Werteerziehung: Wie Eltern demokratische Grundwerte vorleben

Toleranz, Verständnis, Respekt: Das sind demokratische Grundwerte, die Eltern ihren Kindern gerne vermitteln möchten. Theorieunterricht hilft dabei nicht. Vormachen funktioniert! Doch werden wir als Eltern unserer Vorbildrolle gerecht? Wie verhalten wir uns im Alltag anderen Menschen gegenüber, wie reden wir über sie, und wie sprechen wir mit unseren Kindern? Indem wir lernen unsere Werte zu leben, lehren wir sie auch.

Wir alle möchten in einer friedlichen Gesellschaft leben, in der wir uns respektiert und geachtet fühlen. Wir möchten uns in die Gemeinschaft einbringen und mit unseren Beiträgen gesehen und geschätzt werden. Doch das Zusammenleben in einer solchen demokratischen Gemeinschaft gelingt nur dann, wenn wir Werte wie Toleranz und Mitgefühl kultivieren, wenn wir Verantwortungsübernahme und Dialogbereitschaft stärken. Erst dann können wir andere so behandeln, wie auch wir von ihnen behandelt werden wollen.

Werte als Anker in einer komplexen Welt

Diese Werte unseren Kindern mit auf den Weg zu geben, ist wichtig für ihre eigenen Persönlichkeitsentwicklung und für eine positive Entwicklung unserer Gesellschaft insgesamt. Idealerweise werden diese Werte für die Kinder zu Leitsternen, an dem sie Entscheidungen und Handlungen messen und nach denen sie ihr Leben ausrichtigen. Sie dienen ihnen als Ankerpunkte in einer komplexen Welt, die von Wandel und Unwägbarkeiten geprägt ist.

Spielend lernen?

Doch wie können Erwachsene Kinder schon früh mit diesem Werten vertraut machen und sie so erziehen, dass sie für sie selbstverständlich werden? Es existieren zahlreiche Bilderbücher, die zum Beispiel Toleranz und Mitgefühl vermitteln. Brettspiele tragen dazu bei, dass Kinder Regeln einzuhalten und mit Niederlagen umzugehen lernen. Spielen Kinder in der Gruppe, handeln sie untereinander Regeln für ihr Spiel aus und üben dabei ihre Dialogbereitschaft und Konfliktfähigkeit.

Alltagskultur ist entscheidend

All diese Dinge sind gut und wichtig. Sie helfen jedoch wenig, wenn Erwachsene im Alltag eine ganz andere Kultur pflegen. Wenn wir unseren Kindern demokratische Grundwerte vermitteln möchten, dann müssen wir dafür Vorbild sein. Und Hand aufs Herz: Meckern wir nicht oft genug über oder mit unseren Mitmenschen? Sie haben schon wieder nicht gegrüßt, sind zu unordentlich, zu pingelig, zu laut, fahren zu langsam oder erledigen ihren Job ganz anders, als wir es uns vorstellen.

Ein gutes Vorbild?

Vielleicht sind wir Erwachsenen es, die lernen sollten – lernen innezuhalten, wenn die Nerven blank liegen und wir gerade anfangen wollten, uns wortreich über andere zu beklagen oder mit ihnen zu schimpfen. Wo bleiben unsere Toleranz und unser Respekt? Zeigen wir so unsere Wertschätzung für die Beiträge anderer? Hilfreich ist es, sich bewusst zu machen, dass andere Menschen sich nicht verhalten, wie sie es tun, um uns zu ärgern. Ihr Verhalten ist aus ihrer Perspektive sinnvoll, entspricht ihren Fähigkeiten oder spiegelt ihre Bedürfnisse.

Unsere Superkraft: In andere hineinversetzen

Unsere Möglichkeit, uns in andere hineinzuversetzen, ist eine menschliche Superkraft, die uns dabei hilft, einen fremden Blickwinkel einzunehmen und andere besser zu verstehen. Kognitive Perspektivübernahme nennen Fachleute das. Neuere Studien legen nahe, dass Kinder diese Fähigkeit entwickeln, noch bevor sie sprechen können. Untersuchungen zeigen auch, dass sich kognitive Perspektivübernahme trainieren lässt. Vielleicht tun Sie das mit Ihren Kindern gemeinsam? Sie könnten zum Beispiel überlegen, warum die Person im Auto vor Ihnen so langsam fährt. Vielleicht ist sie fremd in der Stadt und muss sich erst orientieren. Oder sie könnte ein Verkehrsschild übersehen haben und annehmen, noch in der Tempo-30-Zone zu fahren…

Wie reden wir mit unseren Kindern?

