbeiten weg. Sie soll außerdem ein vernünftiges Mittagessen bekommen, muss gewickelt werden, sie will singen, tanzen, Laufrad fahren, mit Fingerfarben malen, und muss dabei meistens betreut werden.“ Die Mutter schiebt ihre Arbeitszeiten daher auf den frühen Morgen und den Abend, wenn die Tochter noch oder wieder schläft. Zeit für sich hat die Journalistin dadurch kaum noch.
Er spielte gerne alleine
Doch es gibt Licht am Horizont: Mit zunehmendem Alter der Kinder verändert sich die Situation. Unser Sohn spielte ab dem Grundschulalter gerne stundenlang für sich alleine. Aus der vormittäglichen Betreuung kam er oft sehr überreizt zurück und genoss es dann, sich nach dem gemeinsamen Mittagessen in sein Zimmer zurückzuziehen. Für mich gab es so zusätzliche Zeit zu arbeiten. Das ist sicherlich nicht übertragbar, denn Kinder sind sehr unterschiedlich und andere fordern mehr Gemeinschaft und Austausch ein.
Haltung des Elternteils wichtig
Ich habe jedoch auch den Eindruck, dass es etwas mit der Haltung des Elternteils zu tun hat, ob das ungestörte Arbeiten im Homeoffice gelingt, auch wenn das (ältere) Kind zu Hause ist. Lange Zeit war ich im Verband berufstätiger Mütter (VBM) aktiv und habe mich viel mit anderen Müttern ausgetauscht. Sie bestätigten meine Einschätzung, dass Kinder sehr genau spüren, wie ernst es den Eltern mit ihrer Arbeit ist. Sind Mutter oder Vater unsicher, ob sie ihre Zeit nicht doch lieber ihrem Kind widmen sollen, und haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie arbeiten, scheinen die Kinder sie eher dabei zu stören. Auch wenn’s nicht nachgewiesen ist – der Gedanke scheint mir schlüssig.
Eltern als Hilfslehrkräfte?
Da die Halbtagsbetreuung in der Schule meine Arbeitszeiten nicht abdeckte, musste unser Sohn ohne Hausaufgabenbetreuung von mir auskommen. Nach gelegentlichen misslungenen Ausflügen in die Hilfslehrerinnentätigkeit hatte ich dazu – auch aus erzieherischen Gründen – eine klare Haltung: Eltern sind als Aushilfspädagog*innen ungeeignet. Zumindest kann ich das von mir behaupten. Meine Geduld im Erklären zum Beispiel von Matheaufgaben erwies sich als äußerst begrenzt. Ich führe das darauf zurück, dass ich als Mutter emotional zu stark beteiligt war. Kapierte unser Sohn etwas nicht, schrillten gleich Alarmglocken in meinem Kopf – so sehr ich mich auch bemühte, gelassen zu bleiben. Ich glaube, das ging nicht nur mir so. Schließlich berichten viele Eltern, dass es bei Schulthemen regelmäßig zu Streit in der Familie kommt. Daher halte ich es für eine denkbar schlechte Idee, wenn Schulen Eltern Lehrtätigkeiten übertragen – und sei es nur die Kontrolle der Hausaufgaben. Aber das ist ein eigenes Thema.
Vereinbarkeits-Tipps aus dem Internet
Homeoffice mit Kind: Dazu gibt es im Internet viele Artikel mit Tipps und guten Ratschlägen. Sie lauten zum Beispiel so: Machen Sie einen Zeitplan und schaffen Sie klare Tagesstrukturen. Bauen Sie feste Spiel- und Kreativangebote in den Vormittag ein. Bereiten Sie etwas zu Essen (z.B. Obst) und zu Trinken für die Kinder vor, damit sie sich selbst bedienen können. Solche Ideen klingen nett, hören sich aber ganz so an, als müsste man ein Orga-Genie sein, um sie umzusetzen. (Mein Ding ist das nicht!) Außerdem lösen sie aus meiner Sicht das Problem nicht. Wenn ich eine Stunde konzentriert an einem Artikel schreiben will, möchte ich nicht alle zehn Minuten eine Pause machen, um etwas zu spielen oder vorzulesen. Und an den elterlichen Zeitplan wird sich das Kind schon gar nicht halten. Heißt: Ich sitze am Schreibtisch und bin sekündlich darauf gefasst, gestört zu werden. Der Konzentration ist das nicht zuträglich. Letztlich hilft nur folgender Tipp: Beauftragen Sie eine andere Person mit der Betreuung Ihres Kindes! Wenn Sie denn jemanden finden können. Vielleicht hilft eine Elterninitiative. Ich hätte mich damals gerne mit anderen Müttern bei der Nachmittagsbetreuung abgewechselt. Leider konnte ich in meiner Nachbarschaft niemanden finden, der daran Interesse hatte. Ich hoffe, Ihnen geht es heute anders!
Und denken Sie daran, wenn Sie mitten in der Homeoffice-mit-Kind-Phase stecken: Anderen geht es genauso. Keiner meistert das perfekt. Die meisten haben das Gefühl, weder dem Beruf noch der Familie gerecht zu werden. Meinem früheren Ich würde ich daher am liebsten zurufen: Nicht verrücktmachen! Was mir damals half, war übrigens der Austausch mit anderen Müttern im VBM.
Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou
Links:
„Home Office mit Kleinkind – wieso das so schwierig ist“, Beitrag auf emotion.de vom 8.4.2020:
https://www.emotion.de/leben-arbeit/gesellschaft/home-office-mit-kleinkind-schwierigkeiten
Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM), Website