Stress – Teufel oder Engel?

Wir kennen es alle: ein Vorstellungsgespräch, eine wichtige Terminarbeit oder ein Tag voller To Dos. Wie sich Stress anfühlt, empfinden wir – positiv wie negativ. Welche Arten von Stress gibt es und wie kann er sich auf unser Leben auswirken? Und wie entsteht er überhaupt? Eine aktuelle Stressstudie weist aus, dass 64% der Menschen in Deutschland sich mindestens manchmal gestresst fühlen, 26% sogar häufig (Techniker Krankenkasse 2021, S. 8. Doch der Reihe nach.

Was ist Stress?

Stress ist eine Reaktion auf Spannung, Druck oder gestellte Anforderungen. Diese Reaktion wird unterschiedlich aufgenommen. Es gibt den so genannten Eustress: eine Situation ist herausfordernd, stressreich und wird dabei positiv erlebt. Diese Form von Stress kann dafür sorgen, dass wir leistungsfähiger und motivierter sind. Die Belastung ist zwar vorhanden, spornt uns aber an. Solange wir uns sicher sind, eine Herausforderung zu meistern, aktivieren wir leicht unsere Ressourcen.  

Eine besondere Belastung dagegen, die wir nicht zu lösen vermögen, löst in unserem Körper ein Alarmsignal aus. Bleibt dieses Signal im Dauerzustand, weil Anforderungen nicht erfüllt werden können oder ein permanenter Druck vorhanden ist, wird diese Form von Stress als negativ empfunden. Es entsteht Distress, ein Zustand, in dem sich eine Person nicht vollständig an Stressfaktoren und dem daraus resultierenden Stress anpassen kann. Im Grunde können wir an dieser auch aufatmen: Denn es gibt (fast immer) einen Ausweg, damit die leibliche Existenz nicht in Gefahr gerät.

Wie entsteht Stress in Körper und Geist?

Stress beginnt im Kopf – immer dann, wenn wir eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen und unseren Bewältigungskompetenzen wahrnehmen. Oft sind wir in den eigenen Gedankenketten gefangen und nicht im Hier und Jetzt präsent. Wenn doch, dann unter subjektiv gefühltem Zeit- und Leistungsdruck – wir leiden mehr an unseren Gedanken als an der Realität. Jeder lässt sich unterschiedlich beeinflussen, geprägt durch seine Erfahrungen, Bewertungen und Einschätzungen. Zwei Menschen können in der gleichen Situation sein, ihr Stresslevel kann sich aber deutlich unterscheiden. Der Grund liegt darin, wie ein Stressor wahrgenommen wird und welche Gedanken und Schlussfolgerungen er auslöst.  

Wenn wir einem Stressor ausgesetzt sind, reagiert eine Region in unserem Gehirn – die Amygdala: sie verarbeitet Emotionen, vorrangig Angst und Stress. Um aus dem Kreislauf aus hoher Anforderung einerseits und gefühltem Unvermögen andererseits auszubrechen, kann es helfen, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und zu reflektieren: Was hat Priorität? Was ist (mir) wichtig? Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung? 

In Stresssituationen werden Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgestoßen. Diese machen uns vorübergehend leistungsfähiger, damit wir schnellstmöglich aus der Situation durch die Handlungsoptionen „Flucht“, „Kampf“ oder „Tot-stellen“ entkommen können. Unser Nervensystem ist schnell: es erhöht den Blutdruck, verstärkt den Stoffwechsel und baut Kohlenhydrate ab. Das Gehirn und die Muskeln sind besser versorgt, Körperfunktionen wie z.B. die Verdauung werden heruntergeregelt. Ein weiteres Stresshormon – das Cortisol – wird in der Nebennierenrinde gebildet und kann bei dauerhaftem Verbleib sowohl zu körperlichen als auch psychisch langfristigen Folgen, wie z.B. Wundheilungsstörungen oder Depressionen, führen. 

Wie erkenne ich meine Stressmuster?

Um herauszufinden, wann ich mich gestresst fühle, sind folgende Fragen hilfreich: 

  • Wie/wann erlebe ich Stresssituationen?  
  • Was war der Auslöser?  
  • Wie sind in diesem Stressmoment meine Gefühle, mein Verhalten, meine Wahrnehmung? 
  • Mit welcher Erfahrung stimmt dies überein?  
  • Was lerne ich daraus?
  • Wie werde ich mich beim nächsten Mal verhalten? 
  • Wie werde ich mich (voraussichtlich) fühlen?

Welche Symptome zeigen sich durch Stress im (Arbeits-)alltag? 

Laut Studie der TK leidet ein Großteil der Gestressten unter Erschöpfung (80%), Schlafstörungen (52%), Kopfschmerzen und Migräne (40%) oder Niedergeschlagenheit bzw. Depressionen (34%). Diese Symptome können ständige Unruhe, Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, Flucht in Suchtverhalten, Unzufriedenheit im Job sowie die Einschränkung persönlicher Interaktionen zur Folge haben. Allein die Angst vor Stress und den möglichen Auswirkungen belastet die Psyche enorm. In der Regel ist unser menschlicher Organismus in der Lage, den Stressor zu bewältigen, indem er die eigenen Kräfte mobilisiert, um die Spannungen abzubauen und die Gründe für den erlebten Stress zu beseitigen. Der Körper kann seine Funktionen wieder in den Normalzustand zurückfahren. Chronischer Stress dagegen kann langfristig zu einem Burnout führen.  