Besonders ausschlaggebend ist Ihre Vorbildfunktion, wenn Sie mit Ihrem Kind sprechen. Da Erwachsene größer und erfahrener sind, geschieht das zumeist von oben heran – im doppelten Wortsinn. Häufiger als uns als Eltern bewusst ist, geben wir Anweisungen. Viel zu selten treten wir in einen echten Dialog mit unseren Kindern. Vielleicht haben Sie folgende Situation so ähnlich auch schon erlebt: Ihr Kind spielt versunken mit einem Stofftier und schlüpft dabei in die Rolle eines Elternteils. „Wie sieht’s denn hier aus. Jetzt wird aber aufgeräumt!“, schimpft es dann zum Beispiel mit seinem Tier. Eine erkenntnisreiche Schrecksekunde für uns Erwachsene: „So klinge ich also für mein Kind!“

Erzieher:innen üben eine dialogische Haltung

In den element-i Kinderhäuser machen es die Erzieher:innen anders. Sie üben eine dialogische Haltung im Umgang mit den Kindern. Das bedeutet, dass sie sich auf die Höhe des Kindes begeben, Blickkontakt herstellen und dem Kind ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Sie stellen offenen Fragen, also solche, die sich nicht einfach mit ja und nein beantworten lassen. Sie geben dem Kind Zeit, sein Wissen zu präsentieren oder seine Empfindungen und Bedürfnisse sprachlich auszudrücken. Sie lassen Meinungen zu, ohne sie gleich mit richtig oder falsch zu bewerten. Und sie bringen Impulse ein, die zum Weiterdenken anregen.

Kinder erleben Wertschätzung

Ein solcher Austausch ist wertschätzend und respektvoll. Die Kinder erleben sich als ein wichtiges Mitglied der Gemeinschaft, das eine relevanten Beitrag leisten kann. Das stärkt sie und ermutigt sie zunehmend Verantwortung für sich und die Gruppe zu übernehmen. Auf diese Weise mit Kindern ins Gespräch zu gehen, ist natürlich nicht immer möglich. Sind Erwachsene gerade mit anderen Dingen beschäftigt, wenn ein Kind mit ihnen sprechen möchte, können sie ihm sagen, dass diese Sache noch fertigmachen und dann für einen Austausch offen sind. Einen solchen Umgang mit Kindern zu lernen und auch in stressigen Situationen beizubehalten, ist eine Herausforderung. Auch Profis gelingt das nicht immer.

Fragen Sie Ihr Kind!

Für uns Eltern kann diese Herangehensweise ein wertvoller Impuls sein. Denn wie würden wir uns fühlen (kognitive Perspektivübernahme), wenn uns ständig jemand von oben herab Befehle erteilte und uns maßregelte? Wütend? Bockig? Gekränkt? Resigniert? Probieren Sie einen anderen Weg und fragen Sie einfach künftig öfter Ihr Kind: Vielleicht ist es gerade wütend. Dann sagen sie: „Ich habe den Eindruck, dass du wütend bist. Wie kommt das denn?“ und „Was können wir da tun?“

Übrigens: Wenn Sie wie beschrieben mit Ihrem Kind in den Dialog treten, wenn Sie seine Meinung erfragen und Beteiligung ermöglichen, setzen Sie UN-Kinderrechte (https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93140/78b9572c1bffdda3345d8d393acbbfe8/uebereinkommen-ueber-die-rechte-des-kindes-data.pdf) um. Besonders die Rechte auf Beteiligung und auf freie Meinungsäußerung (Artikel 12 und 13) sind hier relevant. Die Ziele von Bildung & Erziehung und die Werte, die dem zugrunde liegen sollten, fasst Artikel 29 zusammen.

8 praktische Tipps für die Umsetzung demokratischer Grundwerte im Familienalltag

  1. Aktives Zuhören üben: Stellen Sie Ihrem Kind offene Fragen, hören Sie aufmerksam zu und zeigen Sie Interesse an seinen Gedanken und Gefühlen.
  2. Gemeinsame Entscheidungen treffen: Involvieren Sie Ihr Kind bei Familienentscheidungen, um ein Gefühl der Mitbestimmung und Verantwortung zu fördern.
  3. Dialog statt Anweisungen: Versuchen Sie, öfter in einen echten Dialog mit Ihrem Kind zu treten, anstatt Anweisungen zu geben. Hören Sie auch die Perspektive Ihres Kindes an.
  4. Konflikte konstruktiv lösen: Lehren Sie Ihr Kind, Konflikte auf eine respektvolle Weise anzugehen. Finden Sie gemeinsam Lösungen und setzen Sie auf Kompromisse.
  5. Gemeinsame Reflektion: Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Alltagssituationen und reflektieren Sie gemeinsam, wie man auf eine Weise handeln kann, die die demokratischen Grundwerte widerspiegelt.
  6. Regelmäßige Familienbesprechungen: Schaffen Sie Raum für offene Gespräche und Besprechungen, in denen jedes Familienmitglied seine Meinung äußern kann.
  7. Gemeinsame Projekte initiieren: Starten Sie als Familie Projekte, die Zusammenarbeit erfordern. Dies kann das Bewusstsein für die Stärken jedes Einzelnen fördern.

Gemeinsame Werte-Rituale: Etablieren Sie Rituale, die die demokratischen Grundwerte betonen, sei es in Form von gemeinsamen Abendgesprächen oder Ritualen vor dem Schlafengehen.

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