Wir sollten den Fokus auf die Reduzierung von Stress mit all seinen Risiken legen: Stress manifestiert sich, wenn Erholungszeiten fehlen. Ein Zurückgreifen auf die eigenen Ressourcen kann helfen. Besonders in Phasen großer Belastung ist es wichtig, der Aufarbeitung, Ablenkung, Entspannung sowie Ruhe und Schlaf Zeit zu schenken, wie z.B. durch Sport, Gartenarbeit, Saunabesuch, soziale Kontakte, Aufenthalte in der Natur, etc.

Tipps zur Stressreduktion

Es gibt keine Patentrezepte für die effektive Bewältigung von Stresssituationen. Es ist jedoch förderlich, sich der eigenen Schwächen und Stärken bewusst zu sein und zu lernen, manche Situation – so wie sie ist – zu akzeptieren. Wer seinen eigenen Stärken vertraut, wird bei Misserfolgen nicht sofort resignieren und nach einer neuen Lösung suchen.  

Manchmal mag es sich so anfühlen, als renne man gegen eine Wand. Würde man nur einen Schritt zurücktreten, wäre die Tür sichtbar, die eine Lösung darstellt und die man leicht durchschreitet. Es kann auch hilfreich sein, eine Herausforderung in kleinere Teile zu zerlegen und sich Zwischenziele zu setzen. Es lohnt sich in jedem Fall, das eigene Selbstmanagement zu überprüfen und sich mentalen Ausgleich zu suchen. Stress kann bewältigt werden, indem die persönliche Situation und das Problem analysiert, Methoden zur aktiven Entspannung und Stressbewältigung erlernt und langfristig Strategien zur Stressbewältigung erworben werden. Es ist dienlich, sich vor Schwarz-Weiß-Denken zu schützen und Schwierigkeiten als zu bewältigende Herausforderungen zu sehen: „Welche Herausforderungen habe ich in meinem Leben schon gemeistert?“ oder „Wo war ich erfolgreich?“. 

Um kurzfristig den Stress zu reduzieren, hilft es, 

  • durchzuatmen, 
  • anzunehmen, was unabänderlich ist, 
  • sich an Situationen des Gelingens zu erinnern, 
  • den eigenen Tagesplan loszulassen, 
  • einen gemeinsam gut bewältigten Tag, der möglicherweise stressarm war, als wertvolle, persönliche und pädagogische Leistung mit den Kolleg:innen und Kindern anzuerkennen, 
  • die Wahrnehmung umzulenken, wie z.B. Aufräumen, Spazierengehen, sich mit anderen Dingen beschäftigen, Sport treiben Musik hören, lesen, essen, trinken, ein Bad nehmen. 

Wichtig ist, sich realistisch mit der gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen und den Ist-Stand zu analysieren. Um den Stress zu bewältigen, können die folgenden langfristige Strategien hilfreich sein: 

  • Autogenes Training, 
  • Yoga oder Thai-Chi, 
  • eine Veränderung der Grundeinstellung wie z.B. positives Denken, 
  • Selbstmanagement mit eingeplanten Puffern, 
  • Zeit für soziale Kontakte, 
  • Zufriedenheitserlebnisse schaffen, 
  • Problemlösungsstrategien anwenden. 

Um z.B. den Arbeitsalltag hinter sich zu lassen, eignet sich der Heimweg bestens für eine kurze Gehmeditation. So kann man mit frischer Energie in den Feierabend starten. Die wesentlichen Bestandteile der Gehmeditation sind Achtsamkeit: Gehen, Atmen und Lächeln. In der Regel gehen wir automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken. Ziel ist es, die Bewegungen beim Gehen bewusst wahrzunehmen und alles andere auszublenden, den Atem den Schritten anzupassen. Das Lächeln dabei nicht vergessen! Denn selbst wenn uns nicht danach ist, werden durch die Mimik positive Botenstoffe ausgeschüttet.  

Bewegung ist das A und O, um die Gehirnzellen am Laufen zu halten. Durch Bewegung wird unser Gehirn mit Sauerstoff durchflutet. Wir bauen durch die körperliche Anstrengung Stress ab und katapultieren den Körper direkt in eine gesunde mentale wie physische Ruhephase. Schön wäre es, Spaß dabei zu haben. So können wir abschalten und anschließend gut schlafen. Studien empfehlen, dass es mindestens sieben Stunden pro Tag sein sollten, damit sich Körper und Geist wieder regenerieren können. Nur mit ausreichend Schlaf kann das Gehirn am nächsten Tag wieder auf Hochtouren arbeiten. 

Teufel oder Engel?: Wenn wir uns von der Vorstellung trennen können, dass die Dinge immer so laufen, wie wir sie erwarten, dann nutzen wir unsere Fähigkeit, einen Gedanken dem anderen vorzuziehen.

Mehr von Barbara Schmieder 

Literatur 

Krause, Christina; Mayer, Claude-Hélène (2012): Gesundheitsressourcen erkennen und fördern. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 

Kypta, Gabriele (2020): Burnout erkennen, überwinden, vermeiden.‎ 2. Auflage. Carl Auer: Heidelberg 

Schütz, Astrid; Köppe, Christina; Andresen, Maike (2020): Was Führungskräfte über Psychologie wissen sollten. Hogrefe: Göttingen 

Techniker Krankenkasse (2021) (Hrsg.): Entspann dich, Deutschland! TK-Stress-Studie 2021. Abrufbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2116464/d16a9c0de0dc83509e9cf12a503609c0/2021-stressstudie-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 14.3.23) 

Schneewind, Julia (2011): Persönlichkeit stärken – gesund bleiben. Bildungsverlag EINS: Köln 

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